# taz.de -- Ehe und Scheidung: Trennt euch endlich! | |
> Aggressiv, sozial inkompetent, unglücklich: Sind Scheidungskinder | |
> wirklich so schlecht dran? Und ist Trennung nicht manchmal ein Segen? | |
Bild: Geht mit der Scheidung die Familie in die Brüche? | |
Ehe gescheitert: Pamela Anderson ist wieder solo | |
Heidi Klum und Seal– dieser Traum ist geplatzt! | |
Wladimir Putin – Scheidung eiskalt! | |
Nicht nur die Klatschpresse signalisiert gern: Trennungen sind bitter. Wenn | |
sich zwei Menschen nicht mehr lieben, folgen Hass, Gewalt, es platzen | |
rosarote Seifenblasen. „Die Armen Kinder“, heißt es dann von Bekannten, | |
denn Scheidung gilt als Unglück. Zwei Menschen sind gescheitert. Und damit | |
die ganze Familie. Zerrüttet, kaputt. Schlimm. | |
Noch im Mai war im Zeit Magazin gar von einem [1][„Scheidungsgen]“ zu | |
lesen, „das sich von Generation zu Generation vererbt“. Scheidung ist | |
vererbbar, will auch der Berner Soziologe Andreas Diekmann bewiesen haben. | |
In seiner [2][Studie zur sozialen Vererbung des Scheidungsrisikos] von 1995 | |
sagt er, Kinder, die die Scheidung der Eltern erlebt haben, hätten später | |
selbst ein größeres Scheidungsrisiko. | |
Schlagzeilen verkünden Scheidungsdramen und Schlammschlachten, die | |
Trennungsmeldungen sind Schocker unter den Nachrichten. | |
Dass Trennung eine Katastrophe ist, von Gott nicht gewollt, propagiert | |
nicht nur der Boulevardredakteur, sondern auch die katholische Kirche. | |
Liebe sei doch Gottgegeben. Jesus sagt schließlich in [3][Matthäus 19,6]: | |
„Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Die Ehe | |
ist hier unauflöslich. | |
Alles gar kein so großes Drama, sagt dagegen der Scheidungsforscher Ulrich | |
Schmidt-Denter in der Titelgeschichte der [4][taz.am wochenende vom 12./13. | |
Juli 2014]. Scheidungen seien für Kinder kein Weltuntergang. „Mittlerweile | |
finden wir bei den Scheidungskindern keine große Belastung mehr deswegen.“ | |
Kinder mit geschiedenen Eltern werden schneller reif und selbstständig, | |
können sogar besser kommunizieren und haben langfristig auch keine | |
Schulprobleme, sagt der Familienpsychologe. | |
"Mut zur Trennung", fordert die Autorin Jutta Martha Beiner in ihrem Buch. | |
Kinder, so lautet ihr Plädoyer, brauchen Aufrichtigkeit. | |
## Alles ganz normal? | |
Von allen im Jahr 2012 geschlossenen Ehen werden auf eine Zeit von 25 | |
Jahren 37 Prozent statistisch wieder getrennt. 2001 waren geschiedene | |
Partner im Durchschnitt nur knapp 13 Jahre verheiratet. Also alles ganz | |
normal? | |
Schon die Gesetzessammlung des babylonischen Königs, Codex Hammurapi, | |
enthielt Scheidungsbestimmungen. Datiert wird sie auf 1760 vor Christus. | |
Die Frau konnte das Haus verlassen, wenn der Mann lasterhaft lebte. Ein | |
Prozess urteilte über die Scheidung. Bekam die Frau recht, nahm sie ihre | |
Mitgift und zog zum Vater zurück. Für Männer war es leichter: Er konnte sie | |
einfach verstoßen. | |
Dass es Streit in einer Beziehung gibt, Gründe, sich zu trennen, sieht | |
sogar die katholische Kirche ein. Wenn ein Ehepartner der Trunksucht | |
verfällt oder fremdgeht, stimmt die Kirche der „Trennung von Tisch und Bett | |
zu“. Ehepartner dürfen getrennt wohnen. Aber vor Gott bleiben sie | |
verbunden. | |
## Statistisch berechnete Scheidungen | |
Im Juni wurde bekannt, dass Kreditkartenunternehmen die Zukunft von | |
Beziehungen prognostizieren. Seriöse Geschäftemacher rechnen mit | |
Scheidungen als alltäglichem Ereignis, hat Ian Ayres, Rechtsprofessor in | |
Yale, herausgefunden. Firmen sagen Scheidungen voraus. Sie wollen sicher | |
sein, dass Kunden ihre Schulden begleichen können. Scheidung ist Teil der | |
Risikokalkulation. Auch weil sie so absehbar ist. | |
So sehr Trennungen, Neuanfänge, Patchwork-Familien und unterschiedlichste | |
Familienmodelle mittlerweile für viele zum Alltag gehören, so sehr | |
betrachten manche Scheidung immer noch als das ultimative Scheitern. Lag | |
nicht alle Hoffnung der Welt auf dieser Beziehung? Und was wird bloß aus | |
den Kindern? | |
Für manche brechen die Beziehungskriege nach der Trennung erst so richtig | |
aus - auch im übertragenen Sinne. Der Geschlechterforscher Gerhard Amendt | |
stellte 2004 fest, die Scheidung werde zu einem Austragungsort der Frage, | |
[5][ob Frauen oder Männer die besseren Menschen sind.] | |
Erziehungswissenschaftlerin Elisabeth Schlemmer argumentierte, dass Kinder | |
von Alleinerziehenden und aus Stieffamilien beim Schulerfolg benachteiligt | |
sind – verglichen mit Kindern aus Familien, in denen das Kind bei beiden | |
leiblichen Eltern lebt. | |
Muss man bei Trennungen also auf die Kinder Rücksicht nehmen? Warten, bis | |
sie 18 sind? Bis sie ausziehen? Oder ist das alles übervorsichtiger Unfug? | |
Sollten viel mehr Menschen den Mut haben, einfach Schluss zu machen? Macht | |
eine Scheidung am Ende vielleicht viel glücklicher? | |
Diskutieren Sie mit! | |
Die Titelgeschichte „Scheidungskinder werden früher selbstständig“ lesen | |
Sie in der taz.am wochenende vom 12./13. Juli 2014. | |
11 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2014/18/scheidungskinder-risiko-trennung | |
[2] http://zfs-online.ub.uni-bielefeld.de/index.php/zfs/article/view/2892/2429 | |
[3] http://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/matthaeus/19/#6 | |
[4] /Ausgabe-vom-12/13-Juli-2014/!142119/ | |
[5] http://www.bpb.de/apuz/28350/vaeterlichkeit-scheidung-und-geschlechterkampf… | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
## TAGS | |
Scheidung | |
Kinder | |
Trennung | |
Feminismus | |
Unterhalt | |
Trennung | |
Scheidung | |
Ehe | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Offener Brief an Regensburger Bischof: Ostfrauen und andere Emanzen | |
Rudolf Voderholzer weiß: Der Feminismus ist verantwortlich für hohe | |
Scheidungsraten. Doch hat er viele Schuldiginnen einfach übersehen. | |
Kommentar Unterhaltsrecht: Teilzeit-Vater, Vollzeit-Zahler | |
Wenn es mit der Familie schiefgeht, greift das deutsche Unterhaltsrecht. | |
Doch das benachteiligt Väter, die sich aktiv um ihre Kinder kümmern. | |
Sorgerecht und Unterhalt nach Trennung: Erzeuger und Geldmaschine | |
Wer seine Kinder nach einer Trennung weniger als zur Hälfte betreut, muss | |
den gesamten Unterhalt zahlen. Oft ist das der Vater. | |
Die Wahrheit: Ex in spe gegen Ex in spe | |
Geglückte Trennungen sind ein gesellschaftliches Ereignis. Wie die hohe | |
Zeit der feierlichen Scheidungen richtig begangen wird. | |
Reform in der katholischen Kirche: „Sünder“ doch nicht in die Hölle | |
Die Erzdiözese Freiburg will Geschiedene nicht länger von Kirchenämtern | |
ausschließen. Aber ist das schon modern? |