| # taz.de -- Gemeinsames Sorgerecht: Papa gegen Mama gegen Kind | |
| > Unverheiratete Väter bekommen jetzt ganz leicht das Sorgerecht für den | |
| > eigenen Nachwuchs. Klingt fortschrittlich – aber ist es das auch? | |
| Bild: Gleiches Recht für Väter? Führt aber nicht automatisch zu einem harmon… | |
| Bis zum 10. Juli 2010 war das noch so: Wenn der Vater eines Kindes nicht | |
| mit der Mutter verheiratet war, konnte er das Sorgerecht nur bekommen, wenn | |
| die Mutter einverstanden war und offiziell zustimmte. Das wirkt ein | |
| bisschen ungerecht in Zeiten, in denen auch Männer wickeln, wiegen, Wagen | |
| schieben und sich seit Jahren schon in verschiedensten Büchern zu neuen | |
| Vätern erklären. Und tatsächlich hat im Juli vor drei Jahren das | |
| Bundesverfassungsgericht diese Regelung auch als „unverhältnismäßigen | |
| Eingriff“ in die Elternrechte des Vaters gewertet – und gekippt. | |
| Die Politik musste sich etwas Neues überlegen, weshalb der Bundestag Ende | |
| Januar das Sorgerecht geändert hat. Jetzt kann der Vater eine gemeinsame | |
| Sorge auch ohne Zustimmung der Mutter erhalten. Er muss das beim | |
| Familiengericht beantragen, muss dort aber nicht mehr nachweisen, dass die | |
| gemeinsame Sorge dem Kindeswohl zugutekommt. Falls die Mutter keine Gründe | |
| gegen das gemeinsame Sorgerecht vorträgt, entscheidet das Gericht nach | |
| Aktenlage - ohne persönliche Anhörung der Eltern. So tritt dieses neue | |
| Gesetz jetzt am 19. Mai in Kraft. | |
| Ist das gerechter? | |
| Um diese Frage streiten die Lobbys der unverheirateten Mütter und die der | |
| Väter. | |
| ## 90 Prozent der Alleinerziehenden: Mütter | |
| Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, kurz VaMV, vertritt eher | |
| die Mütter. Die Vorsitzende Edith Schwab sagt, sie sei nicht grundsätzlich | |
| gegen die neue Regelung: „Wir begrüßen es natürlich, wenn Väter sich | |
| stärker in der Familie engagieren wollen.“ Immerhin seien 90 Prozent der | |
| Alleinerziehenden Mütter. | |
| „Aber wir sind dagegen“, fährt Schwab fort, „dass für eine sehr kleine | |
| Menge von streitigen Fällen ein Gesetz gemacht wird, das völlig außerhalb | |
| der bewährten aktuellen Regelungen steht.“ Sie sagt das auf allen Kanälen, | |
| auch in der Bundestagsanhörung zum Thema hat sie gesprochen. Sie hat am | |
| Ende das Gefühl, nicht durchgedrungen zu sein. | |
| Die Lobby der Väter war erfolgreich: Sie klagte bis zum Verfassungsgericht | |
| und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Und die Gerichte | |
| urteilten: Dem Vater stehen mehr Rechte zu. | |
| Auch Eltern, die sich getrennt haben und seitdem nur noch streiten, sind | |
| mit der gemeinsamen Sorge nun gezwungen, auch gemeinsame Entscheidungen zu | |
| treffen. Das „vereinfachte Verfahren“, das die persönliche Anhörung der | |
| Eltern gar nicht mehr nötig macht, haben die Gerichte dafür gar nicht | |
| vorgeschrieben. Das hat das Justizministerium in den Gesetzentwurf | |
| eingefügt. | |
| ## Der Streit um die Strumpfhose | |
| Kompliziert wird es jetzt für die Gruppe der Zerstrittenen. Lena und Markus | |
| beispielsweise. Ein Paar, das die taz-Autorinnen Simone Schmollack und | |
| Heide Oestreich in der Titelgeschichte der taz.am wochenende „Die | |
| Machtfrage“ beschreiben, streitet sich jetzt schon erbittert darüber, | |
| welche Farbe die Strumpfhose der Tochter haben darf. Oder auf welche Schule | |
| ihre beiden Kinder gehen sollen. Der Streit eskaliert so weit, dass sie | |
| kaum noch miteinander reden und auch über ihren Fall nur getrennt | |
| voneinander und unter falschen Namen sprechen. | |
| Schmollack und Oestreich erzählen in ihrer Geschichte nicht nur von diesem | |
| konkreten Fall, sondern auch von den Verschiebungen im Machtgefüge Familie, | |
| die sich durch das neue Gesetz ergeben könnten. Sie haben | |
| Mütterlobbyistinnen und Vätervertreter getroffen, um die gesellschaftliche | |
| Dimension dieser politischen Auseinandersetzung zu begreifen. | |
| Der Verein „Väteraufbruch“ etwa hat noch offene Wünsche: „Wir wollen die | |
| gemeinsame Sorge ab der Geburt, zusammen mit der Vaterschaftsanerkennung“, | |
| sagt dessen Vorsitzender Rainer Sonnenberger, getrennt lebender Vater | |
| dreier Kinder. Er ist sicher, dass die jetzige Regelung wieder vor Gericht | |
| landen wird. „In den ersten sechs Wochen entscheidet die Mutter so viel, da | |
| wollen wir ein Mitspracherecht haben.“ Der Name des Kindes, die Religion, | |
| eine eventuelle Beschneidung, frühe Operationen, all das können die Väter | |
| immer noch nicht mitbestimmen. | |
| Sollte das gemeinsame Sorgerecht den Vätern tatsächlich schon automatisch | |
| übertragen werden, wenn das Kind geboren wird? Oder ginge das zu weit? An | |
| wen wenden sich getrennte Eltern am besten, die sich einfach nicht einigen | |
| können? An die Gerichte? An Mediatoren? Und wo bleiben bei alldem | |
| eigentlich die Kinder? | |
| Kennen Sie auch solche Geschichten wie die von Lena und Markus? Dann | |
| erzählen Sie uns gerne davon. Diskutieren Sie hier auf taz.de. | |
| Die Titelgeschichte „Die Machtfrage“ lesen Sie in der neuen [1][taz.am | |
| wochenende vom 04./05. Mai 2013]. | |
| 3 May 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johannes Gernert | |
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