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# taz.de -- Die Wahrheit: Die atlantische Sprache der Liebe
> Als juveniles Weißbrot aus der teutschen Provinz ist es mit dem
> Anschlussfinden am französischen Plage erstmal nicht so easy.
Wir wollten weißen Sand, Dreimeterwellen, Wein aus Zweiliterbuddeln, mit
Zucker veredelt, Fototapetensonnenuntergänge und möglichst sparsam
bekleidete Französinnen. Die sollten da ja ziemlich locker sein an der
Atlantikküste in Biscarosse, Ortsteil Plage.
Doch auf uns juvenile Weißbrote aus der teutschen Provinz hatten sie gerade
gewartet. Wir konnten uns noch so aufpumpen, beim Strandfußball fremde Pos
treffen, beim Ballhochhalten zu dritt alle persönlichen Rekorde brechen
oder Philippe Djians „Betty Blue“ lesen, man belächelte uns nicht mal.
Abends gingen wir in die Disco und trafen einen Bekannten aus unserem
Fußballverein. So ist das, wenn man sich sehr weit von zu Hause entfernt.
Einer ist immer schon da.
Aber dann wurde doch alles gut. Wir saßen bei einer Dose Ravioli vorm Zelt,
tranken nachgesüßten Beaujolais, Bordeaux, Languedoc-Roussillon oder einen
Verschnitt, als drei leicht angetüterte Mädchen, Schülerinnen,
augenscheinlich noch jünger als wir, durch die Pinienwaldherrlichkeit
streiften auf der Suche nach aventure. Oder nach ein paar blöd naiven
Touris, denen man die Alkvorräte wegsaufen konnte.
Sie setzten sich zwanglos zu uns, gaben vor, kein Englisch zu sprechen,
ohnehin wurde mehr gekichert als gesprochen. Es war nicht mal unangenehm so
ohne Verständigung. Man taxierte sich gegenseitig, kommentierte etwas, und
dann wurde gelacht. Es war vermutlich besser für beide Seiten, dass der
Sinn der Worte im Dunkeln blieb.
Unterhaltsam wurde es, wenn die drei Französinnen unser Idiom zu imitieren
versuchten. „Schlocktrockkollompom.“ Sie gaben sich richtig Mühe, wir waren
geschmeichelt und schenkten zum Dank immer wieder die mitgebrachten
Becherchen nach, bis es anfing Nacht zu werden in Biscarosse Plage.
Die Mädchen blieben und blieben, wurden immer betrunkener, wir auch, und
fast schien es, als hätte sich im Einflussbereichs des Alkohols eine
Schnittmenge der Sprachen ausgebildet, mit der so etwas wie Verständigung
zumindest rudimentär möglich war. Die Sprache der Liebe.
Da vernahmen wir ein merkwürdiges Geräusch. Wie von einem Bächlein. Die
Mädchen hörten es auch. Plötzlich sprangen zwei von ihnen auf und kieksten
laut. Die Dritte blieb hocken und lachte nun mit tiefer Dämonenstimme. Wir
gruselten uns, schauten genauer hin und sahen, was wir längst ahnten. Sie
hatte im Schutz der Dunkelheit ihren Rock gehoben, den Slip in die
Kniekehle geschoben und püscherte fröhlich zwanglos in die Natur. Wir
sprangen nun ebenfalls auf, weil sich der Fluss in unsere Richtung
schlängelte.
Aus unerklärlichen Gründen hatte sie damit das Signal zum Aufbruch, ja,
gestrullert. Sie ordnete wenig damenhaft ihre Kleidung, die anderen beiden
nahmen sie jetzt in die Mitte, und genauso selbstverständlich, wie sie
gekommen waren, ohne merci oder au revoir, verschwand das Trio in der lauen
Nacht, eine Spur aus Mädchengekicher hinter sich herziehend.
„Ich glaube, ich habe mich gerade verliebt.“ – „Perverse Sau!“
20 Mar 2015
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Flirten
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Heavy Metal
Kinder
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