Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Winter in Transnistrien: Selbst ohne Gas vertrauen sie auf Putin
> Suppenküchen im Freien und geschlossene Schulen: In der
> Oligarchenrepublik Transnistrien herrscht Energienotstand, weil Russland
> das Gas abgedreht hat.
Bild: Ohne Gas, ohne Strom: Es bleibt kalt in den Häusern Transnistriens
Mein Onkel kocht jetzt über offenem Feuer, draußen, vor dem Haus, erzählte
mir meine Mutter vor einigen Tagen am Telefon. Ganz Transnistrien friert,
es herrscht Notstand: Die Heizungen bleiben kalt, es gibt kein Warmwasser,
Strom wird rationiert, die Industrie steht still, Schulen sind geschlossen.
Transnistrien, eine Oligarchenrepublik unter dem Einfluss Russlands,
gelegen in der Republik Moldau, [1][bekommt seit dem 1. Januar kein Gas
mehr aus Russland]. Die Ukraine hatte einen Vertrag mit dem russischen
Unternehmen Gazprom auslaufen lassen. Die Pipelines, über die Transnistrien
und Moldau jahrzehntelang via Ukraine mit russischem Gas versorgt worden
waren, bleiben leer.
Die wenigen Menschen, die noch nicht aus der abtrünnigen Separatistenregion
Richtung Russland oder EU abgehauen sind, rücken zusammen: In den Wohnungen
tragen Familien Winterjacken, auf den Straßen werden Suppenküchen
aufgebaut, meine Verwandten bewohnen nun zusammen den Hof meiner
verstorbenen Großmutter und kochen eben im Freien.
In Russland, im Osten, ist es halt schlimm. So dachten viele Menschen im
Westen schon lange vor dem 24. Februar 2022, dem Beginn des russischen
Angriffskriegs. Der russische Herrscher Wladimir Putin ist eben autoritär,
er unterdrückt, erobert. Das nahm der Westen so hin. Fast unbemerkt weitete
Putin zur selben Zeit seinen Einflussbereich nach innen und außen immer
weiter aus. Schritt für Schritt wurde es so schlimmer. [2][Lena Gorelik
formulierte das so ähnlich kürzlich in einem Text in der Süddeutschen
Zeitung].
Überquert man den Fluss Dnjestr, der die Republik Moldau und Transnistrien
voneinander trennt, ist es, wie in eine andere Welt einzutauchen. Wer nicht
auf Regimelinie, wer nicht russlandfreundlich eingestellt ist, traut sich
kaum noch, öffentlich seine Meinung zu sagen. Die ungefilterten Gedanken
erzählt man sich in der eigenen Küche, so kennen es die Menschen schon aus
Sowjetzeiten. In Moldau hingegen können die Menschen frei sprechen. Und
trotzdem sind auch dort kremltreue Einstellungen weit verbreitet, viele
hängen bis heute einer Sowjetnostalgie an. Prorussische Kräfte im Land
bedrohen die Demokratie. Wie stark, zeigte die Präsidentschaftswahl 2024,
die die proeuropäische Kandidatin Maia Sandu nur durch Stimmen
Hunderttausender Moldauer aus dem Ausland gewinnen konnte.
[3][In einem Interview mit der kremltreuen Komsomolskaja Prawda] träumte
Putins Berater Nikolai Patruschew gerade erst von dem Ende der Ukraine:
„Nicht ausgeschlossen, dass die Ukraine im neuen Jahr ganz aufhört zu
existieren“, sagte er. Beide Länder, die Ukraine und Moldau, seien durch
antirussische Politik in die Krise geraten. Über Moldau fantasierte
Patruschew: „Ich schließe nicht aus, dass Chisinaus aggressive
antirussische Politik dazu führen wird, dass Moldawien entweder Teil eines
anderen Staates wird oder ganz aufhört zu existieren.“
Ohne Strom, frieren im Winter, das kennen die Menschen in der Ukraine.
Russland greift seit seiner Invasion die Infrastruktur des Landes an. Mit
Stromausfällen sollen die Menschen mürbe gemacht, zum Aufgeben gezwungen
werden.
Moldau hat rechtzeitig auf Energieimporte aus Rumänien umgestellt. Auch für
Transnistrien gäbe es diese Möglichkeit. Aber Russland verzichtet darauf,
zu helfen, lässt die Menschen im Stich. Die haben aber bis heute nicht
verstanden, dass sie Russland egal sind. Ein weiteres Mal hat Putin
bewiesen, dass es ihm nicht um „den Schutz der russischen Bevölkerung“
geht, wie oft behauptet. Für ihn sind die Menschen Spielbälle, die er
kalkuliert einsetzt, um seinen imperialen Wahn auszuleben.
Im Sommer sollen in Moldau Parlamentswahlen stattfinden – die nächste
Bewährungsprobe für die Region.
22 Jan 2025
## LINKS
[1] /Russische-Gaslieferungen-nach-Europa/!6056722
[2] https://www.sueddeutsche.de/meinung/russlands-diktator-putin-freiheit-buerg…
[3] https://www.kp.ru/daily/27651/5036217/
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
Wladimir Putin
Kolumne Grauzone
Winter
Social-Auswahl
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Grauzone
Kolumne Grauzone
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Edgy sein“ im Wahlkampf: Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Wer gerade ein neues 1933 heraufziehen sieht, verharmlost den
Nationalsozialismus. Demonstrieren gegen rechts ist trotzdem richtig.
Die Zukunft der Ukraine: Neujahr mit Luftalarm
Die Ukraine wird weiter von Russland angegriffen. Hat Europa verstanden,
dass es auch attackiert wird? „Kriegstreiber“-Rufe deuten auf das
Gegenteil.
Ein Jahr der Rückschritte: Chanukkas Lichter und der Glaube an den Menschen
Oft hat unsere Kolumnistin Groll empfunden in diesem Jahr. Manches, über
das sie sich früher erregte, trifft sie aber nicht mehr so hart wie
gewohnt.
Antisemitismus von links: Boykotte und Attacken aus der eigenen Szene
Bis heute behaupten manche, israelsolidarische Linke gebe es nur in
Deutschland. Dass das nicht stimmt, zeigt ein Blick nach Polen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.