# taz.de -- Digitalwirtschaft auf der re:publica: Die Freiheit, mehr einzukaufen | |
> Innovative Wirtschaftsförderung? Fehlanzeige. EU-Kommissar Oettinger | |
> stellt seine Vision eines digitalen Europas vor und erntet dafür Kritik. | |
Bild: Piraten-Politikerin Julia Reda tritt für ein kompromisslos grenzenloses … | |
BERLIN taz | So viel ist sicher: Wer bei der [1][Internet-Konferenz | |
re:publica] in Berlin den Namen Günther Oettinger ausspricht, hat die | |
Lacher auf seiner Seite. Dass ausgerechnet [2][Oettinger, ein bekennender | |
digitaler Laie], in der EU-Kommission für das Internet zuständig ist, | |
beklagen Netzaktivisten seit langem. re:publica-Mitbegründer Markus | |
Beckedahl stellt seufzend fest: „Die Netzgemeinde ist am Ende, die Regeln | |
werden in Brüssel geschrieben.“ | |
Am Mittwoch kamen sie nun, die neuen Regeln für den „digitalen | |
Binnenmarkt“, wie die Brüsseler Behörde das Internet am liebsten sieht. Im | |
Vordergrund steht dabei allerdings das Geschäft, nicht die Freiheit. Die | |
neue EU-Strategie verschwendet kein Wort auf die digitale | |
Massenüberwachung, die der US-Geheimdienst NSA, der Bundesnachrichtendienst | |
oder auch die französischen Behörden aufgebaut haben und nun mit | |
Milliardensummen weiter entwickeln. | |
Auch die Förderung von sicherer, offener und frei verfügbarer Software | |
kommt nicht vor. Umso mehr redet die EU-Kommission von Kommerz. „Wir müssen | |
für eine moderne Gesellschaft bereit sein“, betonte Oettinger bei der | |
Präsentation seiner Strategie, damit Europas „Bürgerinnen und Bürger das | |
Potenzial der neuen digitalen Dienstleistungen und Produkte voll | |
ausschöpfen“. Was das genau bedeutet? | |
Durch einen digitalen Binnenmarkt könnten 415 Milliarden Euro an | |
zusätzlichem Wachstum geschaffen werden. Konkret heißt das vor allem, dass | |
alle nationalen oder digitalen Grenzen niedergerissen werden sollen. | |
Künftig soll es nicht nur möglich sein, dass Deutsche ihren geliebten | |
„Tatort“ in allen EU-Ländern sehen können – ohne Barrieren wie beim bis… | |
üblichen [3][„Geoblocking“]. Man soll auch grenzenlos shoppen können, ohne | |
fürchten zu müssen, dass in Belgien andere Regeln gelten als in | |
Deutschland. | |
Allerdings fallen die Vorschläge, die auch den Verbraucherschutz, das | |
Urheberrecht, die Mehrwertsteuer und vieles mehr betreffen, ziemlich | |
verschwommen aus. Details sollen erst in einigen Monaten nachgereicht | |
werden. Die Umsetzung ist bis Ende 2016 geplant. | |
Um den vagen Ankündigungen Nachdruck zu verleihen, leitete die | |
EU-Kommission gleich noch eine kartellrechtliche Untersuchung des | |
europäischen Onlinehandels ein. Dabei nimmt Brüssel auch die Marktmacht von | |
US-Online-Plattformen wie Facebook unter die Lupe. Jenseits des | |
Wettbewerbsrechts sollen mangelnde Transparenz bei Suchergebnissen, die | |
Preispolitik oder die Nutzung von Daten untersucht werden. | |
## Kritik aus dem Europaparlament | |
Im April war bereits ein gesondertes Verfahren gegen Google eingeleitet | |
worden. Das Echo auf diese Pläne fiel eher mau aus. Während die Arbeitgeber | |
die Vorschläge der Kommission begrüßten, kam aus dem Europaparlament viel | |
Kritik. | |
Die EU-Abgeordnete Julia Reda von der Piratenpartei kritisierte, dass beim | |
Geoblocking nur bezahlte Dienste ins Visier genommen werden. Angebote von | |
öffentlich-rechtlichen Sendern würden völlig ausgenommen, sagte die | |
Politikerin, die auch bei der re:publica zu Gast war. Es sei „inakzeptabel, | |
in einem gemeinsamen Binnenmarkt und einem schrankenlosen Medium künstlich | |
Landesgrenzen aufrecht zu erhalten“, so Reda. Das Netz müsse kompromisslos | |
grenzenlos und diskriminierungsfrei sein. Damit sprach die Piratin vielen | |
Internetaktivisten und Bloggern aus dem Herzen. | |
Kritik kam auch zu unklaren oder fehlenden Aussagen der Kommission zur | |
Netzneutralität und zum Datenschutz. Die EU müsse endlich die Verhandlungen | |
über die Datenschutz-Grundverordnung abschließen, forderte der grüne | |
EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht. Die Kommissionspläne kämen zu spät und | |
gingen nicht weit genug. [4][„Finding Europe“] hatten sich die | |
[5][Netzaktivisten der re:publica auf ihre Fahnen geschrieben]. Doch was | |
sie da aus Brüssel hören, wird sie mit Brüssel kaum versöhnen. | |
6 May 2015 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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