# taz.de -- Mehr Rechte für nichteheliche Väter: Kindeswohl wird Nebensache | |
> Der Bundestag will den Zugang zum Sorgerecht für nichteheliche Väter | |
> erleichtern. Die Opposition und sogar CDU-Politiker haben aber Bedenken. | |
Bild: Bei getrennten Eltern sind Familienszenen wohl nicht so friedlich, kritis… | |
BERLIN taz | Und plötzlich landet Norbert Geis, familienpolitischer | |
Hardliner der Union, auf der Seite der Frauen. Denn am Freitag ging es im | |
Bundestag um Eltern. Und da das Kind zur Mutter gehört, jedenfalls nach | |
Norbert Geis’ Auffassung, sieht er die Pläne seiner eigenen Partei | |
kritisch, nichtehelichen Vätern einen erleichterten Zugang zum Sorgerecht | |
zu verschaffen. Der Vater, der laut dem Unions-Gesetzentwurf nur einen | |
entsprechenden Antrag stellen muss, solle doch bitteschön erst mal | |
nachweisen, dass er gut für das Kindeswohl ist, so Geis. Jedes dritte Kind | |
kommt in Deutschland unehelich zur Welt. | |
Norbert Geis bleibt der Einzige in dieser Debatte, der sich das Kindeswohl | |
bei streitenden Eltern nicht so positiv vorstellt. Alle anderen | |
ParlamentarierInnen sehen sich beauftragt vom Europäischen Gerichtshof für | |
Menschenrechte und vom Bundesverfassungsgericht, die beide nach Klage von | |
Väterrechtlern entschieden hatten, dass die Mutter eines nichtehelichen | |
Kindes nicht mehr wie bisher allein darüber entscheiden darf, ob der Vater | |
mitsorgt oder nicht. | |
Deshalb sieht der gestern in erster Lesung beratene Gesetzentwurf vor, dass | |
der Vater in Zukunft einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen darf. Die | |
Mutter kann diesen nur dann ablehnen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet | |
ist, das ist eine „negative Kindeswohlprüfung“. Sie kann also etwa nicht | |
wie bisher angeben, dass unüberwindliche Kommunikationsschwierigkeiten die | |
gemeinsame Sorge unmöglich mache. | |
Norbert Geis gruselt sich bei dem Gedanken: „Wenn die Mutter sich wehrt, | |
dann ist das Wohl des Kindes natürlich mitbetroffen“, gibt er zu bedenken. | |
Nach seiner Vorstellung soll der Vater das Sorgerecht nur bekommen, wenn | |
dies dem Wohl des Kindes ausdrücklich förderlich ist, das wäre die | |
„positive Kindeswohlprüfung“. | |
Alle anderen ParlamentarierInnen sehen eher das Prozedere der Neuregelung | |
kritisch. Burkhard Lischka von der SPD bemängelt, dass nach einem | |
Widerspruch der Mutter das Familiengericht nur aufgrund der Akten | |
entscheiden soll, ohne Anhörung. „Über das Kindeswohl entscheidet man nicht | |
nach Aktenlage“, moniert er. Diese Ansicht vertritt auch ein breites | |
Bündnis vom Juristinnenbund bis zum Familienbund der Katholiken, das eine | |
Onlinepetition gestartet hat. „Gerichtliche Entscheidungen über das | |
Sorgerecht dürfen nicht auf der Grundlage von Vermutungen getroffen | |
werden“, heißt es dort. | |
## „Widerspricht allen Erkenntnissen“ | |
Grundlegend kritisiert hat den Entwurf der Verband alleinerziehender Mütter | |
und Väter (VAMV). Wenn die Sorgerechtsfrage strittig sei, dann liege ein | |
Elternkonflikt vor. „Die Annahme, dass ausgerechnet für Kinder aus diesen | |
problematischen Elternkonstellationen die gemeinsame Sorge die geeignetste | |
rechtliche Sorgeform ist, widerspricht allen wissenschaftlichen | |
Erkenntnissen“, so der Verband in einer Stellungnahme. | |
Die Vermutung, dass hier eine gemeinsame Sorge dem Kindeswohl dienlich sei, | |
bis die Mutter das Gegenteil beweise, sei „ideologisch motiviert“. „Die | |
Grundannahme, dass die Zuteilung von Rechten ein verantwortliches Verhalten | |
auslöst, kann der VAMV aufgrund der Erfahrung vieler Alleinerziehender | |
nicht teilen.“ Der Verband spricht von einer „Wunschvorstellung“. Eine | |
theoretische Annahme des Kindeswohls ohne Einzelfallprüfung verstoße gegen | |
die UN-Kinderrechtskonvention. | |
Der Verband meint, dass diese Formulierung über das Ziel hinausschieße, das | |
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Verfassungsgericht | |
vorgaben. Beide hätten Formulierungen gewählt, die sich ebenfalls auf das | |
positive Kindeswohl beziehen. Das Sorgerecht gibt dem Vater vor allem | |
Möglichkeiten, bei Themen wie der Arzt- und Schulwahl, Klassenfahrten und | |
einem möglichen Umzug von Mutter und Kind jeweils ein Veto einzulegen. Ende | |
November wird der Rechtsausschuss eine Anhörung zum Thema ausrichten. | |
26 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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