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# taz.de -- Debütalbum der Antilopen Gang: Testosteron der Adoleszenz
> „Aversion“, das Album der Rapcrew, erregt die Gemüter. Eine erste
> Abmahnung gab es schon – vom Herold der freien Rede, Ken Jebsen.
Bild: Antilopen Gang: Antifa-Hiphop mit Abmahnqualitäten.
„Deutschrap muss sterben, damit wir leben können.“ Wer solche Zeilen
textet, kann kein schlechter Mensch sein. Dieses von Slime abgeleitete
Axiom („Deutschland muss sterben“) stammt von der gerade gehypten Antilopen
Gang aus – wahlweise – Düsseldorf, Köln oder Berlin.
Ihre MCs heißen Koljah, Panik Panzer und Danger Dan und sind alle Ende 20.
Jener Danger Dan gibt obige Reime im Song „Outlaws“ zum Besten. Zunächst
bestand die Antilopen Gang, die aus der Rap-Crew Anti Alles Aktion
hervorgegangen ist, aus vier Künstlern.
Ihr talentiertester Freestyle-Rapper NMZS hat sich im März 2013
tragischerweise das Leben genommen. Lange blieb unklar, ob die Antilopen,
die bis dato Musik auf der eigenen Homepage an ihre Fans verschenkten und
mit selbstproduzierten Videos bei YouTube manch Clickmonster („Fick die
Uni“) landeten, überhaupt weitermachen.
Nun veröffentlichen die drei Verbliebenen mit „Aversion“ doch ihr
offizielles Debütalbum, nicht etwa bei einem aufstrebenden
Deutschrap-Label, sondern bei JKP, Firma der Düsseldorfer Punkrocker Toten
Hosen. Was irgendwie passt, weil vor allem Koljah gern mit seiner
Punk-Sozialisation kokettiert: Er widmete 2010 seinen Jugendhelden den Song
„Die Toten Hosen“ und trägt in Videos schon mal Band-T-Shirts der Goldenen
Zitronen.
## Investition Antifa-HipHop
Auf „Aversion“ sampelt die Antilopen Gang dann auch den
S.Y.P.H.-Nihilismus-Stampfer „Zurück zum Beton“. Das JKP ein paar Euro aus
den „Ballast der Republik“-Millionen in Antifa-HipHop steckt, ist seinen
Eigentümern hoch anzurechnen.
Man darf sehr gespannt sein, wohin die Reise im Punk-beeinflussten
Zeckenrap wohl führen wird. Die Hosen hätten sich schließlich zu „Opel
Gang“-Zeiten auch nicht träumen lassen, jemals „An Tagen wie diesen“ als
Schmachtfetzen für die ganze Republik zu singen. Jan Delay (of Buback-Fame)
hat sich mit seinem letzten, arg Deutschrock-infizierten Album und einer
etwas übertrieben zur Schau gestellten Lindenberg-Werdung nicht nur Freunde
gemacht. Dann wäre da noch der Umstand, das die behütete Mittelstandsjugend
sich nur allzu gerne von den Kollegahs dieser Welt inszeniertes Asi-tum in
die Bude senden lassen.
Das alte Spiel mit Bitches und Hoes, errappten Millionen, der
„Fickmaschine, die plötzlich zur Sprechmaschine wird“ – um im
Deutschrap-Kontext Deleuze und Guattari zu zitieren – diesem ganzen sich
immer wieder einstellenden Fucked-up-Testosteron der Adoleszenz: Dank
HipHop muss die Jugend von heute keinen Bukowski mehr lesen.
## Ken Jebsen schmollt
Die Punks der frühen Achtziger hatten Bukowski gelesen. Und mussten sich
mit Juze-Abstimmungen und Abspaltungsgruppen von Abspaltungsgruppen
auseinandersetzen. Die Antilopen Gang sehnt sich irgendwie nach beidem:
politischer Party-Unkorrektheit jenseits der Internetforen ihrer Generation
– ja auch mal zusammen ein Feuer schüren! – und überhaupt politisches
Bewusstsein bei den eigenen Schwestern und Brüdern vor den Touchscreens da
draußen!
Ihre Fans drücken ordentlich auf die Like-Buttons, vor allem, wenn es um
die aktuelle Single „Beate Zschäpe hört U2“ und ihren Text geht. „Sie
können sagen was sie wollen / Sie sind schlicht Antisemiten / All die
Pseudo-Gesellschaftskritiker / Die Elsässer, Ken-FM-Weltverbesserer.“ Jener
Ken Jebsen, Ex-Radiomoderator, beauftragte eine Anwaltskanzlei und ließ
wegen „übler Nachrede“ abmahnen: Das Stück läuft ironischerweise beim
öffentlich-rechtlichen Berliner Jugendradio Fritz rauf und runter. Jener
Sender, der Jebsen im November 2011 wegen seiner mehr als fragwürdigen
politischen Äußerungen entließ.
Insofern haben die Antilopen mit JKP sehr gute Geschäftspartner gefunden,
denn Jebsens Anwälte legen sich nun mit der erfolgreichsten deutschen
Rockband an. Auch wenn das Geld ihres Labels aus der gesellschaftlichen
Mitte stammen mag, gegen die sie trotz oder gerade wegen der vielen
Widersprüche ihre „Aversion“ hegen, stehen sie im deutschsprachigen HipHop
politisch außergewöhnlich weit links! Beate Zschäpe hört weiter U2 – aber
unsere Kinder mit etwas Glück die Antilopen Gang.
25 Nov 2014
## AUTOREN
Maurice Summen
## TAGS
HipHop
Ken Jebsen
Deutscher Hip Hop
Lesestück Interview
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Dokumentarfilm
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Rapper
Folk
Ken Jebsen
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