# taz.de -- Folksänger Hozier in Berlin: Er klingt nach Wald und Seen | |
> Der irische Sänger Hozier thematisiert in seinen Songs Leidenschaft in | |
> jeglicher Form. Im Berliner Kesselhaus stellte er sein Debütalbum vor. | |
Bild: Thematisiert Leidenschaft: Andrew Hozier-Byrne. | |
Es hat schon etwas Befremdliches, wenn in Prenzlauer Berg etwa 800 Leute | |
vor einer Bühne stehen und im Chor „Amen, Amen, Amen“ singen. Es geht um | |
keine kirchliche Veranstaltung, sondern der irische Singer-Songwriter | |
Hozier gibt im Kesselhaus ein Konzert. Der junge Mann, der eigentlich | |
Andrew Hozier-Byrne heißt, kommt aus Bray südlich von Dublin. Er hat einen | |
Hang zu Blues und Folk, zu gefühlsbetonten, sinnlichen Songs und zu Texten | |
mit morbiden Elementen. | |
Schon mit der ersten Single „Take Me To Church“ landete er einen Hit. Seit | |
Monaten rotiert der Song mit dem Amen im Refrain im Radio. „I was born sick | |
/ but I love it / Command me to be well / Amen. Amen. Amen“, singt er darin | |
und kritisiert die Unterdrückung von Homosexuellen durch Kirche und andere | |
Institutionen: „We were born sick / you heard them say it / My church | |
offers no absolution.“ Das dazugehörige Video zeigt ein schwules Pärchen, | |
das von einem aufgebrachten Mob verfolgt und verprügelt wird. Es zeichnet | |
das Bild einer morbiden, aber starken Leidenschaft. | |
Die Erwartungen an Hozier nach seinem im Oktober erschienenen Debütalbum | |
sind groß. Eine lange Schlange steht quer durch den Hof der Kulturbrauerei, | |
wo gerade ein Weihnachtsmarkt abgehalten wird. Das Publikum ist zwischen | |
Mitte zwanzig und um die fünfzig, einige sind nach Berlin gereist, um das | |
Konzert zu sehen. Man hätte wohl auch größere Säle ohne Probleme füllen | |
können, denn das ausverkaufte Kesselhaus ist wirklich bis zum letzten Platz | |
gefüllt und etwas ungemütlich. Der Ein- und Ausgang wie ein Nadelöhr in den | |
großen Konzertsaal, die Treppe zur Galerie hoffnungslos verstopft. | |
Unten herrscht – zwischen der Bar auf der einen Seite und der Betonwand auf | |
der anderen – Gedränge unter der großen Discokugel. Man steht sich | |
gegenseitig im Weg und nimmt sich die Sicht. Sobald Hozier die Bühne | |
betritt und den ersten gefühlsbetonten Folksong anstimmt, fangen die | |
Pärchen im Publikum ohne Rücksicht auf Verluste an zu schunkeln. Wer im Weg | |
steht, wird genötigt mitzumachen. | |
## Die fröhliche Hoffnungslosigkeit | |
Der 24-jährige Hozier hat seine sechsköpfige – ebenfalls junge und irische | |
– Band mitgebracht. Der große und schlanke Sänger wird in Interviews | |
ständig auf seine schulterlange braune Mähne angesprochen, wie aus Absicht | |
trägt er die Haare an diesem Abend zum Zopf gebunden. Bei dem Folksong | |
„Like Real People Do“ stimmen die zwei Backgroundsängerinnen gemeinsam mit | |
der Cellistin, der Keyboarderin, dem Schlagzeuger und dem Bassisten einen | |
glasklaren Chorgesang an, der einem die Gänsehaut über den Rücken jagt. Es | |
klingt nach Wald, nach Seen, nach dem kühlen grünen Irland. | |
Hoziers Lieder sind von einer Melancholie geprägt, die nie kitschig, | |
weinerlich oder schwulstig wirkt. Seine Musik drückt oft eine seltsam | |
fröhliche Hoffnungslosigkeit aus. Wie etwa bei „From Eden“, wo zwar | |
Gitarrengezupfe und Gospelharmonien leichte Kost erwarten lassen, den | |
Pärchen das Schunkeln aber vergehen sollte, singt er doch: „To the strand, | |
a picnic planned for you and me / A rope in hand, for your other man / To | |
hang from a tree“. | |
Den sanften Song „Cherry Wine“ trägt Hozier ohne seine Band an der | |
Akkustikgitarre vor. Für „It Will Come Back“ tauscht er den einfühlsamen | |
Folkgesang in einen vorwurfsvollen Blues ein, den man ihm ohne Weiteres | |
abnimmt. Fröhlicher und beinahe nach R ’n’ B klingt „Someone New“, ein… | |
der wenig überraschend von einer Verflossenen handelt, wie Hozier sagt. | |
## Wasserfälle und Leichen | |
Er wirkt auf der Bühne unaufgeregt und konzentriert. Zwischendurch nuschelt | |
er in seinem irischen Englisch, dass er sich auf den Glühwein nach dem | |
Konzert freut. Als er allein mit der Backgroundsängerin Hannah Grace auf | |
der Bühne steht, sagt er, dass sie wie er aus der Nähe der Wicklow Hills | |
komme. „Man nennt die Gegend den Garten von Irland. Überall grüne Wälder | |
und Wasserfälle. Aber jeder Ire weiß, wenn man mal von dem Ort hört, dann | |
nur, weil da eine Leiche gefunden wurde“, erklärt er den Text des folgenden | |
Folksongs „In A Week“. | |
Die vielen Iren im Publikum grölen, doch es wird ganz still, als die beiden | |
dann zweistimmig zur Akustikgitarre singen. „We’ll lay here for years or | |
for hours / Thrown here or found, to freeze or to thaw / So long, we’d | |
become the flowers / Two corpses we were, two corpses I saw / And they’d | |
find us in a week“. | |
Hozier trägt im Kesselhaus so ziemlich jeden Song seines Debütalbums vor | |
und kommt nach über einer Stunde Spielen, einem kurzen Abgang und tosendem | |
Applaus für eine Zugabe zurück. Zum Schluss holt er mit „Angel of Small | |
Death and the Codeine Scene“ noch einmal den Bluesrock auf die Bühne – aber | |
erst, nachdem er sein Haarband gelöst und mit einer Handbewegung, die man | |
bestimmt seit den 90er Jahren nicht mehr gesehen hat, seine schulterlange | |
Mähne zurechtgestrichen hat. | |
27 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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