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# taz.de -- Die Wahrheit: Röhrende Raben
> Wenn tollwütige Duracell-Hasen Hannover mit Metal überziehen, ist alles
> und nichts drin.
Die Vorgruppe macht ihre Sache gut, sie sorgt gleich für Lacher. „Kommt
doch mal ein bisschen nach vorne zu uns.“ Die alte Amateurbandlitanei, auf
die man in der ausgeschlafenen niedersächsischen Hauptstadt nur gewartet
hat. „Nööö“, nölt es vielstimmig aus der Dunkelheit, „kommt ihr doch
einfach ein bisschen zu uns.“ An die Theke, soll das wohl heißen, auf ein
Bier.
Man ist zweifellos nicht wegen der Vorgruppe da, sondern wegen Raven,
dieser tollwütigen Duracel-Hasen, die mit ihrem hysterischem, hypernervösen
Speed Metal, bevor es das Wort gab, ein paar Jahre lang kurz vor dem großen
Durchbruch standen. Aber dann wollte man unbedingt den amerikanischen Markt
knacken, nahm Johanniskrauttee, beruhigte sich, verprellte damit die
räudige Althörerschaft, und dann kamen andere, die waren noch fickeriger,
wie Metallica zum Beispiel.
Jetzt kehrt wieder Normalität ein. Sie gastieren im hannöverschen Lux, der
Besenkammer vom Capitol, dem eigentlichen Veranstaltungslokal. Und dass sie
hier spielen, muss man schon wissen, denn es steht nirgends. Doch, da, eine
kleine Schautafel, mit der hiesige Pufferschmieden normalerweise ihr
erlesenes Tagesgericht anpreisen! Anstatt „Knüppel mit Gerümpel für Kranke
4,80.-“ gibt es „Heute: Raven“.
Egal. Hundert Menschen kommen immer. Die Bude ist voll. Es duftet nach
einem Potpourri aus Jungsumkleide, Schwitzhütte und Tierheim. Metal hat
schon eine Weile seinen angestammten Platz in der Gosse wieder eingenommen,
wenn man mal von den drei, vier Besserverdienenden absieht, und Raven
gehören genau da hin.
Die Beta-Blocker nehmen sie schon seit Jahren nicht mehr. Sie schlagen
endlich wieder Haken wie eine Kanalratte, die eine vielbefahrene Autobahn
überquert. Genauso lebensgefährlich ist es für sie. Sie sind steinalt und
sehen verbraucht aus, aber das spielt heute Abend keine Rolle. Die Hölle
ist ein Nadelöhr, und da müssen sie jetzt durch.
Die Ansagen sind schiere mittelalterliche Poesie. „Fuck Disco!“ Und als es
keine rechte Reaktion darauf gibt: „Fuck auch all die anderen Tanzmusiken,
die ich nicht mehr mitbekommen habe in den letzten Jahrzehnten – Heavy
Metal!“ Und damit kriegt man uns natürlich immer. Wenn der Mensch seiner
ganzen garstigen Geworfenheit teilhaftig, wenn er so richtig geheideggert
wird, wenn die Welt ihm mit dem Arsch ins Gesicht springt, dann brüllt man
in Gelsenkirchen „Schaaaaalke“ und in unserem kleinen Dorf „Heavy Metal�…
und nicht alles, aber einiges ist wieder gut.
„Are you with us?“, trompetet John schließlich, aber unser lautes „Na kl…
doch“ überzeugt ihn noch nicht. „Are you with uuuuus?“ Er meint es ernst.
Und so folgt zwangsläufig ein Urschrei aus gefühlt 101 Kehlen. Es sind nur
hundert da, aber einer schreit immer für zwei.
Und während Johns Organ mehr als der Hälfte der Anwesenden erneut eiskalt
in die Testikeln fährt, drängt sich eine Frage auf. Sieht so „in Würde
altern“ aus? Ich würde sagen – ja!
26 Oct 2015
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Hannover
Männer
Familie
Wacken
Diebstahl
Flirten
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