# taz.de -- Zwei neue Kinderbücher: Die Butter ist immer zu weich | |
> Schwungvoll illustriert: „Endlich wieder zelten!“ von Philip Waechter und | |
> „Venedig“ von Miroslav Sasek vertreiben die Zeit bis zu den nächsten | |
> Ferien. | |
Bild: „Endlich wieder Zelten“ (Ausschnitt des Covers). | |
Seit dem letzten Sommer sollte ausreichend Zeit vergangen sein, um die | |
feuchtkalten Nächte auf der viel zu dünnen Matte, die improvisierten | |
Mahlzeiten und die Angriffe der Stechmücken kleingeredet zu haben. Es ist | |
also genau der richtige Moment für „Endlich wieder zelten!“. | |
Denn in dem neuen Bilderbuch von Philip Waechter berichtet der Sohn voll | |
Begeisterung und dadurch mitreißend vom jährlichen Campingurlaub seiner | |
Familie. Am letzten Schultag fliegt der Ranzen in die Ecke und das Auto | |
wird bis unters Dach beladen. Die Sommerferien in Frankreich können | |
beginnen. | |
„Zelten ist für mich das Allergrößte“, findet Tim. Das Schnarchen der | |
Nachbarn genauso wie die vielen Kinder, das Meer, die immer weiche Butter, | |
gemütliche Regentage und Sternschnuppen am Nachthimmel – hier wird es nie | |
langweilig. Während die Eltern auf Philip Waechters Zeichnungen nicht nur | |
beim Zeltaufbau die ein oder andere Campingplatz-Krise erleben, behält der | |
Junge in schwierigen Situationen stets den Überblick und kommentiert sie | |
gelassen. | |
Diese humorvolle Gegenüberstellung der unterschiedlichen Perspektiven | |
erinnert zuweilen an die mit leichten Strich von Jean-Jaques Sempé | |
illustrierten Geschichten vom kleinen Nick, dem französischen Klassiker der | |
Kinderliteratur aus den 1960er Jahren. In Waechters Bilderzählung heute | |
sind die Erwachsenen allerdings weder streng noch cholerisch, sondern stets | |
kooperativ und vorauseilend. Der (selbst)ironische Blick, den der Autor | |
dabei auf die Rolle der Erwachsenen wirft, unterhält zwar vor allem die | |
Eltern unter den Lesern, macht „Endlich wieder zelten!“ aber auch zu einem | |
mehrdimensionalen Familienbuch, das verschiedene Bedürfnisse zu bedienen | |
weiß. | |
## Bilderbücher über Paris | |
Ebenfalls für mehrere Generationen geeignet ist der wieder neu aufgelegte, | |
farbenprächtige Band „Venedig“ von Miroslav Sasek. Der tschechische | |
Architekt und Kinderbuchautor hatte diesen Titel als Teil einer Serie 1961 | |
erstmals veröffentlicht. | |
Sasek, der 1948 die Tschechoslowakei verlassen hatte und danach einige | |
Jahre in München fürs Radio arbeitete, zog später nach Paris. Begeistert | |
von dem Leben dort, entstand 1959 das erste seiner Stadtbilderbücher über | |
die Seine-Metropole. Mit schwungvollen Illustrationen und knappen Texten | |
erzählte er darin von der Geschichte, der Architektur und dem Alltag der | |
Bewohner. Danach erschienen in kurzer Folge weitere seiner heiteren | |
Spaziergänge durch Städte wie London, Rom, New York, Edinburgh und München. | |
Auch von ihnen sind Neuauflagen wieder erhältlich. Venedig aber ist | |
einmalig, kulturell überwältigend und ein großes Museum. | |
Doch Kinder interessiert vermutlich viel mehr der Alltag in der auf Pfählen | |
errichteten Stadt. Wo parken die Autos? Wie wird der Verkehr geregelt. Wie | |
sieht eine Tankstelle dort aus? Gibt es Busse, Taxis und Straßenreinigung? | |
Und was machen die Bewohner bei Hochwasser? | |
## Freundlich blickende Menschen | |
Sasek beantwortet all diese Fragen auf seinen kontrastreichen | |
Illustrationen, die stets von freundlich blickenden Menschen bevölkert | |
sind. Sein Rundgang zeigt aber auch detailreich die vielen historischen | |
Plätze, Kanäle, Kirchen und Paläste Venedigs – den Palazzo Dario, den | |
Ca’d’Oro, die Piazza San Marco und den Dogenpalast. | |
Natürlich ist seit 1961 auch in Venedig die Zeit nicht stehen geblieben. | |
Deshalb haben die Herausgeber der Neuausgabe im Anhang einige aktuelle | |
Informationen als Ergänzung zu den Abbildungen hinzugefügt. | |
Beispielsweise wurde 2008 ein strenges Fütterverbot für Tauben erlassen. So | |
sind die Futterverkäufer der Piazza San Marco, die Miroslav Sasek damals | |
als ein typisches Bild der Stadt festhielt, heute in Venedig verschwunden, | |
und der Glockenturm von Santo Stefano neigt sich durch das fortschreitende | |
Absinken der Fundamente inzwischen bedrohliche zwei Meter zur Seite. | |
19 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
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