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# taz.de -- Streit um Gentech-Pflanze „Golden Rice“: Heilmittel oder PR-Tri…
> Greenpeace sperrt sich gegen Gentech-Reis, der Millionen Kinder vor
> Erblinden und Tod retten könnte. Auch ein Ex-Mitglied kritisiert die
> Organisation.
Bild: Sollte hier lieber „Goldener Reis“ wachsen? Reisfeld in Nepal.
BERLIN taz | „Greenpeace’ Verbrechen gegen die Menschlichkeit: 8 Millionen
Kinder tot. Golden Rice Now“, steht auf dem Transparent, das Patrick Moore
an eine Wand der Berliner Landesvertretung von Sachsen-Anhalt gelehnt hat.
Die Kinder seien nicht vor Vitamin-A-Mangel gerettet worden, weil
Greenpeace den gentechnisch veränderten „Golden Rice“ verhindere, so der
Kanadier. Deutsche Wissenschaftler haben ins Erbgut der Pflanze Gene aus
Mais und einem Bodenbakterium eingebaut, damit sie mehr Beta-Carotin
enthält, das der Körper in Vitamin A umwandelt.
Moore nennt sich selbst „Greenpeace-Mitgründer“. Das ist sein Kapital. Neun
Jahre war er Vorsitzender der kanadischen Sektion des
Umweltschutzverbandes, sieben Jahre Direktor bei Greenpeace International.
1986 verließ er die Organisation. „Greenpeace driftete auf eine Position
ab, wo Menschen als Feinde der Erde gesehen wurden“, begründet er das. Seit
einigen Jahren bekämpft er den Verband auch, weil dieser gegen die
Zulassung des Goldenen Reises ist.
Laut Weltgesundheitsorganisation brauchen 250 Millionen Kinder mehr Vitamin
A. Vor allem in armen Ländern Südostasiens und Afrikas. Die Eltern haben
oft nicht genügend Gemüse, das den Nährstoff liefert. Jährlich verlieren
laut WHO 250.000 bis 500.000 dieser Kinder ihr Augenlicht. Die Hälfte
sterbe binnen zwölf Monaten danach.
„Das ist das Heilmittel“, ruft Moore nun und zeigt auf ein Foto des
Goldenen Reises. Der habe keine Nebenwirkungen. Zwar könne man auch
Vitamintabletten verteilen, aber: „Kinder essen nicht automatisch Pillen,
jedoch jeden Tag Reis.“ Zudem seien diese langfristig teurer als der Reis,
der sich von den Bauern vermehren lasse. Gebühren sollen sie dafür nicht
zahlen müssen, da die Patentinhaber – unter anderem der Chemiekonzern
Syngenta – eine Gratislizenz gewähren. Die Pflanze wäre längst zugelassen,
fährt Moore fort, „wenn nicht der Greenpeace-Widerstand wäre“.
## Kritik an Moores Motiven
Dirk Zimmermann ist Gentechnik-Experte bei Greenpeace Deutschland. Er
erinnert daran, was Moore noch propagiert hat: etwa Atomkraft, als
bezahlter Lobbyist. Im Februar bezweifelte er vor einem Ausschuss des
US-Senats, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Auch sei er
kein Greenpeace-Gründer, sondern erst ein Jahr nach deren Gründung zur
Vorläuferorganisation „Don’t Make a Wave Committee“ gestoßen.
Zu Moores Motiven bemerkt Zimmermann: „Es scheint ja ein gutes
Geschäftsmodell zu sein, mit seiner Greenpeace-Vergangenheit solche Sachen
zu bewerben.“ Moore selbst räumt ein, vor allem von Vorträgen über Golden
Rice zu leben. Doch wenn es um die Argumente des Renegaten geht, muss
Zimmermann zuweilen passen. Ob es stimmt, dass Vitamintabletten teurer sind
als Golden Rice? „Das habe ich nicht nachgerechnet.“
Für den Umweltschützer ist der Reis – genau wie die Gentech-Banane mit mehr
Beta-Carotin/Vitamin A, die gerade getestet wird – „grundsätzlich der
falsche Ansatz.“ Der Reis könnte das Problem sogar verschärfen, indem er
Menschen ermutigt, sich nur noch mit einem Grundnahrungsmittel zu ernähren.
Derartige technischen Lösungen gingen an den Ursachen des Problems vorbei:
Armut und mangelnder Zugang zu einer vielfältigen Ernährung.
Aber diese Ursachen zu beseitigen, wird dauern. Soll man bis dahin wirklich
auf die Chance verzichten, tausende Menschen mithilfe des Gentech-Reises zu
retten? Der Greenpeace-Experte bezweifelt, dass die Pflanze das überhaupt
leistet. Kann der Körper tatsächlich genug Beta-Carotin aus dem Reis in
Vitamin A umwandeln? Eine Studie, die Moore als Beleg anführt, lässt
Zimmermann nicht gelten: Die Testpersonen hätten Fett erhalten, das für die
Umwandlung nötig sei. Eben das aber stehe armen Bevölkerungsschichten oft
nicht zur Verfügung.
## Nur „denkbare“ Risiken
Greenpeace argumentiert auch mit denkbaren Risiken für die Gesundheit. Aber
die einzige konkrete Gefahr, die die Umweltschützer in einem Papier zum
Thema vom Oktober nennen, sind negative Auswirkungen einer Überdosis
Beta-Carotin. Dass Greenpeace gegen den Goldenen Reis mobilisiert, liegt
wohl vor allem daran, dass die Industrie mit der Pflanze Gentechnik in
Staaten wie Deutschland salonfähig machen will. Tatsächlich wurde auch
Moores Auftritt in Berlin vom „Forum Grüne Vernunft“ organisiert. Der
Verein kämpft nicht nur für Golden Rice, sondern für Gentechnik allgemein.
Bislang sehen die meisten Menschen keine Vorteile, die Risiken von
Gentech-Saatgut rechtfertigen würden. Denn bisher werden nur Pflanzen
angebaut, die resistent sind gegen Pestizide und Insekten. So erleichtern
sie Monokulturen, die langfristig mehr Chemie benötigen, das Grundwasser
schädigen und die Artenvielfalt mindern. Der Goldene Reis dagegen soll
Menschenleben retten – was die Totalablehnung der Gentechnik aufweichen
könnte.
24 Jun 2014
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Schwerpunkt Gentechnik
Greenpeace
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Goldener Reis
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