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# taz.de -- Gutachter zu Massentierhaltung: Alle Ställe sollen öko werden
> Regierungsberater empfehlen, Tieren in konventionellen Betrieben so viel
> Platz wie auf Biohöfen zu geben. Die Branche verliere sonst an Akzeptanz.
Bild: Schweine (mit amputierten Ringelschwänzen) auf der Wiese
BERLIN taz | Nach Tierschützern fordern jetzt sogar vom
Bundesagrarministerium eingesetzte Gutachter eine radikale Wende in der
Tierhaltung. Der wissenschaftliche Beirat für Landwirtschaftspolitik
erklärte die Haltungsbedingungen „eines Großteils der Nutztiere“ in einer
am Mittwoch präsentierten Studie für „nicht zukunftsfähig“.
Es müssten „erhebliche Defizite“ vor allem beim Tierschutz behoben werden …
und die Menschen im Schnitt weniger Fleisch essen. Denn die Probleme hätten
zu einem „massiven Vertrauensverlust“ in der Bevölkerung geführt, der die
Akzeptanz gefährde.
Im Einzelnen empfehlen die Experten von Universitäten und
wissenschaftlichen Behörden zum Beispiel, dass künftig alle Nutztiere
Zugang zu verschiedenen Klimazonen, „vorzugsweise Außenklima“, haben – a…
zum Beispiel Auslauf im Freien oder Ställe mit offenen Wänden. Milchkühe
sollten auf die Weide und nicht nur – wie derzeit rund 40 Prozent dieser
Tiere – drinnen gehalten werden.
Auch müssten Tiere mehr Platz bekommen – ungefähr so viel wie im
Bio-Landbau. „Bei dem Mehrplatzbedarf ist das häufig so in der
Größenordnung von 50 Prozent, teilweise aber auch mehr“, sagte
Beiratsvorsitzender Harald Grethe.
## Nur leichte Preissteigerungen
Zudem raten die Experten, auf Amputationen zu verzichten. In der
konventionellen Landwirtschaft werden den meisten Schweinen die
Ringelschwänze abgeschnitten und Hühnern die Oberschnäbel gekürzt, damit
sie sich in den engen, monotonen Ställen nicht gegenseitig verletzen.
Die Umsetzung der Empfehlungen würde die Produktionskosten nach Schätzung
der Experten um 13 bis 23 Prozent erhöhen – „insgesamt etwa 3 bis 5 Mrd.
Euro jährlich“. Da die Agrarwirtschaft aber nur ein Viertel des Endpreises
kassiert, müssten die Konsumenten lediglich rund 3 bis 6 Prozent mehr
bezahlen.
Damit dann Teile der Fleisch- und Milchwirtschaft nicht in Länder mit
geringeren Standards abwandern, muss die EU den Wissenschaftlern zufolge
auf deutsche Initiative hin die Gesetze verschärfen. Der Bund sollte zudem
stärker über die Tierhaltung in Deutschland informieren und ein staatliches
Siegel für artgerechter erzeugte Produkte einführen.
Weiterhin müsse Berlin, wie von der EU bereits erlaubt, mehr
Agrarsubventionen für Tierschutz in der Landwirtschaft und weniger für
Direktzahlungen ausgeben, die je Hektar Land gezahlt werden. Ausdrücklich
empfehlen die Gutachter dem Bund, sofort das deutsche Tierschutzrecht zu
ergänzen – also zu verschärfen. Bislang könnten höchstens 25.000 Euro
Bußgeld wegen Tierschutzverstößen verhängt werden. Angesichts der heutigen
Großbetriebe sei das einfach zu wenig.
## EU-Entscheidungen vorgreifen
Von den Bundesländern fordern die Wissenschaftler, dass sie das
Tierschutzrecht konsequenter durchsetzen. Vor allem müssten sie „klar
kommunizieren“, dass sie den Verzicht auf Amputationen innerhalb von 3
Jahren durchsetzen.
All das bezeichnen die Fachleute als „Sofortmaßnahmen“. Offenbar erwarten
sie, dass Deutschland nicht auf die EU wartet, sondern gegebenenfalls
allein vorangeht.
„Mit dem Gutachten ist der Endpunkt der vielen Worte erreicht. Jetzt muss
auch Bundesminister Schmidt liefern. Das heißt: Wir brauchen jetzt Taten“,
sagte der Präsident des Tierschutzbundes, Thomas Schröder, der taz. Der
Parlamentarische Staatssekretär im Bundesagrarministerium, Peter Bleser,
erklärte in einer ersten Reaktion auf die Studie aber, die Regierung habe
schon viele der empfohlenen Vorhaben auf den Weg gebracht. So gebe es
bereits einen Arbeitskreis mit Experten und man arbeite an einer
Zulassungsverordnung für Stalleinrichtungen für Legehennen.
Der Bauernverband kritisierte die Empfehlungen als „leichtfertig und
praxisfern“. Er bezweifelte, dass die Verbraucher die Kosten für mehr
Tierschutz tragen wollten. Die Konsumenten würden eher zu billigeren
Produkten aus dem Ausland greifen.
25 Mar 2015
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Landwirtschaft
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Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
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