# taz.de -- Patentierung von Gemüsezüchtung: Schutz für die Schrumpeltomate | |
> Sogar konventionell gezüchtete Tomaten und Brokkoli können durch ein | |
> Patent geschützt werden. Das hat das Europäische Patentamt entschieden. | |
Bild: Eine ganz normale Tomate und trotzdem heiß begehrt von der Patentlobby. | |
Berlin taz | Eine durch konventionelle Züchtung erzeugte „Schrumpeltomate“ | |
darf patentrechtlich geschützt werden. Das hat das europäische Patentamt am | |
Dienstag entschieden. Seit Jahren befasst sich die Behörde mit dem Gemüse, | |
das „rosinengleich und dehydriert“ ist, über eine Haut verfügt, die beim | |
Schrumpeln am Strauch nicht platzt und es damit angeblich besonders | |
geeignet zur Herstellung von Ketchup macht. Für ein europäisches Patent auf | |
Tomaten mit diesen speziellen Eigenschaften steht nun nichts mehr im Wege. | |
Beantragt hatte es das israelische Agrarministerium. | |
Der Fall der Tomate hatte für Aufsehen gesorgt, zusammen mit dem eines | |
angeblich besonders gesunden und vor Krebs schützenden Brokkoli. Der Kohl | |
mit dem Namen Beneforté, der in britischen Supermärkten schon zu kaufen | |
ist, war von der technischen Beschwerdekammer des Patentamtes vor einigen | |
Wochen positiv entschieden worden. Beide Pflanzen sind durch konventionelle | |
Züchtung entstanden und nicht durch gentechnische Veränderungen. Darum | |
müsste für sie eigentlich der Sortenschutz gelten und nicht das | |
Patentrecht. | |
Gleichwohl sieht sich das Europäische Patentamt zuständig. Das Europäische | |
Patentübereinkommen verbiete es zwar, Züchtungsverfahren zu patentieren. | |
Produkte mit speziellen Eigenschaften könnten aber durchaus durch Patente | |
geschützt werden, entschied die große Beschwerdekammer des Amtes im März | |
dieses Jahres. Rund 290 Anträge für konventionell gezüchtete Pflanzen sind | |
derzeit anhängig und werden nun in den nächsten Jahren entschieden. Der | |
Tomate und dem Brokkoli werden also weitere Gemüse folgen. | |
Kritiker werfen der Behörde vor, seine Rechtsgrundlage zu großzügig zu | |
interpretieren. „Das Amt hat mit seiner Rechtsprechung die bestehenden | |
Verbote so weit ausgehöhlt, dass diese inzwischen wirkungslos sind“, sagt | |
Christoph Then, Patentexperte für Greenpeace und Koordinator des Bündnisses | |
„Keine Patente auf Saatgut“. | |
## Patentlobby dominiert Expertengruppe | |
Nach der Grundsatzentscheidung vom März hatte das zuständige | |
Bundesjustizministerium eine „Prüfung“ angekündigt. Nun teilt ein Sprecher | |
von Justizminister Heiko Maas (SPD) mit, man sei „im Gespräch sowohl mit | |
den für das Patentrecht zuständigen Ministerien der anderen | |
EU-Mitgliedstaaten als auch mit der Europäischen Kommission, um | |
Gestaltungsspielräume auszuloten.“ | |
Auch die Kommission sieht Handlungsbedarf, will vor einer Entscheidung aber | |
den Bericht einer Expertengruppe abwarten, der Ende des Jahres erwartet | |
wird. Kritiker Then ist einer der 15 Experten. Zwar sei diese Gruppe stark | |
von den Interessen der Patentlobby dominiert, sagt er; andererseits habe | |
die Regierung der Niederlande im kommenden Jahr die EU-Ratspräsidentschaft | |
inne. Und die wolle in diesem Rahmen gegen die Patente auf Leben vorgehen. | |
„Ich hoffe also, dass sich in der Sache doch noch was tut“. | |
8 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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