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# taz.de -- Vor der Wahl in Nigeria: Glückloser Goodluck im Endspurt
> Die Verschiebung der Wahl könnte Präsident Jonathan den Sieg am Samstag
> bescheren. Vor allem aber ist seine Wahlkampfkasse unerschöpflich.
Bild: Die Kontrahenten Goodluck Jonathan (li.) und Muhammadu Buhari versprechen…
LAGOS taz | Es geht um sehr viel, wenn die geschätzt 57 Millionen Einwohner
Nigerias, die ihre biometrischen Wählerausweise abgeholt haben, am Samstag
ihren nächsten Präsidenten wählen. Noch nie hat Nigeria einen so heftigen
Wahlkampf voller drastischer Zuspitzung erlebt, und nach allen Vorhersagen
wird es auch die knappste Wahl in Nigerias Geschichte.
Die Wahl insgesamt stand auf der Kippe, als sie kurz vor ihrem eigentlichen
Termin 14. Februar um sechs Wochen verschoben wurde. Damals zweifelten
viele daran, dass der neue Wahltermin des 28. März Bestand haben würde. Es
zirkulierten Gerüchte, wonach der amtierende Präsident Goodluck Jonathan
lieber die Macht an eine ernannte Übergangsregierung übergeben wolle als
seinem Widersacher Muhammadu Buhari den Sieg zu gönnen.
Kein Geringerer als Olusegun Obasanjo, der erste Präsident Nigerias nach
der Demokratisierung 1999, langjähriger Führer der Regierungspartei PDP
(People’s Democratic Party) und der wohl international respektierteste
Politiker Nigerias, übte offene Kritik an diesem Plan.
Die PDP-Führung explodierte vor Wut und wollte Obasanjo aus der Partei
ausschließen. Obasanjo bekam das rechtzeitig mit und trommelte Journalisten
zusammen, um dem Rausschmiss zuvorzukommen und vor laufenden Kameras seine
PDP-Mitgliedskarte zu zerreißen. Später behauptete dazu noch Bola Tinubu,
nach 1999 acht Jahre lang Gouverneur von Lagos und nationaler Führer von
Buharis Oppositionspartei APC (All Progressives Congress), Jonathan habe
ihn gebeten, in einer möglichen Übergangsregierung als Vizepräsident zu
dienen.
## Kampf gegen Boko Haram
All diese Aufregungen haben sich in den letzten Wochen gelegt, denn
Jonathan hat die Aufmerksamkeit stattdessen auf den Kampf gegen die
Terrorgruppe Boko Haram gerichtet und von großen Fortschritten bei ihrer
Auslöschung gesprochen. Seit Eingreiftruppen aus Tschad, Kamerun und Niger
der nigerianischen Armee im Nordosten des Landes zu Hilfe eilen, sind
zahlreiche Orte der Kontrolle Boko Harams entrissen worden.
Die letzte größere Stadt im Griff der Sekte, Gwoza, sollte nach Angaben des
Präsidenten „spätestens bis Freitag“ befreit worden sein. Selbst wenn es
dazu nicht kommt: Die Lage ist bedeutend besser als Mitte Februar.
Das gilt auch für die Wahlvorbereitungen an sich. Als die Wahlkommission
INEC am 7. Februar die Wahlverschiebung verkündete, hatten erst rund 60
Prozent der Nigerianer ihre biometrische Wählerausweise abgeholt. Nach den
jüngsten Angaben vom 21. März ist die Zahl auf rund 82 Prozent gestiegen:
56.431.255 von 68.833.476 registrierten Wählern. INEC hat sogar eine
erfolgreiche Simulation mit den Kartenlesegeräten durchgeführt, das wohl
wichtigste Mittel im Kampf gegen Wahlbetrug und eines, das Jonathans PDP
immer strikt abgelehnt hatte.
## Opposition in der Defensive
Die sechs Wochen Verschiebung haben dem Amtsinhaber insgesamt eher genutzt.
Buhari, der Mitte Februar noch als sicherer Sieger angesehen worden war,
ist heute eher in der Defensive. Seiner APC geht in der Schlussphase des
verlängerten Wahlkampfs allmählich das Geld aus, während Jonathans PDP,
gefüttert aus dem Staatshaushalt, finanziell aufblüht.
Die First Lady tourt durch die Landschaft und hält Versammlungen unter
freiem Himmel ab, während der Präsident gezielt Interessengruppen mit
Einfluss auf die öffentliche Meinung – Nollywoodschauspieler, Komödianten,
Musiker, traditionelle Könige, Marktfrauen – trifft und mit Bargeld
beglückt.
Goodluck Jonathan kann natürlich nicht alle 58 Millionen Wähler einzeln
treffen. Aber sein Geld versucht das schon, in der Form der kostenlosen
Verteilung von Reis und Nudeln und anderen Dingen. Und wer soll
widerstehen, wenn seine Ehefrau zugleich die Angst vor einer Rückkehr der
Militärdiktatur schürt? – Buhari regierte Nigeria zuletzt 1983 bis 1985 an
der Spitze eines Militärregimes. „Eure Mama kniet vor euch nieder und fleht
euch an“, rief sie auf einer ihrer letzten Versammlungen im Bundesstaat
Oyo. „Kommt zuhauf und wählt euer Gewissen.“
Bleibt nur noch die Frage, ob die Wahlen friedlich verlaufen. Gemeinhin
führen Wahlen in Nigeria zu Fälschungsvorwürfen und Gewalt, erst recht bei
einem knappen Wahlausgang. Am Donnerstag trafen sich Jonathan und Buhari
und unterzeichneten ein Friedensabkommen. Sie würden „freie, faire und
glaubwürdige“ Wahlen anerkennen, sagten sie.
27 Mar 2015
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