# taz.de -- Mahnende Beispiele für Hamburg: Wie Olympia Städte auspresst | |
> Schon andere Städte versuchten, Olympia zur Entwicklung zu nutzen. | |
> Funktioniert hat das nur halbwegs in Barcelona, schreibt der Ökonom | |
> Andrew Zimbalist. | |
Bild: Weißer Elefant mit überflüssiger Tartanbahn: das Londoner Olympiastadi… | |
HAMBURG taz | Die Amerikaner haben ein seltsames Wort für | |
„Fehlinvestition“: „White Elephant“. Ein solcher weißer Elefant – te… | |
aber zu nichts zu gebrauchen – ist das Olympia-Stadion in London. Eingedenk | |
schlechter Erfahrungen anderswo überlegten sich die Organisatoren der | |
Spiele von 2012 zwar eine Nachnutzung – der Profi-Fußballclub West Ham | |
United sollte künftig hier spielen –, doch bei der Planung des Stadions war | |
nicht bedacht worden, dass die Aschenbahn würde entfernt werden müssen, um | |
eine Fußball-Arena zu schaffen. Zudem war das Stadion für West Ham viel zu | |
groß und musste um den oberen Rang mit 55.000 Plätzen verkleinert werden. | |
Allein dieser Umbau kostete mindestens 323 Millionen Dollar – so viel wie | |
andernorts ein Stadion. | |
Solche Fehlinvestitionen seien das wichtigste Erbe vieler Austragungsorte, | |
bilanziert der US-Ökonom Andrew Zimbalist in seinen Buch „Circus Maximus“, | |
in dem er der Frage nachgeht, ob sich die Austragung sportlicher | |
Großereignisse wie Olympischer Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften für | |
die Gastgeber lohnt. Zimbalist antwortet: eher nicht. | |
„Der Ertrag, wenn es denn einen gibt, muss langfristig eingefahren werden“, | |
schreibt Zimbalist. Viele Gutachter überschätzten den volkswirtschaftlichen | |
Effekt der Spiele. Meist kapere die lokale Geldelite das | |
Organisationskomitee und verdiene prächtig an den öffentlichen | |
Investitionen. Die neu geschaffene Infrastruktur und die Bauten kämen | |
vornehmlich den oberen Einkommensgruppen zugute. Es stelle sich die Frage, | |
ob direkte Investitionen in die Stadtentwicklung nicht sinnvoller wären als | |
solche, die auf einen Spin-off der Spiele setzen – wobei er einräumt, dass | |
erst Großereignisse manche Blockaden lösen. | |
Wenn schon Spiele, dann muss man sie so angehen wie 1992 in Barcelona. | |
Zimbalist bringt das auf die Formel: „Barcelona benutzte die Olympischen | |
Spiele; die Spiele benutzten nicht Barcelona.“ Unter der Franco-Diktatur | |
lange vernachlässigt, hatte die Hauptstadt Kataloniens von langer Hand ihre | |
Revitalisierung geplant. Als sie den Zuschlag erhielt, brauchte sie nur | |
noch den Plan aus der Schublade ziehen. | |
## Barcelona: Viele richtige Entscheidungen | |
Barcelona machte vieles richtig. 27 von 37 Anlagen waren zur Zeit des | |
Zuschlags fertig, fünf im Bau. 60 Prozent des Budgets kamen von Privaten; | |
von den öffentlichen Geldern steuerte die Stadt nur fünf Prozent bei. 83 | |
Prozent der Investitionen flossen nicht in Sportanlagen. | |
Im Zuge der Spiele wurden blockweise neue Hotelzimmer gebaut. Allerdings | |
stieg die Nachfrage nicht in gleicher Weise. Das geschah erst im Nachgang, | |
als Barcelona eine große Marketing-Kampagne startete: Von 1991 bis 2010 | |
wuchs in keinem der 15 wichtigsten Touristenziele in Europa die Zahl der | |
Übernachtungen so stark wie in Barcelona: um 375 Prozent. Hamburg lag mit | |
218 Prozent auf Rang fünf. Aber auch das Modell „Barcelona“ hat seine | |
Schattenseiten: Der Architekturkritiker Josep Maria Montaner beklagt, der | |
Industriestadtteil Poblenou sei gentrifiziert und das Gedächtnis der | |
Arbeiterklasse ausgelöscht worden. | |
London nahm sich für die Spiele 2012 Barcelona zum Vorbild und plante die | |
Folgeeffekte besonders detailliert und ehrgeizig. Zentrales Ziel war es, | |
fünf Quartiere in Ost-London zu verjüngen. Hier wurden in den 70er-und | |
80er-Jahren viele Werften und Industriebetriebe geschlossen. Wie | |
Außenminister Jack Straw 2005 sagte, sollten die Spiele „nicht nur eine | |
Feier des Sports sein, sondern auch ein Motor der Revitalisierung“. | |
## Lndon: Viele große Versprechen | |
Olympia würde Tausende Jobs, Wohnungen und wirtschaftliche Chancen | |
schaffen, versprach Straw. Es sollte Großbritannien zu einer führenden | |
Sportnation machen, die Generation junger Leute für Sport und Kultur | |
begeistern. Der Olympia-Park sollte ein Musterbeispiel nachhaltigen Lebens | |
sein und das Land sich als kreativer, inklusiver und gastfreundlicher Ort | |
präsentieren. | |
Doch für die Jobs während des Baus waren die Bewohner der betroffenen | |
Stadtteile nicht qualifiziert. Während der Spiele meldeten Theater, Taxen | |
und Museen Nachfrageeinbrüche von 20 bis 40 Prozent. In den Hotels | |
übernachteten weniger Menschen, wofür sie aber mehr ausgaben. Am | |
eigentlichen Ost-London floß der Besucherstrom vorbei. Im Olympia-Park | |
wurden die Ziele beim Klimaschutz und beim Anteil der Sozialwohnungen nicht | |
erreicht. Die Spiele beschleunigten eine Gentrifizierung, die bereits | |
angelaufen war. Und auch die Volkserziehung haute nicht hin: Ein Jahr nach | |
den Spielen trieben die Briten eher weniger Sport als mehr. | |
Dafür war Olympia, wie das Nationale Audit errechnete, mit 15,7 Milliarden | |
Dollar Gesamtkosten mindestens dreimal so teuer wie geplant. „Wie in | |
praktisch allen anderen Fällen können daher die Londoner Spiele auf kurze | |
Sicht nicht als solide Investition gerechtfertigt werden“, sagt Zimbalist. | |
Den ganzen Schwerpunkt zur Hamburger Olympia-Bewerbung lesen Sie in der | |
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20 Mar 2015 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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