| # taz.de -- Werkserweiterung im Moor: Daimler will Sumpf trockenlegen | |
| > Mercedes will sein Hamburger Werk vergrößern. Um Komponenten für E-Autos | |
| > herstellen zu können, soll eine Kohlenstoffsenke bebaut werden. | |
| Bild: Autos können töten: verendeter Vogel in einem Mercedes-Kühlergrill | |
| Hamburg taz | Das Hamburger Mercedes-Benz-Werk braucht Platz und will sich | |
| deshalb in ein benachbartes Niedermoor ausdehnen. Zerstört würden dabei | |
| eine Kohlenstoffsenke, ein Landschaftsschutzgebiet und eine Reihe | |
| wertvoller Biotope. Dass in dem Werk auch „Antriebskomponenten der | |
| Elektromobilität“ hergestellt werden, rechtfertigt das Projekt aus Sicht | |
| des Umweltverbandes BUND nicht. Die rot-grüne Koalition im Bezirk | |
| Hamburg-Harburg versucht, den Umweltschaden mit Auflagen zu begrenzen, wenn | |
| nicht gar [1][auszugleichen]. | |
| Das Werk an der A7 im Süden Hamburgs wird seit 1978 von Daimler betrieben. | |
| „In jedem Mercedes-Benz-Pkw wird mindestens ein Produkt aus dem Hamburger | |
| Werk verbaut“, heißt es auf der [2][Unternehmens-Website]. Die | |
| Aufgabenpalette reicht von Achsen bis zur Abgastechnologie. Um das Werk | |
| auch in letzter Minuten mit Produktionsmaterial versorgen zu können, soll | |
| es jetzt um ein Logistikzentrum direkt am Werk erweitert werden. Das | |
| betreffende Gelände liegt zwischen Auto- und Hafenbahn, die ein Gleis für | |
| das Werk abzweigen soll. | |
| Die Bezirksversammlung Harburg hat Ende vergangenen Jahres mit rot-grüner | |
| Mehrheit beschlossen, einen entsprechenden Bebauungsplan aufstellen zu | |
| lassen. In der dazu gehörenden Vorlage werden die Folgen nüchtern | |
| beschrieben: „Die sehr wertvollen und umfangreichen Vorkommen besonders und | |
| streng geschützter Tier- und Pflanzenarten und der gesetzlich geschützten | |
| Biotoptypen, die wertvollen Niedermoorböden, die orts- und | |
| landschaftsbildprägenden Entwässerungsgräben und die großflächigen Baum- | |
| und Gehölzbestände im Plangebiet werden vollständig zerstört.“ | |
| Der BUND weist darauf hin, dass das betroffene rund 20 Hektar große Gebiet | |
| fast ausschließlich aus Sümpfen und Sumpfwäldern und damit geschützten | |
| Biotopen bestehe – und zwar solchen von besonders hohem Wert: acht auf | |
| einer Skala bis neun. Das Moor sei zwei Meter mächtig. Moore binden | |
| organisches Material und damit Kohlendioxid, weshalb sie helfen, das Klima | |
| zu schützen | |
| Hier wachsen gefährdete Pflanzen wie der Schlangenknöterich, die | |
| Waldengelwurz, das Sumpfblutauge und das Borstgras. „Eine | |
| Gewerbeansiedlung, insbesondere eines Automobilkonzerns, auf einer derart | |
| ökologisch wertvollen Fläche halten wir für nicht mehr zeitgemäß“, sagt | |
| Katharina Seegelke vom BUND. | |
| Die Harburger Grünen hätten sich mit der Entscheidung schwer getan, bekennt | |
| deren [3][Fraktionschefin Britta Herrmann]. Sie sähen die Zerstörung des | |
| Gebiets zwar prinzipiell kritisch, müssten aber auch ökonomisch und sozial | |
| verantwortbare Entscheidungen treffen. „Das ist das Dilemma, in dem sich | |
| die [4][Großstadtpolitik] befindet“, sagt Herrmann. In dem Werk arbeiten | |
| Daimler zufolge 2.500 Menschen. | |
| Herrmann weist auf eine [5][Erklärung] zu dem Bebauungsplanverfahren, in | |
| dem SPD und Grüne einen städtebaulichen Vertrag fordern. Dieser soll | |
| sicherstellen, dass das Gelände ausschließlich für die Daimler-Logistik | |
| genutzt wird. Falls Daimler das Logistikzentrum aufgeben sollte, | |
| entscheidet die Bezirksversammlung über die weitere Verwendung des Areals | |
| mit. | |
| Das Werk muss klimaneutral erweitert werden. Dach und Fassade müssen | |
| begrünt, Photovoltaikanlagen aufgebaut werden. Überdies soll der | |
| Güterverkehr umweltverträglicher als heute abgewickelt werden. Möglich | |
| macht dies der Anschluss an die Hafenbahn. An den Senat appellieren die | |
| Bezirkspolitiker, er möge eine S-Bahnstation in Werksnähe errichten. | |
| Als schwierig dürfte sich der Naturausgleich für das Projekt erweisen. Den | |
| Flächenbedarf hierfür schätzen die Koalitionspartner auf 55 Hektar. Ihr | |
| Wunsch ist es, den Verlust im Bezirk auszugleichen, wobei schon der ganze | |
| Stadtstaat Hamburg Mühe hat, Platz für Ausgleichsprojekte auf seinem | |
| eigenen Territorium zu finden. SPD und Grüne schlagen vor, Moorgebiete im | |
| Osten des Bezirks zu wässern. Dabei erwarten sie von Daimler, dass er | |
| private Grundstücke für den Ausgleich hinzukauft. | |
| Mit Blick auf den Naturausgleich ist der BUND skeptisch. Schon die | |
| Werkserweiterung 2010 sei im Osten Harburgs ausgeglichen worden. Eine | |
| Biotopkaratierung von 2015 kommt zu dem Schluss: „Die Vegetation ist weit | |
| von der Entwicklung niedermoortypischer Bestände entfernt“. | |
| Die Hamburger Umweltbehörde verspricht, „dafür Sorge zu tragen, dass der | |
| Ausgleich direkt im Bezirk stattfindet“ und die Frage der CO2-Speicherung | |
| im Boden zufriedenstellend beantwortet werde. | |
| 7 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Handel-mit-Ausgleichsflaechen/!5046335 | |
| [2] https://www.daimler.com/karriere/ueber-uns/standorte/standort-detailseite-5… | |
| [3] https://gruene-harburg.de/bezirksfraktion/britta-herrmann/ | |
| [4] /Bezirksversammlung-fuer-Naturschutz/!5585130 | |
| [5] https://sitzungsdienst-harburg.hamburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1006926 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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