| # taz.de -- Länderfinanzausgleich in Deutschland: Sanfte Landung für den Soli | |
| > Ministerpräsident Kretschmann will den ewigen Streit mit einem Kompromiss | |
| > beilegen. Der Vorschlag ist auch eine Attacke auf CSU-Chef Seehofer. | |
| Bild: Ministerpräsident Kretschmann bei der Bundespressekonferenz in Berlin. | |
| BERLIN taz | Eigentlich neigt Winfried Kretschmann nicht zur Ungeduld. Aber | |
| an diesem Donnerstag lässt Baden-Württembergs Ministerpräsident | |
| durchblicken, wie sehr ihn das Gezerre um die Neuordnung der | |
| Bund-Länder-Finanzen nervt. Viel Zeit sei verspielt worden, sagt | |
| Kretschmann. „Alle haben zu lange auf Maximalpositionen beharrt.“ | |
| Ein Kompromiss zur Güte bei einem umstrittenen Mammutprojekt: So sieht der | |
| Grüne Kretschmann den Vorschlag zum Länderfinanzausgleich, den er mit | |
| seinem Finanzminister Nils Schmid (SPD) gestern in Berlin vorstellte. Seit | |
| Monaten versuchen Bund und Länder, die Finanzarchitektur der Republik neu | |
| zu ordnen, bisher erfolglos. Es sei dringend nötig, bis zum Sommer zu einem | |
| „tragfähigen Kompromiss“ zu kommen, so Kretschmann. Das war zuletzt | |
| unwahrscheinlich geworden. | |
| Der Vorschlag der Landesregierung enthält mehrere Punkte: | |
| Soli-Integration: Der Solidaritätszuschlag würde ab dem Jahr 2020 in die | |
| Tarife der Einkommen- und Körperschaftssteuer integriert. Hintergrund: Der | |
| Soli läuft 2019 aus, er garantiert dem Bundeshaushalt hohe Einnahmen. Im | |
| Jahr 2013 waren es etwa 14,4 Milliarden Euro. Dieses Geld würde dem Bund | |
| für Investitionen fehlen, zudem fordern die Länder einen Anteil wegen der | |
| Schuldenbremse. Wenn der Staat den Soli abschaffte, aber die | |
| Einkommensteuertarife leicht anhöbe, bliebe dies für die Bürger | |
| einkommensneutral. Die Einnahmen würden zwischen Bund und Ländern | |
| aufgeteilt. | |
| Kalte Progression: Kretschmann will ein kleines Ärgernis des Steuersystems | |
| abschaffen. Die Steuertarife werden derzeit nicht an die Inflation | |
| angepasst. Angestellte, die Lohnerhöhungen bekommen, können in höhere | |
| Steuertarife rutschen, ohne real mehr zu verdienen. Die Entlastung für die | |
| Bürger wäre minimal, sie betrüge oft nur wenige Euro im Jahr, weil die | |
| Inflation niedrig liegt. Der Vorschlag kalkuliert den Wegfall mit 2,5 | |
| Milliarden Euro im Jahr. Die Idee ist ein Herzenswunsch der Union. | |
| Entflechtung: Manche Staatsaufgaben finanziert der Bund, andere die Länder. | |
| Diese Ausgabenteilung ist nicht immer logisch, sondern historisch | |
| gewachsen. Kretschmann plädiert für mehrere Vereinfachungen. Ein Beispiel: | |
| Die Kosten für das Wohngeld teilen sich Bund und Länder, im Jahr 2014 waren | |
| es 845 Millionen Euro. Eigentlich ist die Finanzierung von | |
| Sozialleistungsgesetzen aber Bundessache. Kretschmann schlägt vor, dass der | |
| Bund das Wohngeld ab 2020 übernimmt und die Länder dafür auf Mittel für den | |
| Wohnungsbau verzichten. | |
| Inhaltlich lehnen sich diese Ideen an ein Papier an, das | |
| Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Erster | |
| Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Herbst 2014 entwickelt hatten. Der | |
| Vorteil wäre, dass viele Beteiligte etwas bekämen. Der Bund müsste nicht | |
| den kompletten Wegfall des Soli kompensieren, die Länder bekämen | |
| Mehreinnahmen, die Bürger eine kleine Steuerentlastung. Viele Bundesländer | |
| könnten mit den Vorschlägen von Kretschmann, Schäuble und Scholz leben. | |
| Eine überraschende Wendung nahm die Debatte vor zwei Wochen. Medien | |
| berichteten, Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und | |
| Finanzminister Schäuble hätten sich darauf verständigt, den Soli ab 2020 | |
| stufenweise abzubauen. Von einer Kompensation war keine Rede mehr. | |
| Kretschmanns Vorstoß muss man auch als Reaktion auf diese Allianz | |
| verstehen. Der Schwenk habe ihn „außerordentlich überrascht“, sagte | |
| Kretschmann. „Wer den Soli abschmelzen will, muss sicherstellen, dass auf | |
| anderem Wege Mittel auf die Länder umgeschichtet werden können.“ | |
| 19 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
| ## TAGS | |
| Baden-Württemberg | |
| Winfried Kretschmann | |
| Kalte Progression | |
| Länderfinanzausgleich | |
| Solidaritätszuschlag | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Wolfgang Schäuble | |
| Inflation | |
| Bundesländer | |
| Baden-Württemberg | |
| Solidaritätszuschlag | |
| Länderfinanzausgleich | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Flüchtlingspolitik des CSU-Vorsitzenden: Seehofer kopiert Ramelow-Vorschlag | |
| Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags soll gestoppt werden, um die | |
| Kosten auszugleichen, schlägt Seehofer vor. SPD und FDP üben umgehend | |
| Kritik. | |
| Steuerreform der Großen Koalition: 17 Euro mehr. Im Jahr, natürlich | |
| Der Wegfall der kalten Progression bringt Niedrigverdienern nichts. Doch | |
| für den Staat produziert die Mini-Steuerreform immense Kosten. | |
| Ankündigung vom Finanzminister: Steuerliche Entlastung für Bürger | |
| Bislang bleibt Arbeitnehmern bei einer hohen Inflation von Lohnerhöhungen | |
| weniger Geld, weil der Staat mitkassiert. Finanzminister Schäuble will das | |
| Problem angehen. | |
| Debatte um den Solidaritätszuschlag: Mehr Einwohner, mehr Geld | |
| Zur Zukunft des Soli ab 2020 melden sich zahlreiche Landes-Finanzminister | |
| zu Wort. Niedersachsen präsentiert ein Modell, das die Landesgröße | |
| berücksichtigt – inklusive Ost-Bonus. | |
| Kommentar Länderfinanzausgleich: Kretschmann hat recht | |
| Baden-Württembergs Regierungschef hat einen klugen Vorschlag zu den | |
| Bund-Länder-Finanzen vorgelegt. Die Idee aber hat einen Feind: Horst | |
| Seehofer. | |
| Solidaritätszuschlag in Deutschland: Jahrzehnte gehen, der „Soli“ bleibt | |
| Bundeskanzlerin Merkel schließt das Auslaufen des „Soli“ nach 2019 aus. | |
| Eine Einigung von Bund und Ländern über die Verwendung liegt aber in weiter | |
| Ferne. | |
| Debatte um Länderfinanzausgleich: Sechs Bundesländer reichen doch | |
| Der Länderfinanzausgleich läuft 2019 aus. Bei der Arbeit an einer Reform | |
| sieht Saarlands Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer auch eine | |
| Länderfusion als Option. |