| # taz.de -- Juristin über Unterhaltspflicht: „Väter haben erheblich mehr Ge… | |
| > Warum müssen getrennte Väter, die sich um ihre Kinder kümmern, fast den | |
| > ganzen Kindesunterhalt alleine zahlen? Weil das gerecht ist, sagt Maria | |
| > Wersig. | |
| Bild: Ganz schön teuer. | |
| taz: Frau Wersig, getrennte Väter, die sich fast genauso viel um ihre | |
| Kinder kümmern wie die Mütter, müssen trotzdem noch fast den ganzen | |
| Kindesunterhalt zahlen. Ist das gerecht? | |
| Maria Wersig: Tja, was ist der „ganze“ Unterhalt? Wir reden ja nur vom | |
| Barunterhalt. Ein Kind braucht aber auch Betreuung, die hat auch einen | |
| Wert. Dazu kommt, dass das Kind am Lebensstandard teilhat, also mit ins | |
| Restaurant geht oder ins Kino. Diese Leistungen werden durch den | |
| Barunterhalt nicht aufgewogen. | |
| Aber die Väter wollen ja gerade mehr betreuen und den Müttern einen Teil | |
| dieser Ausgaben abnehmen. Ist es dann nicht auch gerecht, weniger | |
| Barunterhalt zu zahlen? | |
| Ja, aber der Barunterhalt an sich ist schon ungenügend berechnet. Es wird | |
| davon ausgegangen, dass er äquivalent zu der Betreuungsleistung des anderen | |
| Elternteils ist. Das ist aber eine Fiktion. Kinder kosten viel mehr, als | |
| die Düsseldorfer Tabelle, nach der der Barunterhalt sich oft richtet, | |
| abbildet. Wenn nun von diesem Barunterhalt auch noch etwas gestrichen wird, | |
| bekommen wir verarmte Kinder. | |
| Das heißt, die Düsseldorfer Tabelle ist veraltet? | |
| Ja. Die Düsseldorfer Tabelle wird ja von Richtern erstellt, die ebenfalls | |
| der Fiktion anhängen, dass die Betreuung ungefähr so viel wert ist wie der | |
| Barunterhalt. Man müsste aber stattdessen schauen, was der gesamte Bedarf | |
| eines Kindes ist. Und der ist, das kommt nun noch hinzu, um einiges höher, | |
| wenn das Kind zwischen den Eltern wechselt: Es braucht zum Beispiel zwei | |
| Zimmer, und bestimmte Utensilien, die nicht immer transportiert werden | |
| können, müssen doppelt da sein. Dazu kommen noch die sogenannten | |
| Opportunitätskosten: Der Verdienstausfall der Mutter, die nur Teilzeit | |
| arbeitet, besteht auch bei höheren Betreuungszeiten des Vaters weiter. Man | |
| kann also nicht einfach sagen: Wir minimieren jetzt den Barunterhalt. | |
| Aber wenn der Vater auch mitbetreut, hat er doch auch Opportunitätskosten. | |
| Das ist ziemlich kompliziert. Männer verdienen oft besser als Frauen. Sie | |
| sind deshalb in der Lage, sich Kinderbetreuung einzukaufen, und reduzieren | |
| sehr viel seltener ihren Job. Das hat auch mit ihrem Selbstverständnis zu | |
| tun. Mütter dagegen springen öfter ein, wenn der Vater nicht kann. So kommt | |
| auch dieses typische Übergewicht der Frauen bei der Betreuung zustande. Im | |
| Endeffekt haben die Väter also erheblich mehr Geld als die Mütter – und | |
| könnten das Kind damit unterstützen. | |
| Dann könnte man im Umkehrschluss doch einfach sagen: Die Frauen müssen eben | |
| mehr Geld verdienen auf dem Arbeitsmarkt. | |
| Mein Verständnis von Feminismus ist nicht, den Menschen ihre Entscheidungen | |
| vorzuwerfen. Und wenn sie ihr Leben nach einem bestimmten und weit | |
| verbreiteten Mutterbild ausgerichtet haben, kann man ihnen hinterher keinen | |
| Strick daraus drehen. Und der Arbeitsmarkt bietet Frauen ja auch erheblich | |
| weniger Chancen als Männern. Stattdessen würde ich sagen: Der, der mehr | |
| verdient, sollte auch für das Kind mehr beitragen. | |
| De facto können oder wollen aber viele Väter ohnehin schon nicht so viel | |
| zahlen. | |
| Das ist es ja, was viele Frauen bei dieser Debatte den Kopf schütteln | |
| lässt: Zwei Drittel der Unterhaltspflichtigen zahlen gar keinen oder | |
| weniger als den Mindestunterhalt. In der Realität haben also diejenigen, | |
| die betreuen, noch zusätzliche Unterhaltslasten. Und nun fordern die Väter | |
| „Gerechtigkeit“? Wenn Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderklaffen? | |
| Aber in Schweden ist es doch auch ganz normal, dass beide betreuen und nur | |
| noch die Einkommensunterschiede ausgeglichen werden. | |
| In Skandinavien sind aber zum Beispiel die Opportunitätskosten durch die | |
| ausgefallene Arbeit der Frauen nicht so hoch: Die Kinderbetreuung ist | |
| ganztags gesichert und Eltern können generell früher nach Hause gehen als | |
| in Deutschland. Das sind Rahmenbedingungen, die man noch nicht übertragen | |
| kann. | |
| 27 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
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