# taz.de -- Gentechnik-Futter in der EU: Alle gegen die Kommission | |
> Umweltschützer und Industrie sind sich einig: Sie lehnen den Vorschlag | |
> aus Brüssel ab, dass EU-Staaten den Import von Gentechnik-Futter | |
> verbieten können. | |
Bild: Es geht um Gentech-Soja, das in Monokulturen angebaut wird. | |
BERLIN taz | Die EU-Kommission will nicht länger der Buhmann sein, der für | |
die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen verantwortlich gemacht | |
wird. Deshalb setzte die Behörde vor Kurzem durch, dass EU-Staaten auf | |
ihrem Gebiet den Anbau von Gentech-Pflanzen leichter als bisher untersagen | |
dürfen – obwohl diese bereits von Brüssel erlaubt wurden. Jetzt sollen die | |
Länder auch importierte Gen-Futter- und -Lebensmittel auf ihrem Territorium | |
verbieten können. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Kommission am | |
Mittwoch veröffentlicht. | |
Während in der EU nur eine Gentech-Pflanze angebaut wird und es kaum | |
Gentech-Lebensmittel gibt, führen die Europäer große Mengen Gentech-Futter | |
ein – vor allem für die Erzeugung von Fleisch. Derzeit dürfen laut | |
EU-Kommission 58 Pflanzen importiert werden. Die EU bezieht jährlich über | |
30 Millionen Tonnen und damit mehr als 60 Prozent des pflanzlichen | |
Eiweißfutters in Form von Soja aus Ländern wie Brasilien und Argentinien, | |
die dafür überwiegend Gentech-Saatgut benutzen. Kritikern zufolge werden | |
für den Anbau dort Kleinbauern von ihren Feldern vertrieben. Zudem | |
ermöglichten die dank Gentechnik gegen Pestizide resistenten Pflanzen | |
Monokulturen, die die Umwelt und durch hohen Chemieeinsatz die Gesundheit | |
von Anwohnern schädigten. | |
Wegen der öffentlichen Kritik drücken sich die EU-Staaten im zuständigen | |
Ausschuss seit Jahren um ein klares Votum, wenn sie über neue | |
Importzulassungen entscheiden sollen. Kein einziges Mal erreichten sie bei | |
den Abstimmungen die nötige Mehrheit dafür oder dagegen. Deswegen musste | |
nach EU-Recht die Kommission entscheiden. Und da die Europäische Behörde | |
für Lebensmittelsicherheit keine Risiken der Pflanzen bescheinigte, sah | |
sich Brüssel regelmäßig gezwungen, grünes Licht zu geben. Genauso | |
regelmäßig schoben nationale Politiker dann die Schuld auf „die EU“ – | |
obwohl ihre Regierungen ja selbst die Zulassung hätten verhindern können. | |
Das neue Verbotsrecht soll den Mitgliedstaaten laut EU-Kommission nun | |
ermöglichen, „alle ihre individuellen Bedenken in diesem Bereich | |
auszudrücken, der von großem öffentlichem Interesse ist“. Der | |
Verordnungsentwurf verlangt dafür „zwingende Gründe in Übereinstimmung mit | |
dem EU-Recht“. Welche das sein könnten, lässt der Text aber offen. Er | |
schließt jedoch all jene aus, die sich auf Risiken für Mensch, Tier und | |
Umwelt beziehen. | |
## Verbot nicht gerichtsfest | |
Weil die Gründe so vage umschrieben sind, halten Gentechnikgegner Verbote | |
auf dieser Grundlage für nicht gerichtsfest. „Es ist auch nicht | |
praktikabel, in einem gemeinsamen Markt solche nationalen Verbote zu | |
kontrollieren. Der wahnsinnige Aufwand von Analysen und Kontrollen ist | |
nicht zu leisten“, sagte Heike Moldenhauer, Gentechnikepertin des Bunds für | |
Umwelt und Naturschutz (BUND), der taz. „Das ist ein Pseudoangebot, das | |
kein Mitgliedstaat umsetzen kann.“ Damit erfülle die Kommission nicht ihr | |
Versprechen, das Zulassungsverfahren zu demokratisieren. | |
In ihrer Ablehnung sind sich die Umweltschützer ausnahmsweise einig mit dem | |
EU-Bauernverband Copa-Cogeca und der Gentech-Industrielobby EuropaBio. Die | |
Organisationen warnten, der Vorschlag würde den Binnenmarkt bedrohen und zu | |
„bedeutenden Arbeitsplatzverlusten“ führen. Hintergrund ist, dass neue | |
Futtermittelkontrollen hohe Kosten verursachten. Und dass für | |
gentechnikfreien Anbau höhere Preise verlangt würden. All das müssten auch | |
Europas Viehhalter bezahlen. | |
Wegen des breiten Widerstands dürfte es der Vorschlag in EU-Parlament und | |
-Rat schwer haben. Die zuständigen Politiker der deutschen | |
Regierungsfraktion CDU/CSU sprachen sich bereits klar gegen ihn aus. | |
23 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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