# taz.de -- Departementswahlen in Frankreich: Die Republik biegt rechts ab | |
> Der Front National dürfte der große Sieger der Wahlen am Sonntag werden. | |
> Viele Bürgerliche sympathisieren mit der Rechten. Die Linke ist | |
> zersplittert. | |
Bild: Mischt beim Wahlkampf ordentlich mit: FN-Chefin Marine Le Pen, hier in Si… | |
PARIS taz | An den kommenden beiden Sonntagen wird in den hundert | |
Departements Frankreichs gewählt. Neu ist dabei die obligatorische | |
Zweierkandidatur in jedem Wahlkreis. Da auf jeder Liste abwechselnd eine | |
Frau und ein Mann stehen müssen, ist erstmals garantiert, dass in der | |
Departementsräten (Conseil général) eine totale Geschlechterparität | |
herrschen wird. Offenbar hatte man in Frankreich kein anderes Mittel | |
gefunden, um der krassen Untervertretung der Politikerinnen | |
entgegenzuwirken, als per Gesetz. | |
Doch diese wichtige Änderung wird in der Wahldebatte kaum erwähnt. | |
Eigentlich dreht sich seit Wochen im Wahlkampf alles um den rechtsextremen | |
Front National (FN). Woche für Woche bestätigen Umfragen, dass die Partei | |
von Marine Le Pen bei diesen lokalen Wahlen landesweit mit einem | |
historischen Durchbruch rechnen kann. | |
Mit voraussichtlich mehr als 30 Prozent der Stimmen liegt der FN vor der | |
bürgerlichen Opposition (29 Prozent), die sich aus Nicolas Sarkozys | |
konservativer UMP und der mit dieser verbündeten Zentrumspartei UDI | |
zusammensetzt. Die regierenden Sozialisten (PS), die in den Prognosen unter | |
der Schwelle von 20 Prozent liegen, müssen nach den Kommunal- und | |
Europawahlen mit einer weiteren verheerenden Schlappe rechnen. | |
Bisher regieren die Sozialisten, zum Teil gemeinsam mit den Grünen und | |
anderen linken Verbündeten, in 61 von 100 Departements. Nach dem zweiten | |
Wahlgang könnten es nur noch 20 sein. Selbst um Bastionen wie die ländliche | |
Corrèze, die früher vom derzeitigen Staatschef François Hollande präsidiert | |
wurde, oder die Essonne südlich von Paris, die lange die Wahlhochburg von | |
Premierminister Manuel Valls war, muss die Regierungspartei bangen. | |
Kürzlich sorgte Valls für Aufsehen mit der dramatischen Erklärung: „Ich | |
habe Angst um mein Land, dass am Front Nationale zerbersten könnte.“ | |
## Kaum abzuwendendes Desaster | |
Das Desaster dürfte schon allein darum kaum abzuwenden sein, weil die | |
PS-Listen in diesem Jahr in 90 Prozent der Wahlkreise mit Kandidaten der | |
Grünen und der Linksfront Konkurrenz von links haben. Die fast | |
traditionelle Linksunion ist Vergangenheit, da die Parteien der Linken | |
aufgrund ihrer Differenzen bezüglich der Regierungspolitik völlig gespalten | |
und zerstritten antreten. Die Zersplitterung auf mehrere Listen kann | |
aufgrund des Wahlsystems das Ausmaß der Niederlage nur noch verschärfen. | |
Letztlich haben es sich die französischen Sozialisten selber zuzuschreiben, | |
wenn sie es dieses Mal in einer Mehrzahl der Wahlkreise nicht in den | |
zweiten Durchgang schaffen. Wegen der von ihnen 2013 verabschiedeten Reform | |
braucht eine Zweierliste mindestens 12,5 Pozent der Stimmen der | |
eingeschriebenen WählerInnen. Wenn nun aber die Beteiligung weiter sinkt, | |
wird die Hürde für die Dritt- oder Viertplatzierten fast unüberwindbar. | |
Damit wollte die Linksregierung ursprünglich die extreme Rechte aus | |
Stichwahlen eliminieren. Da der FN aber heute die stimmenstärkste | |
Einzelpartei ist, hat sie sich mit dieser Regelung selber ins Bein | |
geschossen. Zudem haben 30 Prozent der Wahlberechtigten zwei Wochen vor dem | |
ersten Durchgang erklärt, sie hätten gar nicht gewusst, dass es demnächst | |
Wahlen gibt. | |
## Wenige Hürden für den FN | |
Bei den Stichwahlen zwischen FN und linken Listen stimmen die | |
Sympathisanten der UMP heute überdies mehrheitlich für die extreme Rechte. | |
Das bestätigen nicht nur Meinungsumfragen, denen zufolge fast die Hälfte | |
der UMP-Basis sogar Wahlallianzen mit dem FN befürwortet, sondern auch die | |
Analyse einer kürzlichen Nachwahl in Ostfrankreich. | |
Das extremistische Programm des FN hat für traditionell bürgerliche Wähler, | |
aber auch für viele enttäuschte LinkswählerInnen nichts Abschreckendes | |
mehr. Marine Le Pen ist es gelungen, ihre Partei für rund ein Drittel der | |
Franzosen und Französinnen zu einer glaubwürdigen Alternative zu machen. | |
Der Pessimismus und die Frustration ist so groß, dass viele Wähler auf die | |
Frage nach ihren Motivationen sagen, der FN sei die einzige Partei, von der | |
sie sich noch nicht verraten fühlen. | |
Dem FN, der bislang stets einen Mangel an politisch geschulten und | |
qualifizierten Kandidaten hatte, ist es erstmals gelungen, fast in allen | |
Wahlkreisen, selbst in den ländlichen Gebieten, Listen aufzustellen. Auch | |
dies zeigt, wie sehr die extreme Rechte in der politischen Landschaft Fuß | |
gefasst hat. | |
17 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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