# taz.de -- Pro & Contra neues Sorgerecht: Das Recht der Kinder | |
> Das neue Sorgerecht sagt, dass ledige Väter künftig mitreden können, | |
> selbst gegen den Willen der Mütter. Macht's das besser? Ein Pro und | |
> Contra. | |
Bild: Der Klassiker: Papa, Sohn, Ball. Schon fein. | |
PRO: Die neue Regelung ist besser als die alte. Aber sie reicht noch nicht | |
aus. | |
Ja, die neue Sorgerechtsregelung ist ein Schritt nach vorne. Immerhin haben | |
jetzt auch Väter eine Chance, im Leben ihres Nachwuchses eine Rolle zu | |
spielen, wenn sie nicht mit der Kindsmutter verheiratet sind und diese sich | |
sträubt. Vorausgesetzt, es widerspricht nicht dem Wohl der betroffenen | |
Kinder. | |
Aber: Wie kann es dem Wohl eines Kindes widersprechen, dass es beide Eltern | |
hat? Doch nur, wenn Mutter oder Vater (oder beide) kriminell, drogensüchtig | |
oder gemeingefährlich sind – oder sich Derartiges gegenseitig vorwerfen. | |
Die neue Regelung lässt außer Acht, dass es bei den meisten | |
Sorgerechtsstreitereien nicht um das Wohl der Kinder, sondern um die | |
Wünsche der Eltern geht. Wenn die sich nicht einigen können, welche Schule | |
die Tochter oder der Sohn besuchen soll oder welcher Elternteil wann mit | |
dem Kind in Urlaub fährt, dann dürfen Mama und Papa weiterhin vor Gericht | |
ziehen, um ihre jeweiligen Vorstellungen durchzusetzen. | |
Ältere Kinder werden vom Gericht oft nach ihrer Meinung gefragt. Wie weh | |
tut es 13-Jährigen, wenn sie sagen müssen, ob sie zu Mama oder Papa stehen? | |
Wenn sie sich zwischen zwei geliebten Menschen entscheiden müssen? | |
Kinder haben ein Recht auf beide Eltern. Die tragen die Verantwortung für | |
das Wohl ihres Nachwuchses. Menschen, die ihre Elternschaft nicht als | |
gemeinsame Aufgabe begreifen, sollten ihr Kind alleine kriegen. Also besser | |
gar nicht. Gesetzgeber sollten davon ausgehen, dass Kinder Mutter und Vater | |
brauchen – und beide von Anfang an per Sorgerecht in die Pflicht nehmen. | |
RÜDIGER ROSSIG | |
*** | |
CONTRA: Das neue Sorgerecht dient weder der Mutter noch dem Kind. | |
Volles Sorgerecht für ledige Väter, auch gegen den Willen der Mutter. Von | |
Sorgepflicht ist in diesem Gesetz natürlich keine Rede. Hier hat es eine | |
Männerlobby geschafft, das Bild vom treusorgenden Vater zu entwerfen, der | |
von machtgierigen Frauen daran gehindert wird, sich um seine Kinder zu | |
kümmern. | |
Das ist ein Mythos, die Realität sieht anders aus. Ich habe viele Jahre | |
allein unter Frauen auf Spielplätzen, in Wartezimmern bei Kinderärzten und | |
Elternabenden verbracht. Es gab kaum Männer, die unbedingt am Leben ihrer | |
Kinder teilhaben wollten, auch wenn sie nicht daran gehindert wurden. Die | |
meisten Väter aus der Klasse meiner Tochter sah ich bei der Vergabe der | |
Abi-Zeugnisse zum ersten Mal. | |
Ich könnte Schmerzensgeld verlangen für all die Geschichten, die ich mir | |
von Freundinnen anhören musste: über unzuverlässige Väter, die Termine mit | |
den Kindern absagten, weil sie lieber ins Kino gingen, oder den Unterhalt | |
nicht bezahlten, weil ihre zwei Motorräder so teuer waren. | |
Schwerer wiegt: Väter - dazu gehören One-Night-Stands und Kurzaffären, also | |
fremde Männer - können sich jetzt in das Leben einer Frau unter dem Vorwand | |
"gemeinsames Sorgerecht" einmischen. Sie können jeden Arztbesuch des Kindes | |
torpedieren, die Schulwahl mitbestimmen. Nicht mal ein Konto für das Kind | |
kann eine Mutter ohne den Vater eröffnen. Er kann verhindern, dass die | |
Mutter mit dem Kind aus beruflichen Gründen in eine andere Stadt zieht. Ein | |
Gesetz, das dem Vater Rechte gegen den Willen der Mutter zugesteht, die ihr | |
eigenes Leben einschränken, dient wohl kaum dem Kindeswohl. ISABEL LOTT | |
1 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
R. Rossig | |
I. Lott | |
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