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# taz.de -- Dritter Roman von Anna Hope: Wie an der Kaffeetafel
> Anna Hopes Roman erzählt von der Freundschaft dreier Frauen, die sich
> lieben und aneinander messen. Das tut ihnen nicht immer gut.
Bild: Der Roman ist wie eine Kaffeetafel von Freundinnen, die etwas zu lang ged…
Kurz bevor ihre Mutter stirbt, erzählt Lissa ihr das erste Mal, dass sie
sich als Kind der Mutter im Weg fühlte. Sie gehen da beide über die Weiden
von Greenham Common, wo Sarah, Lissas Mutter, in den 1980er Jahren, als
Lissa noch ein kleines Mädchen war, zu den Frauen gehörte, die den
Raketenstützpunkt belagerten – ein Meilenstein in der Geschichte der
[1][Friedensbewegung] und des Feminismus.
Sarah erschrickt, dass ihre Tochter Lissa die Selbstständigkeit und
Unabhängigkeit, die Sarah im politischen Kampf aber auch in ihrem Beruf als
Malerin brauchte, als Ablehnung erfahren hat. Mutter und Tochter merken,
was sie sich bisher alles nicht sagen konnten in einer sehr bewegenden
Szene in Anna Hopes Roman „Was wir sind“. Erst spät finden sie zusammen.
Bis dahin aber lastet auf Lissa der Vorwurf Sarahs, die Chancen nicht
genutzt zu haben, die ihnen die [2][Müttergeneration] erkämpft hat. Auch
Lissa ist Künstlerin und Schauspielerin, die mit Ende dreißig mehr denn je
an sich zweifelt. Die Tschechow-Inszenierung, in der sie endlich mit guten
Kollegen auf der Bühne stand, ist abgespielt, der letzte Lover war leider
der Ehemann ihrer besten Freundin, Hannah.
Lissa, Hannah und Cate sind die Protagonistinnen von Anna Hopes drittem
Roman, „Was wir sind“, übersetzt von Eva Bonné. Anna Hope, 1974 in
Manchester geboren, hat selbst Literatur und Schauspiel studiert. Ihr Roman
setzt ein, als die drei jungen Frauen, etwa im Alter der Autorin, als gute
Freundinnen Anfang der Nullerjahre in London leben, noch ein wenig in den
Tag hinein. Die nächsten Kapitel blenden teilweise in die Kindheit zurück,
als Freundschaft und Rivalität ihren Anfang nahmen.
Am Intensivsten aber wird von der Zeit erzählt, als die Frauen Ende Dreißig
sind und ihr Leben sich nicht nach ihren Erwartungen entwickelt hat. Cate
fühlt sich als Mutter überfordert, von nicht ausgepackten Umzugskisten
vorwurfsvoll umstellt, und von ihrem Mann einer übergriffigen
Schwiegermutter ausgeliefert. Hannah, als einzige der drei beruflich
erfolgreich, im Banker- und Charity-Milieu, verliert sich selbst und die
Liebe ihres Mannes über ihren unerfüllten Kinderwunsch. Nicht schwanger zu
werden, wächst sich für sie zur alles überschattenden Tragik aus.
Die drei Freundinnen lieben sich, aber messen sich auch aneinander, was
ihnen meistens nicht gut tut. Die kurzen Erzählabschnitte, meist nah bei
einer der Freundinnen, machen die Lektüre abwechslungsreich, aber
irgendwann ist dieser Kosmos auch ein bisschen eng. Wie bei einer
Kaffeetafel von Freundinnen, die etwas zu lang gedauert hat, bevor eine das
Fenster aufmacht und sieht, da sind auch noch andere.
11 Mar 2020
## LINKS
[1] /Friedensnobelpreistraegerin-zu-Abruestung/!5587287
[2] /Frauenbewegung-in-der-DDR/!5637175
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Roman
Britische Literatur
Autorin
Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2024
Feminismus
Literatur
Schwerpunkt Coronavirus
Charles Bukowski
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