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# taz.de -- Zellbiologe über „Golden Rice“: „Reis ist billiger als Table…
> Mit Gentech-Saatgut lässt sich Vitamin-A-Mangel leichter beheben als mit
> Pillen, so „Golden Rice“-Miterfinder Beyer. Kritiker würden mit falschen
> Zahlen argumentieren.
Bild: Schön gold-gelb: Gentechnisch veränderter Reis (l.) aus Freiburg.
taz: Herr Beyer, der Ex-Greenpeace-Funktionär Patrick Moore hat kürzlich in
Berlin für den gentechnisch veränderten „Goldenen Reis“ geworben.
[1][Unsere Artikel dazu] haben Protest von Lesern ausgelöst. Hauptargument:
Der Reis liefere nicht genug Vitamin A, um Erblindung und Tod von Kindern
in Entwicklungsländern zu verhindern. Ist Ihr Projekt sinnlos?
Peter Beyer: Das stimmt nicht. Der Goldene Reis enthält viel mehr
Betacarotin als normaler Reis. Zu der Frage, wie viel Vitamin A der Körper
daraus gewinnen kann, gibt es zwei [2][Publikationen im American Journal of
Clinical Nutrition]. [3][Sie weisen nach], dass dieses Betacarotin
hochgradig bioverfügbar ist. Dort steht auch, dass man nur 50 Gramm
trockenen Reis braucht, um etwa die Hälfte des Vitamin-A-Bedarfs zu decken.
Da selbst Mangelernährte Vitamin A aus anderen Quellen beziehen, lässt sich
so das Defizit weiter Bevölkerungsteile beheben.
Sogar eine Professorin hat der taz geschrieben: Für ein Mikrogramm Vitamin
A benötige der Körper zwölf Mikrogramm Betacarotin. Deshalb müsste ein
Erwachsener täglich vier bis sechs Kilogramm Goldenen Reis essen.
Diese Umwandlungsrate ein zu zwölf bezieht sich auf verschiedene
Lebensmittel wie Spinat – aber nicht auf Reis. Diese Professorin sollte die
in renommierten Fachzeitschriften erschienenen Publikationen lesen, bevor
sie sich äußert.
Eine der Studien ist aber umstritten: Die Eltern der Kinder in dem Versuch
sollen nicht deutlich genug darüber aufgeklärt worden sein, dass der
Goldene Reis eine Gentechnik-Pflanze ist. Kann man so eine Publikation
überhaupt noch zitieren?
Das ist nicht meine Studie. Aber es ist sehr fraglich, ob die Vorwürfe
stimmen. Dazu läuft ein Rechtsstreit. Unabhängig davon: Alle
Begutachtungen, die ich kenne, sagen: Wissenschaftlich ist die Studie
vollständig stimmig.
Essen die Betroffenen denn genügend Fett, um aus dem Betacarotin Vitamin A
zu gewinnen?
Selbst polierte Reiskörner sind keineswegs frei von Fett – das in ihnen
vorhandene Betacarotin liegt in Fetten gelöst vor. Deshalb vermute ich,
dass die Zielgruppen des Reises kein zusätzliches Fett essen müssen, um
genügend Vitamin A zu absorbieren. Eine Studie mit fettfreien Reisproben
wurde durchgeführt, ist aber noch nicht ausgewertet.
Übersteht das Betacarotin im Goldenen Reis überhaupt die Lagerung unter
tropischen Temperaturen?
Sie werden Verluste haben. Aber die haben Sie auch in der Karotte oder im
Mais. Die Lagerfähigkeit hängt von der Reissorte ab, in die die
gentechnisch veränderten Eigenschaften rübergezüchtet wurden. Es gibt
Sorten, bei denen ein halbes Jahr Lagerung kein Thema ist, und durch
Züchtung soll die Lagerstabilität noch erhöht werden.
Reichen sechs Monate?
Ja, wir reden hier vor allem über Subsistenzfarmer, die ihre eigene Ernte
essen. Die meisten ernten zweimal im Jahr und lagern den Reis nicht lange.
Warum in Gentechnik Zeit und Geld investieren, wo es doch erprobte Methoden
wie Vitamintabletten gibt?
Sie können mit Kapseln zwei Megadosen im Jahr an reinem Vitamin A den
Kindern zuführen, und dann sind Mangelkrankheiten weg. Organisationen wie
Helen Keller International und staatliche Stellen, die so etwas
durchführen, wissen aber, dass sie nie alle regelmäßig und Jahr für Jahr
erreichen können. Das hat infrastrukturelle Gründe, besonders in ländlichen
Gebieten.
Wie sieht es mit den Kosten aus?
Vitamin-A-Kapseln kosten nicht viel Geld, aber die Beträge für die
Verteilungslogistik kommen hinzu. Das summiert sich, wenn man Millionen von
Menschen betrachtet und auch bedenkt, dass die Kosten jährlich neu
anfallen. Reispflanzen vermehren sich vor Ort, Pillen nicht. Sie müssen ihn
nur einmal verteilen. Das haben Ökonomen mehrfach durchgerechnet: Der
Goldene Reis ist die derzeit mit Abstand preiswerteste Intervention gegen
Vitamin-A-Mangel, auch wenn man die Entwicklungskosten einbezieht.
Würde der Goldene Reis nicht dazu verleiten, sich weiter falsch zu ernähren
– mit zu wenig Gemüse?
Ich glaube nicht, dass man einem Armen auf den Philippinen oder anderswo
mit dem erhobenen Zeigefinger erklären muss: Du musst auch mal eine Tomate
essen. Das weiß der selber. Es ist keinesfalls erstrebenswert, nur Reis zu
essen. Die Leute essen einseitig Reis, weil sie arm sind und Reis billig
ist.
Dann muss man eben dafür sorgen, dass diese Armen genug Gemüse bekommen.
Das haben wir schon diskutiert, als ich 16 Jahre alt war. Ich habe noch
keinen Fortschritt in dieser Beziehung gesehen.
Wenn schon Reis, warum dann nicht auf den seit tausenden Jahren bewährten
hellbraunen, unpolierten Reis setzen, der von Natur aus Karotin enthält?
Tatsächlich kann man auf den äußeren Schichten des Reiskorns mit den
feinsten Methoden der Analytik Spuren von Karotinoiden nachweisen, die der
Körper in Vitamin A umwandeln kann. Die Menge ist aber so gering, dass sie
irrelevant ist. Das lässt sich in jeder Nährwerttabelle nachschlagen.
Würde der Goldene Reis die genetische Vielfalt reduzieren?
Nicht mehr als jede klassisch gezüchtete Sorte, die Vorteile gegenüber den
bestehenden Sorten bietet. Haben Sie eine gute Sorte, setzt die sich durch,
weil die Landwirte sie wollen und ihre alten Körner wegschmeißen.
Könnte der Goldene Reis nicht herkömmliche Sorten durch Auskreuzung
kontaminieren?
Reissorten sind in extrem hohen Maße Selbstbestäuber. Es gibt praktisch
keinen Flug von lebensfähigem Pollen. Deshalb ist das Auskreuzungsrisiko
sehr gering.
Stimmt es, dass aussagekräftige Untersuchungen zum Gesundheitsrisiko des
Goldenen Reises fehlen?
Es liegen unter anderem Studien zur akuten Giftigkeit an Ratten vor.
Ergebnis: Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Reis die Gesundheit
gefährdet. Es ist aber sicher, dass jedes Jahr Tausende Kinder infolge von
Vitamin-A-Mangel sterben.
Könnte der Reis die Abhängigkeit der Bauern von Saatgutkonzernen steigern?
Nein, weil er ein Projekt des öffentlichen Sektors ist, das mit
öffentlichen Mitteln gefördert wird und von öffentlichen nationalen und
einem internationalen Reis-Institut entwickelt wird.
Aber auf dem Reis liegen doch auch Patente von Monsanto und Syngenta?
…und anderen. Die haben wir freibekommen. In allen Entwicklungsländern
brauchen Bauern mit höchstens 10.000 US-Dollar Umsatz pro Jahr aus dem
Reisanbau nichts zu zahlen für die Technologie.
Haben Sie für die Industrie gearbeitet?
Nie. Ich bin verbeamteter Hochschulprofessor. Syngenta hatte meiner
Arbeitsgruppe mal zwei Jahre lang Drittmittel bezahlt für einen Doktoranden
und Sachmittel, um den Betacarotingehalt des Goldenen Reises zu erhöhen.
Aber das war schon 2004 vorbei.
Ist es korrekt, dass der Ertrag des Goldenen Reises niedriger als der
herkömmlicher Sorten ist?
Ja. Derzeit reicht der Ertrag im Feld nicht ganz an unsere Zielvorgaben
heran. Das kann züchterisch behoben werden. Daran arbeiten wir gerade.
Also liegt es gar nicht am Protest, dass der Reis noch nicht zugelassen
ist?
Der Protest hat uns bisher nicht beträchtlich viel Zeit gekostet. Dieses
Thema wird aber umso relevanter, je näher wir einer Zulassung kommen. Das
Projekt wird vor allem verzögert durch die komplexen Regularien, die die
Politik als Folge der großen Unsicherheit in der Bevölkerung erlassen hat.
An dieser Situation tragen Aktivisten große Verantwortung.
Stehen Sie eigentlich hinter Exaktivist Moores Vorwurf, der Widerstand von
Greenpeace gegen den Goldenen Reis sei mitverantwortlich für den Tod von
Millionen Kindern?
Nein. Das sind Aussagen anderer. Wenn Greenpeace aber so weitermacht wie
bisher, könnte es so werden.
Könnte Ihr Reis denn nicht den Dammbruch für die Gentech-Pflanzen bringen,
die überhaupt keinen gesundheitlichen Nutzen haben, sondern nur
umweltschädliche Monokultur-Landwirtschaft erleichtern?
In Europa beispielsweise passiert da gar nichts. Der Widerstand in der
Politik und der Bevölkerung ist so groß, das würde sich auch nicht ändern,
wenn in Asien der Goldene Reis angebaut würde.
27 Jul 2014
## LINKS
[1] /!141062/
[2] http://ajcn.nutrition.org/content/96/3/658.full.pdf+html?sid=72104b0e-d827-…
[3] http://ajcn.nutrition.org/content/89/6/1776.full.pdf+html?sid=b11ff084-822a…
## AUTOREN
Jost Maurin
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