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# taz.de -- Buch übers Leben in der Stadt: Was im Dazwischen passiert
> Seit 40 Jahren macht der Architekt Jan Gehl aus Metropolen Städte für
> Menschen. Seine Erfahrungen hat er nun in einem Buch zusammengefasst.
Bild: Kirschblüte in Kopenhagen – das Leben zwischen den Häusern liegt auch…
Als junger dänischer Architekt stellte Jan Gehl fest, dass seine Vorlieben
in keinen Lehrplänen der Fakultäten zu finden waren. Denn der Kopenhagener
interessierte sich nicht für die gebaute Masse, sondern für das, was sich
„zwischen den Häusern“ abspielt: Bewegungsströme von Menschen, die dem
städtischen Umfeld allererst Leben einflößen. Das Improvisierte und
Nicht-Geplante, eben das „Leben zwischen Häusern“, spielte in den
stadtplanerischen Überlegungen von Jan Gehl von Beginn an eine zentrale
Rolle.
Dreißig Jahre lang lehrte der Architekt an internationalen Universitäten,
bis er 2000 in Kopenhagen Gehl Architects gründete, mit Niederlassungen
mittlerweile in New York und San Francisco.
In diesem Frühjahr ist nun Jan Gehls neuestes Buch „Städte für Menschen“
erschienen, in dem er seine Erfahrungen als städtebaulicher Berater
resümiert und seine Weichenstellungen im Stadtumbau mit zahllosen
Beispielen, Fotos, Analysen und praktischen Ratschlägen belegt.
Seine am „menschlichen Maß“, an Sinneswahrnehmung orientierte Stadtplanung
mag nicht sonderlich neu sein. Auch die Forderungen nach „grüner
Mobilität“, Einschränkung des Autoverkehrs, Förderung des öffentlichen
Nahverkehrs und einer besseren Gestaltung des öffentlichen Raums, der am
Bewegungsspielraum der Menschen orientiert ist, erscheinen nicht unbedingt
revolutionär.
Tatsächlich erweist sich der 78-Jährige mehr als Praktiker denn als
Stadttheoretiker. Er liefert zwar das Instrumentarium, beschreibt aber
nicht, wie er die Bürgermeister von Moskau oder Muscat überreden konnte,
fußgängerfreundliche Stadtzonen anzulegen. Dagegen erzählt er von
gleichgesinnten Visionären, beispielsweise von Jaime Lerner, der seit den
sechziger Jahren das brasilianische Curitiba in die grüne Hauptstadt
Lateinamerikas transformierte.
## Leblos wie ein Donut
„Städte für Menschen“ handelt von der Vision, die beide Planer in einer
Zeit beseelte, als noch niemand von Ökologie redete – der „Vision einer
lebendigen, sicheren, nachhaltigen und gesunden Stadt“. Der Däne berichtet,
dass er schon 1968, in den Hochzeiten der „autogerechten“ Stadt, damit
begann, Autoverkehr und Parkplätze in der Kopenhagener Innenstadt zu
reduzieren und Europas erste Fußgängerzone, den Strøget, anzulegen. Seit
dieser Zeit ist die Anzahl autofreier Zonen in der dänischen Hauptstadt um
das Siebenfache gestiegen.
Mit Vorliebe erzählt Jan Gehl von den beiden Städten mit der – nach seiner
Meinung – höchsten Lebensqualität. Es überrascht nicht, dass es sich um
Städte handelt, die er in den letzten Jahrzehnten maßgeblich mitgestaltet
hat: Kopenhagen und Melbourne. Anfang der achtziger Jahre, kommentiert
Gehl, sei die australische Metropole noch ein „willkürliches Sammelsurium
von Bürogebäuden und Hochhäusern gewesen – leblos und nutzlos“.
Einheimische tauften die City „Donut“, weil sich im Innern gähnende Leere
ausbreitete.
Die Wende kam 1985, als sich die Stadtverwaltung zu einem umfassenden
Stadterneuerungsprogramm durchrang, um Melbournes downtown mehr Leben
einzuflößen. Zehn Jahre lang dauerte die bauliche Transformation des
„Donut“. Im Jahre 2004, nachdem der Umbau beendet war, hatte sich die
Anzahl der Wohneinheiten verzehnfacht, es entstanden Kunstzentren, neue
Plätze und Promenaden mit Freizeitangeboten.
Städte für Menschen ist die Erfolgsstory des ökologischen Stadtumbaus, der
Erfahrungsbericht eines international gefragten Stadtplaners. Es ist nur
bedauerlich, dass dabei die politischen Widerstände, die es nicht nur in
autoritären Gesellschaften gab, zu kurz kommen.
10 May 2015
## AUTOREN
Klaus Englert
## TAGS
Architektur
Kopenhagen
Henning Harnisch
Gentrifizierung
Design
Adolf Hitler
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Naturschutz
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