# taz.de -- Neuer Präsident in Nigeria: Hoffnung auf Sicherheit – und Strom | |
> Goodluck Jonathan verliert sein Amt. Die Erwartungen an Sieger Muhammadu | |
> Buhari sind hoch. Eine öffentliche Kampfansage an ihn gibt es schon. | |
Bild: Feiern in Kaduna: Anhänger des neuen Präsidenten Muhammadu Buhari. | |
BERLIN taz | Am Dienstagvormittag gab Nigerias bisherige Regierung die Wahl | |
verloren. Es war gegen 11.30 Uhr: Gerade wollte Wahlkommissionschef | |
Attahiru Jega im großen Saal seiner Zentrale in der Hauptstadt Abuja wieder | |
beginnen, die Wahlergebnisse vorzutragen, nachdem er die Verlesung kurz vor | |
Mitternacht unterbrochen hatte. Plötzlich schnappte sich Godsday Orubebe, | |
bisheriger Minister für das Niger-Flussdelta, das Mikrofon. Er stieg auf | |
das Podium und begann herumzubrüllen. Der „Tribalist“ Jega solle sofort mit | |
der Verlesung der „falschen“ Ergebnisse aufhören, forderte er. | |
Die Zuhörer lauschten mit wachsendem Entsetzen, weil weder Jega noch die | |
anwesenden Sicherheitskräfte eingriffen. War dies der Beginn eines Putsches | |
der Regierungspartei PDP (People’s Democratic Party) gegen die sich | |
abzeichnende Niederlage bei den Präsidentenwahlen? Oder war es der | |
endgültige Gesichtsverlust eines Parteiapparats, der Nigeria seit dem Ende | |
der Militärherrschaft vor sechzehn Jahren regiert hat? | |
Am Ende setzte sich Orubebe wieder hin und hörte ruhig zu, wie ein | |
Bundesstaat nach dem anderen verloren ging. Muhammadu Buhari vom | |
Oppositionsbündnis APC (All Progressives Congress) lag fast seit Beginn der | |
Verlesung der Ergebnisse auf Bundesstaatsebene am Montagnachmittag konstant | |
vorne. | |
Am späten Dienstagnachmittag waren Ergebnisse aus 33 der 36 Bundesstaaten | |
vorgetragen. Buhari hatte bis dahin 54,8 Prozent der Stimmen erzielt, gegen | |
44,1 für den bisherigen Präsidenten Goodluck Jonathan. Unter | |
Berücksichtigung vorliegender Teilergebnisse aus den drei noch fehlenden | |
Bundesstaaten, darunter zwei Buhari-Hochburgen, stand da Buharis Sieg fest. | |
Der Wahlsieger empfing schon in der Nacht zum Dienstag afrikanische | |
Diplomaten, die ihm gratulierten. Hoffnungen, Amtsinhaber Goodluck Jonathan | |
werde seine Niederlage von sich aus eingestehen, erfüllten sich zunächst | |
aber nicht. Noch am Montagnachmittag twitterte die Regierungspartei, sie | |
werde gewinnen. Kaum jemand erwartet, dass die PDP sich friedlich von der | |
Macht davonschleicht. | |
Die nächste Runde gibt es schon am 11. April bei der Wahl der 36 | |
Bundesstaatsregierungen. Die Provinzen und Gouverneursposten sind die | |
eigentlichen Pfründen im nigerianischen Staatswesen; hier wird am meisten | |
Geld veruntreut und am korruptesten gewirtschaftet. Bisher regiert die PDP | |
20 der 36 Bundesstaaten, das Oppositionsbündnis APC 14 und lokale Parteien | |
zwei. Von den 20 PDP-Staaten fielen jetzt bei der Präsidentschaftswahl acht | |
an den APC: Adamawa, Benue, Gombe, Kaduna, Katsina, Kebbi, Niger und Ondo. | |
Seinen Sieg verdankt Buhari dem Umstand, dass er seine Hochburgen im Norden | |
besser gehalten hat als Jonathan die seinen im Süden, vor allem aber einem | |
massiven Stimmungsumschwung im Südwesten um Nigerias größte Stadt Lagos. | |
Dieser Landesteil, den 2011 noch Jonathan für sich geholt hatte, fiel jetzt | |
fast komplett an die Opposition. Wieder einmal bewahrheitet sich das eherne | |
Gesetz der nigerianischen Politik, die zwischen dem muslimischen Norden, | |
dem Südwesten der Yoruba-Volksgruppe um Lagos und dem Südosten der | |
Igbo-Volksgruppe dreigeteilt ist: Wer zwei der drei Regionen dominiert, | |
regiert Nigeria. Und die dritte Region wird dann zum Problemfall. | |
## Ehemalige Rebellen drohen mit Krieg | |
Für Jonathan war das der Norden, der 2011 für Buhari gewählt hatte und wo | |
sich dann die Islamisten von Boko Haram breitmachten. Für Buhari wird es | |
der Südosten sein, der zu Jonathan steht und wo Nigerias Öl herkommt, von | |
dem das Land lebt. | |
Die im Fernsehen übertragene Beschimpfung des Wahlkommissionschefs Jega | |
durch Minister Orubebe lässt sich als öffentliche Kampfansage aus den | |
Ölgebieten des Niger-Flussdeltas werten, aus denen Orubebe ebenso wie | |
Jonathan selbst stammt. Ehemalige Rebellen aus dem Niger-Delta haben im | |
Wahlkampf gedroht, den Krieg wieder aufzunehmen, sollte Jonathan verlieren. | |
Buhari hat im Wahlkampf immer betont, er wolle das ganze Land regieren, | |
nicht nur einen Teil. Für Nigerianer sind die Prioritäten da eindeutig. In | |
einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage nennen 68 Prozent der Befragten | |
als oberste Herausforderung der nächsten Regierung die Stromversorgung, | |
gefolgt von Sicherheit (58 Prozent) und Arbeitslosigkeit (55 Prozent). | |
Weniger als ein Viertel der 180 Millionen Nigerianer hat Strom. | |
Mit Augustine Osayande (Abuja), Okoro Chinedu (Lagos) | |
31 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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