# taz.de -- Unis und „Deutschlandstipendium“: Die da bitte! | |
> Laut Gesetz dürfen Firmen die Auswahl der Empfänger des | |
> „Deutschlandstipendiums“ nicht beeinflussen. Die Realität sieht anders | |
> aus. | |
Bild: Stipendiaten anwesend: RWTH Aachen. | |
BERLIN taz | Der Anwalt hatte klare Vorstellungen. Die 150 Euro, die er der | |
Freien Universität Berlin pro Monat zur Förderung begabter Studierender | |
gab, sollten bitte an eine Frau gehen, Studentin der Rechtswissenschaften. | |
Zudem wollte er sie persönlich kennenlernen. Die Uni fand rasch eine | |
Kandidatin zu seiner Zufriedenheit. Und das Bundesministerium für Bildung | |
und Forschung gab 150 Euro aus Steuergeldern dazu. Ein guter Deal? | |
[1][Das sogenannte Deutschlandstipendium] ist das Prestigeprojekt der | |
ehemaligen Bildungsministerin Annette Schavan. Das Prinzip: Die Unis werben | |
bei privaten Mittelgebern Geld ein, um Studierende zu fördern, die sie für | |
besonders begabt halten. Haben sie Erfolg mit der Akquise, legt der Staat | |
denselben Betrag drauf. 300 Euro im Monat beträgt ein | |
Deutschlandstipendium, unabhängig von Bedürftigkeit und Einkommen der | |
Eltern. | |
Die Geldgeber können zum Teil erheblichen Einfluss auf die Auswahl der | |
Stipendiaten nehmen, nicht nur in Berlin. Dabei sollte eigentlich genau das | |
ausgeschlossen sein: Die Auswahlverfahren, heißt es im Gesetz, müssen so | |
gestaltet werden, dass „eine Einflussnahme der privaten Mittelgeber auf die | |
Auswahl der zu fördernden Studierenden ausgeschlossen ist“. Die Förderer | |
dürften nur beraten, allenfalls eine Fachrichtung vorgeben, in die ihr Geld | |
gehen soll. | |
Die Investitionsbank Berlin-Brandenburg etwa will am liebsten potenzielle | |
Gründer fördern, also künftige Kunden. „Da es das Fach Unternehmensgründu… | |
nicht als Studiengang gibt, haben wir gesagt, es wäre schön, wenn es dabei | |
Studierende gäbe, die vielleicht mit dem Gedanken spielen“, so ein | |
Sprecher. | |
## Acht Kandidaten auswählen | |
Kontakt zu den Geförderten dürften Hochschulen den Stiftern eigentlich | |
nicht garantieren, obwohl sie damit werben. „Das Stipendium darf weder von | |
einer Gegenleistung für den privaten Mittelgeber noch von einer | |
Arbeitnehmertätigkeit oder einer Absichtserklärung hinsichtlich einer | |
späteren Arbeitnehmertätigkeit abhängig gemacht werden“, fordert das | |
Gesetz. | |
Die TU Dresden hat ihren eigenen Weg gefunden, damit umzugehen. Auf ihrer | |
Website verlangt sie von Studierenden, die sich um ein Stipendium bewerben, | |
„Offenheit und Neugier für die Begegnung“ mit den „Förderern und | |
Stipendiengebern“. | |
Ein besonders starkes Mitspracherecht hat die Wirtschaft offenbar an der | |
Elite-Uni RWTH Aachen. „Die Vorauswahl der Kandidaten übernimmt die RWTH | |
Aachen. Wir können dann wiederum daraus unsere acht Kandidaten auswählen“, | |
erklärt eine Sprecherin der Stadtwerke Aachen. Sie gehe davon aus, dass | |
letztlich alle Kandidaten ein Stipendium erhalten, nur eben bei einem | |
anderen Förderer. Ähnlich beschreibt die AachenMünchener Versicherung ihr | |
Mitwirken bei der Stipendiatenauswahl. | |
## Anonymisierte Profile | |
Die Aachener Uni spielt den Einfluss der Unternehmen herunter. Nach | |
mehrmaliger Nachfrage der taz antwortet die Fundraising-Abteilungsleiterin | |
Angela Poth, die Firmen hätten nur „eine sehr begrenzte Möglichkeit zur | |
Mitbestimmung“ bei der Auswahl der Stipendiaten. Man stelle Förderern mit | |
mehr als zehn Stipendien anonymisierte Profile der Stipendiaten bereit. | |
Die Förderer könnten dann eine „Einschätzung zur Förderungswürdigkeit“ | |
abgeben. Auf der Internetseite der Uni klingt das anders. Dort heißt es: | |
„Auf Wunsch wählen Sie gemeinsam mit uns Ihre Stipendiatinnen oder | |
Stipendiaten aus.“ | |
Auch der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft wirbt in einer | |
Broschüre bei Unternehmen offenherzig für das Deutschlandstipendium: „Sie | |
können Auswahlkriterien definieren, am Auswahlverfahren beratend teilnehmen | |
und die von Ihnen geförderten Stipendiaten von Anfang an begleiten.“ | |
## Ein unmoralisches Angebot | |
In einer verdeckten Anfrage bei mehreren Hochschulen hat die taz getestet, | |
wie weit die Stipendienverantwortlichen den Geldgebern tatsächlich | |
entgegenzukommen bereit sind. Wir gaben uns als Personalberater aus, der | |
mehrere Stipendien stiften wolle, vorausgesetzt, dass eines der Stipendien | |
für eine frühere Praktikantin reserviert werde. Viele lehnten das | |
unmoralische Angebot umgehend ab. | |
Aber längst nicht alle verhielten sich so eindeutig. „Die Studentin, der | |
Sie ein Stipendium vorhalten möchten, sollte sich an erster Stelle auf | |
jeden Fall für ein Stipendium bei uns bewerben“, antwortete die | |
Fundraiserin einer ostdeutschen Fachhochschule. Eine große bayerische | |
Universität verweist zwar darauf, dass die Förderer laut Gesetz keine | |
Stipendien für bestimmte Personen vorhalten dürfen, doch vielleicht sei die | |
Betreffende ja bereits unter den vielen Stipendiaten: „Wenn Sie mir die | |
Namen und Studienfächer der von Ihnen angedachten Studierenden verraten | |
könnten, würde ich dies gerne für Sie im Vorfeld prüfen und mit Ihnen eine | |
Anschlussförderung durch Ihr Haus besprechen.“ | |
Am weitesten kommt eine große Technische Universität dem Angebot entgegen: | |
Sie schickt direkt einen Fördervertrag, in dem wir nur noch den Namen | |
unseres Kandidaten für ein „personengebundenes Stipendium“ eintragen | |
müssen. Im Vertragstext finden sich auch Vorgaben für weitere Stipendien: | |
„Der Stipendiengeber wünscht eine Förderung von vornehmlich weiblichen | |
Studierenden, die neben den hervorragenden Studienleistungen ehrenamtlich | |
besonders engagierte sind, wobei politisches Engagement explizit nicht | |
relevant ist.“ | |
[2][Uni-Leaks der taz.] | |
20 Feb 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.deutschland-stipendium.de/ | |
[2] /Schwerpunkt-Hochschulwatch/!t174/ | |
## AUTOREN | |
A. Maisch | |
B. Kramer | |
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