# taz.de -- Machtwechsel in Nigeria: Feierlaune nach der Wahl | |
> Der abgewählte Präsident Goodluck Jonathan erkennt seine Niederlage an. | |
> Wahlsieger Muhammadu Buhari ruft zur Einheit auf. | |
Bild: Jetzt soll alles anders werden: Siegesfeier in Kaduna. | |
BERLIN taz | Versöhnlichkeit ist an der Tagesordnung in Nigeria, nachdem | |
Präsident Goodluck Jonathan als erstes Staatsoberhaupt des Landes Wahlen | |
verloren hat. Der historische und zugleich zerbrechliche Charakter des | |
bevorstehenden Machtwechsels ist allen Akteuren offenbar so bewusst, dass | |
sie ihn nicht durch unbedachte Äußerungen gefährden wollen. | |
Dem offiziellen Endergebnis der Wahlen vom vergangenen Samstag zufolge, das | |
die Wahlkommission am Dienstagabend verkündete, gewann Oppositionsführer | |
Muhammadu Buhari die Präsidentschaftswahl mit knapp 54 Prozent der Stimmen, | |
gegenüber knapp 45 für Jonathan. Der scheidende Präsident errang nur in 15 | |
von 36 Bundesstaaten die Mehrheit, außerdem ganz knapp in der Hauptstadt | |
Abuja. Buhari siegte in 21 Staaten. | |
Als letzter Bundesstaat war vor dem Endergebnis Borno an der Reihe gewesen, | |
der am meisten vom Krieg der Islamistenarmee Boko Haram heimgesuchte Staat | |
im äußersten Nordosten des Landes: hier gewann Buhari erwartungsgemäß | |
souverän mit rund 94 Prozent. | |
Noch am Abend rief Jonathan Buhari an und erkannte dessen Wahlsieg an. | |
Damit verflüchtigten sich Ängste, wonach der scheidende Präsident und seine | |
Partei PDP (People’s Democratic Party) ihre Wahlniederlage möglicherweise | |
nicht eingestehen würden. Der Auftritt des PDP-Ministers Godsday Orubebe, | |
der Wahlkommissionschef Attahiru Jega am Dienstag vor der versammelten | |
Weltpresse angebrüllt und beschimpft und ihm seine Anerkennung entzogen | |
hatte, nährte solche Befürchtungen. Orubebe hat sich inzwischen | |
entschuldigt und sagte, er „bedaure“ sein Handeln. | |
## „Der Sieg gehört allen“ | |
„Ich habe dem Land freie und faire Wahlen versprochen – ich habe mein Wort | |
gehalten“, sagte Jonathan in seiner Erklärung zur Niederlage. „Ich habe | |
auch den Raum zur Beteiligung der Nigerianer am demokratischen Prozess | |
erweitert; dies ist ein Erbe, von dem ich mir wünsche, dass es bestehen | |
bleibt.“ | |
Wahlsieger Buhari erklärte in einer ersten Stellungnahme, er bedanke sich | |
bei Jonathan. „Der Sieg gehört allen Nigerianern“, so der 72-Jährige auf | |
seiner Facebook-Seite, an seine Anhänger gewandt. „Bitte seid im Sieg | |
großmütig und reicht unseren Gegnern die Hand.“ Er fügte hinzu: „Heute | |
fängt die Arbeit an.“ | |
## Freudenfeiern mit dem Kehrbesen | |
Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses entwickelten sich im Laufe der | |
Nacht zum Mittwoch spontane Freudenfeiern in zahlreichen Städten. Vor allem | |
in den großen Metropolen des mehrheitlich muslimischen Nordens wie Kano und | |
Kaduna gingen Tausende Menschen feiernd mit dem APC-Symbol des Kehrbesens | |
auf die Straße, aber auch in einigen Jonathan-Hochburgen – zum Beispiel in | |
Uyo, Hauptstadt des Bundesstaates Akwa Ibom im Ölgebiet des | |
Niger-Flussdeltas, wo Jonathan 94 Prozent geholt hat. | |
Die formelle Amtsübergabe ist für den 29. Mai angesetzt. Bis dahin kann und | |
muss noch viel passieren. So haben die Nigerianer nicht nur einen neuen | |
Präsidenten gewählt, sondern auch beide Parlamentskammern; die Ergebnisse | |
davon stehen noch aus. Am 11. April werden dann die Regierungen und | |
Gouverneure der 36 Bundesstaaten gewählt, traditionell besonders heftig | |
umkämpft. | |
Erst wenn all dies friedlich abgeschlossen ist und Buhari in knapp zwei | |
Monaten in den Präsidentenpalast Aso Rock einzieht, kann Nigeria sich | |
seiner Zukunft wirklich sicher sein. | |
1 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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