# taz.de -- Weltwirtschaftsforum in Davos: Zwei Klimaextreme | |
> Das Weltwirtschaftsforum 2020 steht im Zeichen des Klimas. Auch dank | |
> Greta Thunberg. US-Präsident Donald Trump ist das egal. | |
Bild: Ok, Boomer: Klimaaktivistin Thunberg während der Rede von US-Präsident … | |
Dienstagmorgen, 8 Uhr 30, Das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos hat | |
gerade begonnen, da ist Greta Thunberg schon auf der Bühne. Der | |
Chefredakteur des US-Magazins Time spricht die Klimaaktivistin und | |
Erfinderin der Fridays-for-Future-Bewegung als erste an. Ja, sagt | |
Thunberg, im vergangenen Jahr habe sie viel Aufmerksamkeit bekommen. | |
Tatsächliche Fortschritte gebe es aber trotzdem nicht. „Die | |
[1][Kohlendioxid-Emissionen steigen] weiter.“ | |
Thunberg macht nicht viele Worte, spricht leise und zurückhaltend. Dann | |
lässt sie den anderen jungen Umweltaktivist*innen auf dem Podium den | |
Vortritt. Am Vortag hat sie eine Pressekonferenz in Davos wegen Fiebers | |
abgesagt. Sie sieht blass und abgekämpft aus in ihrer grauen Jogginghose | |
und dem rosa Hoody, vielleicht wäre sie lieber im Bett geblieben. | |
In diesem fensterlosen Saal des Kongresszentrums findet am ersten Tag | |
traditionell diejenige Veranstaltung statt, die den Ton des gesamten Forums | |
setzt. Diesmal wurden nicht irgendwelche Konzernvorstände hier platziert, | |
sondern die 17-jährige Schülerin aus Schweden. | |
Klaus Schwab, Chef des Weltwirtschaftsforums (WEF), scheint zu wissen, was | |
die Stunde geschlagen hat. Kameras schwenken an Kränen über die Köpfe des | |
Auditoriums. Die gut 300 Plätze sind komplett besetzt. | |
## Zwei mögliche Entwicklungsrichtungen | |
Einige Stunden nach Thunberg soll auch US-Präsident Donald Trump in Davos | |
auftreten. Als Regierungschef des mächtigsten Staates der Erde wird er den | |
größten Saal bekommen, der vielleicht 1.500 Leute fasst. Diese beiden | |
Auftritte bilden den Kern [2][des diesjährigen WEF]. | |
Die beiden Personen sind Antipoden, sie stehen für Entwicklungsrichtungen, | |
die die Politik in den kommenden Jahren nehmen kann. | |
Trump demontiert die Globalisierung der vergangenen 40 Jahre. [3][Dabei | |
drohen auch Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) zu Bruch zu | |
gehen], die für Kooperation zwischen den Staaten sorgte. Thunberg und ihre | |
Leute setzen dagegen auf verstärkte Zusammenarbeit zwischen Regierungen, | |
Unternehmen und Initiativen verschiedener Länder. | |
Während Trump außerdem die Erwärmung der Erdatmosphäre ignoriert, fordert | |
Thunberg, das fossile Wirtschaftsmodell innerhalb weniger Jahre zu beenden. | |
Fossiler Nationalismus steht gegen nachhaltigen Internationalismus. | |
## Smalltalk ist nichts für Greta | |
Auf dem Podium will der Time-Journalist nun von Thunberg wissen, wie sie | |
mit Trollen im Internet umgehe. | |
Sie schaut irritiert, holt einen Zettel aus der Hosentasche, sagt, sie | |
möchte jetzt mal zum Punkt kommen, und liest vor: „Im [4][Bericht des | |
Panels der Vereinten Nationen zum Klimawandel von 2018], Kapitel 2, Seite | |
108, steht, wenn man eine 67-prozentige Chance haben will, den | |
Temperaturanstieg unter 1,5 Grad zu halten, dürfen weltweit nur noch 420 | |
Gigatonnen Kohlendioxid ausgestoßen werden.“ | |
Dieses Budget sei 2026 aufgebraucht. | |
Greta Thunberg hat keine Zeit zu verlieren. Smalltalk macht sie ungeduldig. | |
Ihr geht es darum, die Botschaft rüberzubringen. „Wir verlangen“, schrieb | |
sie kürzlich, dass alle Teilnehmer des WEF „unverzüglich und vollständig“ | |
ihre Investitionen in fossile Brennstoffe beenden. Diese eindeutige | |
Forderung richtet sich hier in Davos in erster Linie an die Unternehmen. | |
## Deutsche Konzerne verstoßen gegen Klimaabkommen | |
Dabei beziehen sich die Klima-Aktivist*innen unter anderem auf die | |
[5][Studie „Was, wenn“] der in Frankfurt am Main beheimateten | |
Beratungsfirma Right. Die untersuchte kürzlich die Klimapolitik großer | |
deutscher Konzerne, die das WEF als sogenannte strategische Partner | |
unterstützen. | |
Frage: Um wie viel Grad würde sich die Erdatmosphäre bis 2050 erwärmen, | |
wenn sich alle Unternehmen so verhielten wie etwa die Deutsche Bank, | |
Siemens oder Volkswagen? Im Falle der Deutschen Bank errechnete Right 2,8 | |
Grad Erwärmung, bei Siemens 4,3 Grad und bei Volkswagen 3,3 Grad. | |
Diese Firmen verstießen damit gegen das Pariser Klimaabkommen, so Right. | |
Auf Anfrage zogen die Deutsche Bank und Siemens die Berechnungen von Right | |
nicht in Zweifel, wiesen aber auf eigene Anstrengungen hin, ihren | |
CO2-Ausstoß zu verringern. VW antwortete, „Ziel sei die vollständige | |
Dekarbonisierung des Konzerns bis 2050“. | |
Nach ihrer Veranstaltung kommt Thunberg zunächst nicht vom Fleck. | |
Mikrofone, Gedrängel. Aber sie hat noch ein paar andere Termine, zum | |
Beispiel muss sie gleich Oliver Bäte, den Chef der Allianz-Versicherung, | |
treffen. Zwischendurch ist aber erst mal der US-Präsident dran. Die | |
Schlangen der Anstehenden verlagern sich vor die Türen der großen Halle. | |
## Trump lobt Trump | |
11 Uhr 50: In blauem Anzug und rotem Schlips betritt Donald Trump die | |
Bühne. Nach kurzer Einleitung durch Schwab, beginnt er seine halbstündige | |
Rede von den beiden Telepromptern rechts und links des Redepults abzulesen. | |
Es ist eine Lobeshymne auf die eigene Politik, den guten Zustand der | |
US-Ökonomie und eine glorreiche Zukunft. Seine Regierung habe 7 Millionen | |
neue Jobs geschaffen und die Arbeitslosigkeit auf 3,5 Prozent gesenkt – „so | |
niedrig wie in keiner anderen Präsidentschaft“. Trump: „Wir haben 10 | |
Millionen Leute aus der Sozialhilfe herausgeholt.“ 12.000 neue Fabriken | |
seien während seiner Amtszeit entstanden. | |
Der Wirtschaftsaufschwung sei ein „inklusiver“, er komme den Arbeitern, | |
ihren Familien, der Mittelklasse, den Frauen, afroamerikanischen und | |
hispanischen Bürger*innen der USA zugute. | |
Ausgelöst habe er all das, sagt Trump, durch Steuersenkungen, die | |
Abschaffung hinderlicher Gesetze, durch Sanktionsdrohungen und Strafzölle | |
gegen Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Dadurch hätte seine Regierung neue, | |
für die USA vorteilhafte Handelsabkommen mit China, Mexiko und Kanada | |
durchgesetzt. Der Präsident empfiehlt der Welt, dem Beispiel der USA zu | |
folgen. | |
## „Er ist der Gegner“ | |
Die Wörter „Erderwärmung“, „Kohlendioxid“ und „Klima“ kommen in T… | |
nicht vor. Stattdessen erklärt er, dank Fracking seien die USA nun der | |
größte Produzent von Erdöl und Erdgas weltweit. Darin liege die Zukunft, | |
wie auch in „sauberer Kohle“. Die Angst der 1990er Jahre, das Erdöl könne | |
mal zu Ende gehen, habe sich zum Glück als falsch erwiesen. Trotzdem | |
könnten sich seine Landsleute über „saubere Luft und sauberes Wasser“ | |
freuen. | |
Immerhin verspricht der US-Präsident, sich an Schwabs Initiative zu | |
beteiligen, weltweit „eine Billion“ neuer Bäume zu pflanzen. Dafür erhält | |
Trump den einzigen Zwischenbeifall. Am Ende seiner Rede klatscht das | |
Auditorium wenige Sekunden. Es sei, sagt Grünen-Co-Chef [6][Robert Habeck | |
dem ZDF] danach entrüstet, „die schlechteste Rede, die ich in meinem Leben | |
gehört habe“ gewesen. Trump habe bewiesen: „Er ist der Gegner. Er steht f�… | |
all die Probleme, die wir haben.“ | |
Trump und Thunberg – das sind zwei Planeten. Der US-Präsident erwähnt die | |
Aktivistin nicht, sie ihn aber ebenso wenig. Ein Gespräch zwischen den | |
Antipoden kommt nicht zustande. Das müssen die Besucherinnen und Besucher | |
des Forums untereinander und mit sich selbst ausmachen. Das | |
Aneinandervorbei der Schlüsselfiguren sagt auch einiges über das | |
Weltwirtschaftsforum. Mitunter wollen die Veranstalter etwas anderes als | |
ihre Gäste. Diese wiederum haben oft kein Interesse an den hehren Zielen, | |
die das WEF formuliert. | |
Beim Klima jedenfalls ist das Forum eindeutig weiter als Trump – und näher | |
bei Thunberg. In einem Brief forderte Schwab alle teilnehmenden Firmenchefs | |
auf, für ihre Unternehmen die Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen auf | |
null bis spätestens 2050 anzupeilen. Der Klimawandel sei ein | |
„Schlüsselthema“ des diesjährigen WEF, so Schwab. In einer Studie | |
bemängelte das Forum, dass nur ein paar Hundert Unternehmen weltweit bisher | |
ihren Klimagasausstoß planmäßig reduzierten. | |
## Nicht naiv, sondern notwendig | |
13 Uhr: Thunberg hält nun eine Rede beim Panel „Die Klima-Apokalypse | |
vermeiden“. Einer der vier Gäste auf dem Podium ist Allianz-Chef Bäte. | |
[7][Thunberg wiederholt ihre Forderung] an die WEF-Unternehmen, sofort alle | |
Investitionen in fossile Energien zu stoppen. Sind wir naiv?, fragt sie | |
dann. „Nein“, antwortet sie selbst, „es ist einfach nötig.“ | |
Bäte hat gerade zusammen mit den Vereinten Nationen und ein paar anderen | |
Großinvestoren die [8][„Netto-Null-Allianz“] gegründet. Bis 2050 wollen d… | |
Unternehmen ihre Kapitalanlagen in Höhe von rund 4 Billionen Euro so | |
umstrukturieren, dass sie keinen Kohlendioxidausstoß mehr verursachen. | |
Damit ist Bäte ganz weit vorne. Er sucht Mitstreiter. Trotzdem ist 2050 | |
nicht sofort. Warum es nicht schneller geht, fragt die Moderatorin. Er | |
müsse auch die Interessen seines Unternehmens berücksichtigen, sagt Bäte. | |
Das kann man so verstehen: Wenn er alles sofort auf den Markt schmeißt, ist | |
der Gewinn weg. | |
21 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Weniger-Emissionen-in-Europa-und-USA/!5641654/ | |
[2] https://www.weforum.org/events/world-economic-forum-annual-meeting-2020 | |
[3] /Oekonom-zur-Welthandelsorganisation/!5649443/ | |
[4] https://www.ipcc.ch/sr15/ | |
[5] https://www.right-basedonscience.de/ | |
[6] https://twitter.com/KEigendorf/status/1219584338599272450 | |
[7] https://www.nytimes.com/2020/01/21/climate/greta-thunberg-davos-transcript.… | |
[8] https://www.allianz.com/de/presse/news/engagement/umwelt/190923_Allianz-Inv… | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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