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# taz.de -- Zehn Jahre Stuttgart 21: Der Marathonprotest
> Zum 500. Mal findet am Montag eine Demonstration gegen Stuttgart 21
> statt. Im Bürgermeisterwahlkampf könnte das Thema wieder wichtig werden.
Bild: Auch zehn Jahre nach dem Startschuss für den Bau ist der Protest lebendig
Stuttgart taz | Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält den
[1][Konflikt um Stuttgart 21] acht Jahre nach der Volksabstimmung zu dem
Milliardenprojekt für befriedet. Bei der 500. Demonstration gegen das
Bahnprojekt wollen die Gegner des Verkehrsprojekts das Gegenteil zeigen.
Unter dem Motto „Weg mit der Flasche unter den Bahnhöfen“ ruft das
Aktionsbündnis zur 500. Montagsdemo gegen das umstrittene Projekt auf. Am
Abend versammeln sich die Kritiker zu Vorträgen zweier renommierter
Verkehrsexperten sogar im Stuttgarter Rathaussaal.
Zehn Jahre nach dem offiziellen Startschuss für den Bau des
Tiefbahnprojekts ist der Protest dagegen immer noch lebendig. Ein Infozelt
am inzwischen entkernten Hauptbahnhof ist seit damals an 3.485 Tagen mit
ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen besetzt gewesen. Und zu den traditionellen
Montagsdemos kommen noch immer Woche für Woche Hunderte Teilnehmer. Jetzt
zum Jubiläum erwartet das Aktionsbündnis 3.000 Demonstranten.
[2][Denn bei den meisten Kritikpunkten haben die Gegner recht behalten.]
Die Gesteinsformationen unter Stuttgart machen den Tunnelbau teuer und
anfällig. Die veranschlagten Kosten für den „teuersten Bahnhof der Welt“
sind seit dem Baubeginn von 4,1 Milliarden auf momentan über 8 Milliarden
gestiegen. Die Streckenführung jenseits der Stadtgrenze ist noch immer
nicht geklärt.
Doch mittlerweile hat der Baufortschritt Fakten geschaffen. Der Betonboden
ist gegossen, und die Kelchstützen, die das Dach des unterirdischen
Durchgangsbahnhofs tragen sollen, stehen auch schon, 50 der geplanten 59
Tunnelkilometer sind inzwischen gebohrt. Auch wenn das Aktionsbündnis noch
immer an seinem Konzept hängt, das den überirdischen Kopfbahnhof erhält,
wird der unterirdische Bahnhof voraussichtlich 2025 ans Bahnnetz
angeschlossen. Selbst Kritiker der ersten Stunde, wie der heutige
Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer, halten das inzwischen für
unumkehrbar.
## Hauptkritik bleibt: zu knappe Kapazitäten
Die Hauptkritik an dem unterirdischen Bahnhof bleibt jedoch bestehen und
wurde von einer Bemerkung des grünen Verkehrsministers Winfried Hermann im
Sommer noch befeuert: die knappen Verkehrskapazitäten wegen der
verringerten Gleiszahl. 8 statt bisher 16 Gleise soll der neue Bahnhof
haben. Zu wenig, vor allem wenn die Bahn ihre Zugkapazitäten tatsächlich
wie angekündigt verdoppeln will. Spätestens dann wäre der Stuttgarter
Bahnhof nach Meinung der Kritiker ein Flaschenhals, der Probleme schafft.
Als Kompromisslösung schwebt Kritikern ein zusätzlicher Kopfbahnhof für den
Nahverkehr vor, der mit mindestens vier Gleisen ausgestattet ist. Sollte
dieser oberirdisch liegen, könnte das Vorbild dafür die New York Central
Station sein. Im Hintergrund laufen offenbar Gespräche mit der Bahn über
diese Kapazitätsfrage, während der scheidende Stuttgarter Oberbürgermeister
Fritz Kuhn kein Interesse an der Umplanung hat, weil er lieber heute als
morgen mit der Planung des neu gewonnenen Stadtviertels mitten im
Stuttgarter Zentrum beginnen würde. Deshalb könnte Stuttgart 21 auch im
heraufziehenden Bürgermeisterwahlkampf eine Rolle spielen.
So bleibt das Bauprojekt für grüne Regierungspolitiker ein heikles Thema.
Verkehrsminister Winfried Hermann, der noch im Sommer der Südwest-Presse
gesagt hatte: „Stuttgart 21 ist die größte Fehlentscheidung der
Eisenbahngeschichte, wir geben einen Haufen Geld aus und versenken einen
Bahnhof und haben dadurch keinen Vorteil“, ist einstweilen wieder auf die
Sprachregelung eingeschwenkt, die geplanten Kapazitäten reichten aus. Ein
Experte seines Hauses musste seinen Auftritt am Montag beim Aktionsbündnis
absagen.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat seinen Frieden mit dem Projekt
gemacht. Kürzlich ließ er sich sogar erstmals zusammen mit Bahn-Vertreter
Ronald Pofalla über die Baustelle führen und bewunderte die „eindrucksvolle
Arbeit der Ingenieure“.
2 Feb 2020
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## AUTOREN
Benno Stieber
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