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# taz.de -- Antilopen Gang über Rechtspopulismus: „Wie die Faust aufs Auge“
> Für ihre Liedtexte erntete die Antilopen Gang einen Shitstorm. Ein
> Gespräch über Verschwörungstheoretiker und Stammtischrassisten.
Bild: Rap gegen Rechts: Panik Panzer, Koljah und Danger Dan sind zusammen die A…
taz: Pegida, die immer neuen NSU-Enthüllungen, der Friedenswinter – die
Texte Ihres Albums „Aversion“ klingen, als würdet ihr diese Ereignisse
verarbeiten. Dabei habt ihr es schon davor fertiggestellt. Wie schafft man
das?
Koljah: Das haben wir uns auch schon gefragt. Als wir das Video zu „Beate
Zschäpe hört U2“ gedreht haben, haben wir in den Drehpausen immer im
Internet geschaut, da lief parallel nämlich gerade die Hogesa-Demo in Köln.
Kurz danach hat sich dann Pegida formiert. Zu der Zeit passte unser Song
einfach wie die Faust aufs Auge, und es kamen auch alle großen Medien an
und hielten uns für unheimlich hellsichtig.
Wann habt Ihr „Beate Zschäpe hört U2“ geschrieben?
Panik Panzer: Im April. Da war noch nicht abzusehen, dass es Ende des
Jahres Massenaufmärsche gibt. Aber die Weichen waren schon gestellt, sonst
hätten wir so einen Text ja gar nicht schreiben können.
Koljah: Wir formulieren diese Dinge nur, weil es das schon gibt, weil sich
eine Tendenz bemerkbar macht. Dass es sich derart komprimieren würde, das
konnten wir nicht vorhersehen. Es gab einen DIN-A4-Zettel mit der Liedidee
zu „Beate Zschäpe hört U2“. Darauf stand nur „NSU/Nazi-Track“. Bei uns
entsteht das sehr intuitiv. Wir haben am Anfang keinen Masterplan für eine
bestimmte Analyse. Aber am Ende funktioniert es doch. Es war am Anfang
nicht klar, dass Jebsen und KenFM so hochgehen würden.
Beate Zschäpe, der FDPler Jürgen Mölleman, der Autor Günter Grass, der
Rechtspopulist Jürgen Elsässer und Ken Jebsen – ziemlich hart, die alle in
eine Reihe zu stellen.
Koljah: Ja, für die meisten ist das eine unzulässige Mischung. Wir wollen
aber nicht sagen, dass Montagsdemonstranten Nazis sind.
Danger Dan: Es gibt aber eine Schnittmenge zwischen Antisemiten,
klassischen Stammtischrassisten und denen, die am Ende Sprengstoff und
scharfe Pistolen auspacken.
Ken Jebsen hat euch verklagt, hat Günter Grass sich auch beschwert?
Panik Panzer: Nein.
Jutta Ditfurth hatte juristische Schwierigkeiten, weil sie, wie ihr, Jürgen
Elsässer als Antisemiten bezeichnet hat. Hat sie Kontakt zu euch
aufgenommen?
Koljah: Ja, sie hat sich gemeldet, ihr hat unser Lied gefallen. Es ging
auch darum, dass Ken Jebsen uns verklagen wollte. Sie hat uns erzählt, wie
ihr Prozess gegen Elsässer so lief, und Hilfe angeboten. Tatsächlich haben
sich dann genug Leute bei uns gemeldet, die uns beim Prozess zuarbeiten
wollten. Am Ende hat Jebsen seinen Antrag auf eine einstweilige Verfügung
dann aber zurückgenommen, wohl wegen geringer Chancen auf Erfolg.
Es gibt Pop gegen Antisemitismus, gegen Atomkraft und gegen Nazis. Aber
gegen Verschwörungstheoretiker? Konntet ihr damit rechnen, dass die Leute
überhaupt verstehen, was an denen das Problem ist?
Danger Dan: Das Problem schimmert in der HipHop-Szene schon länger durch.
Kollegah zum Beispiel rappt gern mal über die Illuminaten oder über die
US-Notenbank Fed – das ist ja auch eins der Lieblingsthemen der Mahnwachen.
Koljah: Ich hatte den Eindruck, alle wussten sehr genau, worum es geht. Wir
hätten das Lied sonst nicht geschrieben. Jebsen geistert schon eine ganze
Weile durch das Internet, das kommt auch in der HipHop-Szene an. Da gibt es
Leute, die sich für kritische Systemgegner halten, sich über sogenannte
andere Medien informieren und ihr Wissen aus irgendwelchen YouTube-Videos
beziehen.
Panik Panzer: Ab 2013 sind in meiner Facebook-Timeline erstmals Inhalte von
Jebsen aufgetaucht, die Freunde geteilt haben. Irgendwann habe ich dann in
einem Graffiti-Magazin von einer Sprayer-Crew aus Dortmund gelesen, die ihr
Sprayer-Alias abgelegt haben und nur noch Bilder zu den typischen Themen
sogenannter Truther malen, also zum Beispiel Chemtrails auf einen
Zugwaggon.
Koljah: Das sind Leute, die sich für wissend halten, aber nicht tiefer in
die Materie eindringen. Die kriegen simple Lösungsansätze von jemandem wie
Jebsen und fühlen sich kritisch. Wenn wir dann sagen, das ist eine
konformistische Rebellion, da fühlen sich die Leute auf den Schlips
getreten.
Und wie reagieren sie?
Koljah: Manche der Verschwörungsheinis beleidigen uns. Andere sind
enttäuscht und sagen: „Ich dachte immer, ihr seid cool.“ Andere posten dann
Sachen wie: „Sagt, dass das nur Spaß ist.“ Sie denken, das müsse eine
Persiflage auf die Antisemitismuskeule sein, weil ich ja als Systemkritiker
auch denken müsste, dass Israel und die USA hinter allem stehen. Die können
sich nicht vorstellen, dass ich das ernst meine.
Auf den Friedensmahnwachen treten oft Rapper auf, die sich der „Truther“,
also der Wahrheitsbewegung, zurechnen. Haben die sich mal explizit gegen
euch gewandt?
Koljah: Es gab da zum Beispiel diesen Irren aus Mainz, einer der
Truther-Rapper, die bei den Mahnwachen auftreten. Er hat mal im Autoradio
einen Track von uns gehört, der im Deutschlandfunk lief. Er hat sich dann
gefilmt, während der Track noch lief, und in die Kamera geschrien: „Ihr
Wichser, ich mach seit zehn Jahren Musik und lauf nie im Radio, wer bezahlt
euch?“
Danger Dan: Der Rapper Kaveh hat ein Video auf einer Montagsdemo gedreht
und war sich auch nicht zu schade, einen TV-Auftritt bei Russia Today
abzuliefern. Er hat zwar keinen Disstrack über uns geschrieben, aber auf
seiner Facebook-Seite schreibt er ellenlange Romane über „sogenannten
linken HipHop in Deutschland“ und versucht dabei auch uns mit aus dem
Kontext gerissenen Zitaten zu diffamieren. Die Antilopen Gang gilt ja aus
der Sicht eines antizionistischen Pro-Palästina-Aktivisten als antideutsch.
Unter diesem Label hat nicht nur Kaveh sich ein regelrechtes Wahngebilde
geschaffen.
Jebsen hat eine riesige Fangemeinde im Netz. Wie ist die mit dem Track
umgegangen?
Danger Dan: Der Shitstorm war ein komplett neues Level. Ich habe am Anfang
versucht, das zu verfolgen, aber nach zwei Tagen aufgegeben. Es ist nicht
möglich. Die springen gedanklich immer so, auf 40.000 Zeichen bringen sie
4.000 Themen unter, oft völlig wirres Zeug. Es gibt aber Sachen, die
tauchen immer wieder auf. Zum Beispiel die Frage: Wie viel Geld habt ihr
bekommen? Die sind sich völlig sicher, dass wir gekauft sind, um bestimmte
politische Inhalte zu verbreiten. Die denken, wir sind ein Projekt der
Zionisten, etwas Ähnliches wie Pussy Riot.
Pussy Riot?
Danger Dan: Ja, sie glauben, auch die seien vom Westen aufgebaut, um
Russland zu schaden.
Koljah: Wir sind politisch schwierig zu fassen, deswegen fragen die sich:
Wer bezahlt das? Allerdings gibt es Widersprüchlichkeiten, die sie nicht so
wirklich verstehen. Wir sind nicht so eindeutige Systemknechte, manchmal
sagen wir auch Dinge, die sie richtig finden. Das passt dann nicht ins
Konzept.
14 May 2015
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Antilopen Gang
Ken Jebsen
Schwerpunkt Pegida
Danger Dan
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Lesestück Interview
Rechtsextremismus
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Schwerpunkt AfD
Andreas Temme
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Reichsbürger
HipHop
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