# taz.de -- Sorgerecht und Unterhalt nach Trennung: Erzeuger und Geldmaschine | |
> Wer seine Kinder nach einer Trennung weniger als zur Hälfte betreut, muss | |
> den gesamten Unterhalt zahlen. Oft ist das der Vater. | |
Bild: Moderne Modelle der Betreuung von Trennungskindern gibt es schon länger.… | |
BERLIN taz | Sie wollten alles ganz einfach halten nach der Trennung. | |
Halbe-halbe. Eine Woche wären die beiden Kinder, die achtjährige Tochter | |
und der sechsjährige Sohn, bei Vater Ralf* und eine bei Mutter Claudia. | |
Aber damit kam Claudia nicht klar. Sie könne nicht so lange ohne die Kinder | |
leben, meinte sie. Vor Gericht dann hieß es, die Kinder seien bei ihr | |
besser aufgehoben. | |
Die Folge: Sie bekam sie acht Tage am Stück und Ralf dann sechs. Was er | |
nicht wusste: Claudia bekommt trotzdem den vollen Unterhalt für die Kinder | |
– soweit der Vater zahlungsfähig ist. In Ralfs Fall, er verdient nicht | |
viel, sind das 360 Euro im Monat. So will es das Gesetz: Derjenige, der die | |
Kinder kürzere Zeit betreut, und sei es nur ein Tag weniger, zahlt trotzdem | |
den vollen Unterhalt. | |
„Das ist irre“, sagt Ralf, „denn während die Kinder bei mir sind, gebe i… | |
natürlich auch Geld für sie aus: den Urlaub, das Essen, die Klamotten, | |
Spielzeug, Medikamente. Das macht etwa 350 Euro pro Monat. Ich habe es mal | |
ausgerechnet, weil ich aus dem Dispo gar nicht mehr rauskam: Bei meinem | |
geringen Nettolohn bleiben am Ende des Monats minus 36 Euro für mich | |
übrig.“ | |
Das ganze Geld, das er für die Kinder ausgibt, während sie bei ihm sind, | |
zählt für die Gerichte nicht. „Kein Wunder, dass sich Väter vorkommen wie | |
eine Geldmaschine“, sagt Ralf. „Wer sich um seine Kinder mehr kümmern will | |
als die üblichen zwei Wochenenden im Monat, wird massiv bestraft.“ | |
## Veraltetes Gesetz | |
Warum ist das so? Weil das Familienrecht so langsam ist. Im BGB ist für den | |
Fall einer Trennung der Eltern festgehalten, dass eine(r) die Kinder | |
betreut und eine(r) bezahlt. Das ist in Paragraf 1606 geregelt, der die | |
Unterhaltsverpflichtung zum Thema hat. In Satz 3,2 heißt es dort: „Der | |
Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt | |
seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel | |
durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.“ Eine beiderseitige | |
Betreuung im Wechsel ist schlicht nicht vorgesehen. | |
Rechtlich kann der Elternteil, der das Kind „in Obhut“ hat, dessen Anspruch | |
auf Unterhalt beim anderen Elternteil geltend machen. In Obhut hat man das | |
Kind, wenn es mehr als 50 Prozent der Zeit bei diesem Elternteil verbringt. | |
Im Fall von Claudia und Ralf sind die Kinder also in ihrer Obhut. Und er | |
zahlt. | |
Ralf hat den Eindruck, dass das Ganze System hat. Und das System arbeitet | |
für Claudia. „Das Sorgerecht für unsere Tochter haben wir noch geteilt. Bei | |
unserem Sohn hat das Amt sie dann „beraten“. Es ist erstaunlich, dass das | |
ganze System noch davon ausgeht, dass ein Kind mehr zur Mutter als zum | |
Vater gehört – ich dachte, das sei lange passé.“ | |
Sie hat dann das alleinige Sorgerecht bekommen. Warum? „Sie war damals, als | |
die Kinder kamen, zu Hause – und ich schaffte das Geld ran. Damit habe ich | |
aber nun quasi das Recht verwirkt, für meine Kinder da zu sein“, so sein | |
Eindruck. Sie verbrachte mehr Zeit mit den Kindern. | |
## Strengere Ansagen | |
Er hatte einen anderen Erziehungsstil, machte strengere Ansagen. Er ließ | |
die Kinder aber auch mehr allein ausprobieren, las auf dem Spielplatz | |
Zeitung, während die Mutter das Modell Helikopter pflegte – all das | |
verwandte sie nun gegen ihn: Er kümmere sich nicht genug, vernachlässige | |
die Kinder. „Plötzlich wird es so gedreht, als sei ich deshalb als Vater | |
weniger geeignet. Ich wäre nicht in der Lage, unsere Kinder zu erziehen“, | |
erzählt Ralf. | |
Besonders nach einer Trennung haben es Väter nicht immer leicht. Ralf ist | |
ernüchtert: „Mir ist jetzt erst so richtig aufgefallen, was es heißt, im | |
Patriarchat zu leben. Mit Geschlechterfragen habe ich mich vorher nie | |
beschäftigt. Aber jetzt wird mir klar, wie alles ineinandergreift. Wie ich | |
in die Ernährerrolle geraten bin – und wie mir das nun auf die Füße fällt. | |
Das System diskriminiert nicht nur Frauen, es diskriminiert auch Männer.“ | |
Dem deutschen Familiengerichtstag, dem Forum der FamilienrichterInnen, ist | |
diese Konstellation bekannt. Mehrere Arbeitsgruppen haben sich schon mit | |
der Frage beschäftigt, wie hier mehr Gerechtigkeit einziehen kann. Heinrich | |
Schürmann ist Familienrichter und an der Diskussion beteiligt. Er | |
kritisiert insbesondere die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in dieser | |
Frage. Der BGH hat gerade erst in diesem März geurteilt, dass ein Vater, | |
der fast zum gleichen Teil wie die Mutter für sein Kind sorgt, kaum | |
entlastet werden muss. | |
Im konkreten Fall waren es nur 18 Euro im Monat, die er weniger zahlen | |
musste. „Allein das Zimmer für das Kind kostet schon 90 Euro im Monat“, | |
kommentiert Schürmann. Seine Erklärung: „Die Rechtsprechung hat ein großes | |
Beharrungsvermögen und reagiert nur verhalten auf gesellschaftliche | |
Veränderungen.“ Die Deutschen seien den Anspruch auf Gleichberechtigung | |
einfach noch nicht gewöhnt. „In Norwegen ist das anders: Da ist völlig | |
klar, dass beide Eltern für alles zu sorgen haben.“ | |
## Benachteiligung der Väter? | |
Beim Verband alleinerziehender Mütter und Väter kennt man das Problem und | |
versucht eine Erklärung: „Das Wechselmodell, bei dem das Kind hälftig von | |
beiden Eltern betreut wird, ist relativ neu“, erläutert die Vorsitzende | |
Edith Schwab. „Insbesondere nachdem das neue Unterhaltsrecht von 2008 | |
Frauen nach einer Scheidung dazu verpflichtet, schneller wieder | |
erwerbstätig zu werden, steigt natürlich deren Interesse daran, dass die | |
Kinder in dieser Zeit vom Vater betreut werden“, meint sie. Das | |
Familienrecht sei daran noch nicht angepasst: „Man muss da eine | |
Modifizierung finden“, formuliert sie vorsichtig. Einen Vorschlag dazu hat | |
der Verband noch nicht. | |
Die Männerlobby, das „Bundesforum Männer“ kritisiert die bisherige Regelu… | |
scharf: „Das ist unserer Ansicht nach eine klare Benachteiligung der | |
Väter“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Verbands, Hans-Georg | |
Nelles, der taz. Den Vätern werde „die Möglichkeit genommen, eigene | |
Arbeitszeiten zu reduzieren und den Betreuungsaufwand für ihre Kinder zu | |
erhöhen. | |
Damit werden alte Rollenzuschreibungen zementiert, Väter bleiben Ernährer | |
und Mütter erleiden als Alleinerziehende Nachteile auf dem Arbeitsmarkt.“ | |
Auch das Bundesforum regt an, den BGB-Paragrafen 1606 neu zu fassen: „Wir | |
bedauern es, dass die Politik, die in den vergangenen 50 Jahren das BGB an | |
vielen Stellen entrümpelt hat, trotz der seit Jahrzehnten verfolgten | |
Gleichstellungspolitik an dieser veralteten Regelung festhält.“ | |
Warum tut sie das? Warum ändert sich nichts? Schürmann vermutet: „Das ist | |
ein hochemotionaler Bereich. Die Politik traut sich da nicht heran. Sie hat | |
Angst vor einem Aufstand der Mütter.“ Ralf sucht weiter nach einer Lösung, | |
die ihm die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. „Ich war auch | |
mal in so einer Vätergruppe, aber da ist es krass. Da herrscht eine | |
Subkultur des Leidens. So will ich nicht sein.“ Was bleibt ihm? | |
Schwarzarbeiten, damit er nicht noch mehr Unterhalt zahlen muss. So will es | |
das System. | |
* Namen geändert | |
4 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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