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# taz.de -- Klima-Streit zwischen USA und EU: Der neue Systemkonflikt
> Jetzt mal im Ernst, liebe EU-Kommission: Will Europa klimaneutral werden,
> gibt es keine andere Option als den Kampf der Ordnungen.
Bild: Erst Handshake, dann Schlagabtausch: von der Leyen und Trump
In den 90er Jahren dachten viele, der Kampf der Systeme sei vorbei und das
Ende der Geschichte erreicht: Die Kombination liberale Demokratie plus
Marktwirtschaft würde sich als eindeutig erfolgreichstes Modell aller
Zeiten bis in alle Zeiten halten.
Der von dem Politikwissenschaftler [1][Francis Fukuyama] prominent
vertretene Gedankengang ist schon unzählige Male als voreiliges
Triumphgeheul verworfen worden – und derzeit fügt Ursula von der Leyen dem
ungewollt ein neues Kapitel hinzu. Realisiert hat die
EU-Kommissionspräsidentin das vermutlich noch nicht.
Ebenso wenig die vielen anderen Staatenlenker*innen in der EU, die sich
erfreulicherweise hinter das Vorhaben stellen, den Kontinent als ersten der
Welt bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Was das bedeutet, davon gibt es
gerade auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos einen Vorgeschmack: einen
Systemkonflikt mit den USA.
Denn die EU muss nichts Geringeres hinbekommen, als die Marktwirtschaft neu
zu erfinden. Und sie durch ein System zu ersetzen, das Umweltkosten (und
optional auch Sozialkosten, auch dazu hat sich die EU bekannt) in alle
Preise für jedes Produkt und jede Dienstleistung integriert.
## Der Schlagabtausch als Auftakt
Viele Wirtschaftswissenschaftler halten dafür einen Weg für den
elegantesten, nämlich einfach den Ausstoß von CO2 allmählich zu
[2][verteuern]. Und schon werden sich, so ihre Vorstellung, automatisch
klimafreundliche Autos, Burger und Ökobaumwollunterhemden am Markt
durchsetzen.
Das ist ein Trugschluss. Niemand hat die globale Vernetzung der Wirtschaft
in die Gleichung mit aufgenommen. Was also passiert, wenn der eine
Wirtschaftsraum seine Steuer- und Abgabenpolitik auf öko umstellt (die EU),
während andere sich verweigern (USA, Brasilien, Australien), Klimapolitik
in einem nicht-marktwirtschaftlichen System betreiben (China) oder öko- und
fossile Technologien aus entwicklungspolitischen Gründen gleichermaßen
forcieren (der Rest vom Fest)?
Der [3][Schlagabtausch] zwischen Donald Trump und Ursula von der Leyen in
[4][Davos] war da nur ein Auftakt des neuen Systemkampfes. Will die EU ihre
Klimaziele einhalten, muss sie diesen Konkurrenzkampf mit allen Mitteln
aufnehmen.
Zwar hat die EU auch bisher schon deutlich mehr für den Klimaschutz getan
als die USA. Aber sie hat die Früchte geerntet, die ohnehin auf Augenhöhe
baumelten: Die immer gleichen Industrieprozesse effizienter machen,
erneuerbare Energien parallel zu den alten, fossilen aufbauen, Gebäude
dämmen.
## Die Klimabilanz jeder einzelnen Schraube kennen
Die Industrien, die mit CO2-intensiven Produkten im globalen Wettbewerb
standen, hat man einfach weitestgehend vom Klimaschutz ausgenommen. Das
wird angesichts der Ziele bis 2050 nicht mehr gehen. Der harte Kern der
EU-Industrie muss gewaltige Risiken aufnehmen, in neue Technologien und
Prozesse investieren – und das alles gegen Konkurrenten aus den USA, die
einfach die alten, schmutzigen, längst finanzierten Anlagen weiterlaufen
lassen können, weil Klimasünden dort nichts kosten.
Die Antwort der EU darauf soll eine CO2-Grenzssteuer werden, wie von der
Leyen in Davos mal wieder vortrug. Die Steuer soll europäische Unternehmen,
die in Klimaschutz investieren, vor Billigimporten aus Ländern schützen,
die es mit dem CO2 nicht so halten wie wir hier. Und gleichzeitig EU-Firmen
bezuschussen, die weniger klimaschädliche und deshalb zunächst teurere
Produkte exportieren wollen.
Aber noch weiß niemand, wie diese Grenzsteuer praktisch funktionieren soll,
weil in einem VW eben Teile aus aller Welt stecken. Die EU muss also die
Klimabilanz jeder einzelnen Schraube kennen.
Vor allem muss das neue ökonomische Grenzregime der EU wirksam sein, und
das heißt: Europa muss seine neue Klimawirtschaft gegen Donald Trump oder
jede andere von Republikaner geführte US-Regierung durchboxen. Nach dem
„Ende der Geschichte“ (Fukuyama) folgt also die nächste Geschichte:
Kapitalismus versus Ökokapitalismus.
23 Jan 2020
## LINKS
[1] /Debatte-Gesellschaftlicher-Fortschritt/!5460730
[2] /Was-das-Klimapaket-im-Alltag-bedeutet/!5629682
[3] /Weltwirtschaftsforum-in-Davos/!5564030
[4] /Weltwirtschaftsforum-in-Davos/!5655778
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
CO2-Emissionen
EU-Kommission
Ursula von der Leyen
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Davos
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Davos
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Klimawandel
Greta Thunberg
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