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# taz.de -- NS-Architektur in Wien: Die Gauhalle an der Donau
> Mit der Ausstellung „Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler“
> werden erstmals lange vernachlässigte Forschungen zu den Planungen der
> NS-Zeit vorgestellt.
Bild: Hanns Dustmann – Neugestaltung des Heldenplatzes und des Rathausvorplat…
Wien sei „die Perle des Reiches“ sprach Adolf Hitler am 9. April 1938 im
Wiener Rathaus. Wenige Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in seiner
Heimat – fortan Ostmark genannt – löste er damit eine Planungseuphorie aus.
Bekanntlich gehörte Wien, wo der gescheiterte Kunstmaler entbehrungsreiche
Monate im Männerwohnheim verbracht hatte, nie zu dessen Lieblingsstädten.
Aber die ehemalige Metropole der Habsburgermonarchie war immerhin die
zweitgrößte Stadt des Dritten Reiches und bot sich kraft ihrer
geografischen Lage an, Drehscheibe im Südosten zu werden.
Dazu gehörte der größte Donauhafen, der Wien zum „Hamburg des Ostens“
machen sollte. Gleichzeitig gab es Pläne, auf dem Ruf der Kulturstadt
aufzubauen und Wien durch Theater, Konzerthäuser, Filmstudios und Kinos zu
einem Propagandawerkzeug für den Export und die Verbreitung „deutscher
Kultur“ zu machen. Da war es nur folgerichtig, dass das jüdische Viertel im
Zweiten Bezirk platt gemacht und von einer Aufmarschstraße samt
Triumphbogen durchzogen werden sollte, an deren Ende ein gigantomanischer
Kuppelbau an der Donau stehen sollte: die Gauhalle.
Anders als die „Führerstadt“ Linz war Wien nie Objekt umfassender
Forschungen zur NS-Architektur. Außer sechs Flaktürmen sind kaum
Baudenkmäler erhalten, die sich als Nazi-Bauten erkennen lassen. Pläne und
Skizzen zur Umgestaltung der Stadt, verschwanden im Zuge der
Entnazifizierung nach dem Krieg in Schubladen, „wurden gesäubert oder
gleich vernichtet“, so die Architekturhistorikerin Ingrid Holzschuh,
Kokuratorin der Ausstellung „Wien. Die Perle des Reiches“. Deswegen fanden
Studierende der Nachkriegszeit kaum brauchbare Quellen über die Jahre 1938
bis 1945 vor, obwohl viele der Architekten, die sich den Nazis angedient
oder deren Ideen von der Umgestaltung der Stadt eifrig mitgetragen hatten,
in Amt und Würden blieben und weiter beschäftigt wurden.
Dem Architekten Klaus Steiner ist es zu verdanken, dass heute so
umfangreiches Material erhalten ist. Steiner, der im Salzkammergut in einem
Umfeld aufgewachsen ist, wo „es nur so von alten Nazis gewimmelt“ hat,
begann schon während des Studiums 1961 mit seinen Recherchen zu einer Zeit
über die er „nur Fragen, nie Antworten“ fand.
So erwarb er in einem Antiquariat einen Amtskalender und ein altes
Telefonbuch, aus denen er die Namen der Gauleiter, der Bauleiter und
anderer an der Stadtplanung beteiligten Behörden heraussuchte. Die
versuchte er dann zu kontaktieren und zu befragen. Am leichtesten sei es
mit den Witwen und Kindern belasteter Personen gewesen. Die hätten ihm
vorhandenes Material bereitwillig und erleichtert übergeben.
## Jagd nach einschlägigen Dokumenten
Bei überlebenden Beamten und Architekten stieß er hingegen auf Misstrauen:
„Wenn jemand ein KZ geplant hatte, wollte er das nicht an die große Glocke
hängen.“ Steiner, der ein umfassendes Werk über die NS-Architektur in Wien
schreiben wollte, setzte sich bei seiner fast vier Jahrzehnte währenden
Jagd nach einschlägigen Dokumenten sogar dem Vorwurf aus, ein Sammler von
Nazi-Devotionalien zu sein. Den Plan der Veröffentlichung gab der
72-Jährige inzwischen auf.
2011 übergab er seine Sammlung von rund 4.000 Plänen, Fotos, Manuskripten
und amtlichen Schriftstücken dem Architekturzentrum Wien. Am Ende des
Katalogs finden sich Kurzbiografien von 47 Architekten, die die personellen
Verflechtungen und Netzwerke sowie die Kontinuität der Planung belegen.
Eine gewisse „Kontinuität der Planungen“ sei auch im heutigen Stadtbild
Wiens zu entdecken, so Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrums
Wien. Viele der Pläne sind inzwischen umgesetzt worden. So werden jetzt die
Kopfbahnhöfe durch einen Hauptbahnhof ersetzt, der Wien nicht mehr als
Endpunkt, sondern als Durchgangsstation in einem Großraum positioniert.
Die U-Bahn, wie sie heute verwirklicht ist, wurde in den 1940er Jahren
bereits geplant. Auch die in den 1980er Jahren ausgebaute Donauinsel war
bereits für die Gauhauptstadt als Überschwemmungs- und Erholungsraum
vorgesehen.
Nur wenige, die heute ihren Wagen in der Rathausgarage parken, dürften
wissen, dass die Garage damals als Luftschutzbunker angelegt war. Die
Gauhalle und die völkische Umgestaltung des Heldenplatzes sind uns
Wienerinnen und Wienern aber zum Glück erspart geblieben.
26 Mar 2015
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Adolf Hitler
Ausstellung
Wien
NS-Architektur
Architektur
Täter
Propaganda
Rechtsextremismus
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