# taz.de -- Weizsäcker am 8. Mai 1985: „Ein Tag der Befreiung“ | |
> Er fand genau die richtigen Worte. Zum 40. Jahrestag des Endes des | |
> Zweiten Weltkrieges hielt Richard von Weizsäcker seine viel zitierte | |
> Rede. Hier der Wortlaut. | |
Bild: Im Bonner Bundestag: Richard von Weizsäcker verliest seine Worte. | |
Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in | |
Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine | |
eigenen Gefühle. Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und | |
Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue | |
Bündnisse, gewaltige Machtverschiebungen - der 8. Mai 1945 ist ein Datum | |
von entscheidender historischer Bedeutung in Europa. | |
Wir Deutsche begehen den Tag unter uns, und das ist notwendig. Wir müssen | |
die Maßstäbe allein finden. Schonung unserer Gefühle durch uns selbst oder | |
durch andere hilft nicht weiter. Wir brauchen und wir haben die Kraft, der | |
Wahrheit so gut wir es können ins Auge zu sehen, ohne Beschönigung und ohne | |
Einseitigkeit. | |
Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was | |
Menschen erleiden mußten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den | |
Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto freier sind | |
wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellen. | |
Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn | |
bewußt erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz | |
unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde | |
heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele | |
waren einfach nur dafür dankbar, daß Bombennächte und Angst vorüber und sie | |
mit dem Leben davongekommen waren. Andere empfanden Schmerz über die | |
vollständige Niederlage des eigenen Vaterlandes. Verbittert standen | |
Deutsche vor zerrissenen Illusionen, dankbar andere Deutsche vor dem | |
geschenkten neuen Anfang. | |
Es war schwer, sich alsbald klar zu orientieren. Ungewißheit erfüllte das | |
Land. Die militärische Kapitulation war bedingungslos. Unser Schicksal lag | |
in der Hand der Feinde. Die Vergangenheit war furchtbar gewesen, zumal auch | |
für viele dieser Feinde. Würden sie uns nun nicht vielfach entgelten | |
lassen, was wir ihnen angetan hatten? | |
Die meisten Deutschen hatten geglaubt, für die gute Sache des eigenen | |
Landes zu kämpfen und zu leiden. Und nun sollte sich herausstellen: Das | |
alles war nicht nur vergeblich und sinnlos, sondern es hatte den | |
unmenschlichen Zielen einer verbrecherischen Führung gedient. Erschöpfung, | |
Ratlosigkeit und neue Sorgen kennzeichneten die Gefühle der meisten. Würde | |
man noch eigene Angehörige finden? Hatte ein Neuaufbau in diesen Ruinen | |
überhaupt Sinn? | |
Der Blick ging zurück in einen dunklen Abgrund der Vergangenheit und nach | |
vorn in eine ungewisse dunkle Zukunft. | |
Und dennoch wurde von Tag zu Tag klarer, was es heute für uns alle | |
gemeinsam zu sagen gilt: Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns | |
alle befreit von dem menschenverachtenden System der | |
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. | |
Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren Leiden | |
für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten. Aber | |
wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung | |
und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn | |
jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. | |
Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen. | |
Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu | |
beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines | |
Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf | |
eine bessere Zukunft barg. | |
II. | |
Der 8. Mai ist ein Tag der Erinnerung. Erinnern heißt, eines Geschehens so | |
ehrlich und rein zu gedenken, daß es zu einem Teil des eigenen Innern wird. | |
Das stellt große Anforderungen an unsere Wahrhaftigkeit. | |
Wir gedenken heute in Trauer aller Toten des Krieges und der | |
Gewaltherrschaft. | |
Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen Juden, die in deutschen | |
Konzentrationslagern ermordet wurden. | |
Wir gedenken aller Völker, die im Krieg gelitten haben, vor allem der | |
unsäglich vielen Bürger der Sowjetunion und der Polen, die ihr Leben | |
verloren haben. | |
Als Deutsche gedenken wir in Trauer der eigenen Landsleute, die als | |
Soldaten, bei den Fliegerangriffen in der Heimat, in Gefangenschaft und bei | |
der Vertreibung ums Leben gekommen sind. | |
Wir gedenken der ermordeten Sinti und Roma, der getöteten Homosexuellen, | |
der umgebrachten Geisteskranken, der Menschen, die um ihrer religiösen oder | |
politischen Überzeugung willen sterben mußten. | |
Wir gedenken der erschossenen Geiseln. | |
Wir denken an die Opfer des Widerstandes in allen von uns besetzten | |
Staaten. | |
Als Deutsche ehren wir das Andenken der Opfer des deutschen Widerstandes, | |
des bürgerlichen, des militärischen und glaubensbegründeten, des | |
Widerstandes in der Arbeiterschaft und bei Gewerkschaften, des Widerstandes | |
der Kommunisten. | |
Wir gedenken derer, die nicht aktiv Widerstand leisteten, aber eher den Tod | |
hinnahmen, als ihr Gewissen zu beugen. | |
Neben dem unübersehbar großen Heer der Toten erhebt sich ein Gebirge | |
menschlichen Leids, | |
Leid um die Toten, | |
Leid durch Verwundung und Verkrüppelung, | |
Leid durch unmenschliche Zwangssterilisierung, | |
Leid in Bombennächten, | |
Leid durch Flucht und Vertreibung, durch Vergewaltigung und Plünderung, | |
durch Zwangsarbeit, durch Unrecht und Folter, durch Hunger und Not, | |
Leid durch Angst vor Verhaftung und Tod, | |
Leid durch Verlust all dessen, woran man irrend geglaubt und wofür man | |
gearbeitet hatte. | |
Heute erinnern wir uns dieses menschlichen Leids und gedenken seiner in | |
Trauer. | |
Den vielleicht größten Teil dessen, was den Menschen aufgeladen war, haben | |
die Frauen der Völker getragen. | |
Ihr Leiden, ihre Entsagung und ihre stille Kraft vergißt die Weltgeschichte | |
nur allzu leicht. Sie haben gebangt und gearbeitet, menschliches Leben | |
getragen und beschützt. Sie haben getrauert um gefallene Väter und Söhne, | |
Männer, Brüder und Freunde. | |
Sie haben in den dunkelsten Jahren das Licht der Humanität vor dem | |
Erlöschen bewahrt. | |
Am Ende des Krieges haben sie als erste und ohne Aussicht auf eine | |
gesicherte Zukunft Hand angelegt, um wieder einen Stein auf den anderen zu | |
setzen, die Trümmerfrauen in Berlin und überall. | |
Als die überlebenden Männer heimkehrten, mußten Frauen oft wieder | |
zurückstehen. Viele Frauen blieben aufgrund des Krieges allein und | |
verbrachten ihr Leben in Einsamkeit. | |
Wenn aber die Völker an den Zerstörungen, den Verwüstungen, den | |
Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten innerlich nicht zerbrachen, wenn sie | |
nach dem Krieg langsam wieder zu sich selbst kamen, dann verdanken wir es | |
zuerst unseren Frauen. | |
III. | |
Am Anfang der Gewaltherrschaft hatte der abgrundtiefe Haß Hitlers gegen | |
unsere jüdischen Mitmenschen gestanden. Hitler hatte ihn nie vor der | |
Öffentlichkeit verschwiegen, sondern das ganze Volk zum Werkzeug dieses | |
Hasses gemacht. Noch am Tag vor seinem Ende am 30. April 1945 hatte er sein | |
sogenanntes Testament mit den Worten abgeschlossen: „Vor allem verpflichte | |
ich die Führung der Nation und die Gefolgschaft zur peinlichen Einhaltung | |
der Rassegesetze und zum unbarmherzigen Widerstand gegen den Weltvergifter | |
aller Völker, das internationale Judentum.“ | |
Gewiß, es gibt kaum einen Staat, der in seiner Geschichte immer frei blieb | |
von schuldhafter Verstrickung in Krieg und Gewalt. Der Völkermord an den | |
Juden jedoch ist beispiellos in der Geschichte. | |
Die Ausführung des Verbrechens lag in der Hand weniger. Vor den Augen der | |
Öffentlichkeit wurde es abgeschirmt. Aber jeder Deutsche konnte miterleben, | |
was jüdische Mitbürger erleiden mußten, von kalter Gleichgültigkeit über | |
versteckte Intoleranz bis zu offenem Haß. | |
Wer konnte arglos bleiben nach den Bränden der Synagogen, den Plünderungen, | |
der Stigmatisierung mit dem Judenstern, dem Rechtsentzug, der | |
unaufhörlichen Schändung der menschlichen Würde? | |
Wer seine Ohren und Augen aufmachte, wer sich informieren wollte, dem | |
konnte nicht entgehen, daß Deportationszüge rollten. Die Phantasie der | |
Menschen mochte für Art und Ausmaß der Vernichtung nicht ausreichen. Aber | |
in Wirklichkeit trat zu den Verbrechen selbst der Versuch allzu vieler, | |
auch in meiner Generation, die wir jung und an der Planung und Ausführung | |
der Ereignisse unbeteiligt waren, nicht zur Kenntnis zu nehmen, was | |
geschah. | |
Es gab viele Formen, das Gewissen ablenken zu lassen, nicht zuständig zu | |
sein, wegzuschauen, zu schweigen. Als dann am Ende des Krieges die ganze | |
unsagbare Wahrheit des Holocaust herauskam, beriefen sich allzu viele von | |
uns darauf, nichts gewußt oder auch nur geahnt zu haben. | |
Schuld oder Unschuld eines ganzen Volkes gibt es nicht. Schuld ist, wie | |
Unschuld, nicht kollektiv, sondern persönlich. | |
Es gibt entdeckte und verborgen gebliebene Schuld von Menschen. Es gibt | |
Schuld, die sich Menschen eingestanden oder abgeleugnet haben. Jeder, der | |
die Zeit mit vollem Bewußtsein erlebt hat, frage sich heute im Stillen | |
selbst nach seiner Verstrickung. | |
Der ganz überwiegende Teil unserer heutigen Bevölkerung war zur damaligen | |
Zeit entweder im Kindesalter oder noch gar nicht geboren. Sie können nicht | |
eine eigene Schuld bekennen für Taten, die sie gar nicht begangen haben. | |
Kein fühlender Mensch erwartet von ihnen, ein Büßerhemd zu tragen, nur weil | |
sie Deutsche sind. Aber die Vorfahren haben ihnen eine schwere Erbschaft | |
hinterlassen. | |
Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder jung, müssen die | |
Vergangenheit annehmen. Wir alle sind von ihren Folgen betroffen und für | |
sie in Haftung genommen. | |
Jüngere und Ältere müssen und können sich gegenseitig helfen zu verstehen, | |
warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten. | |
Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man gar nicht. | |
Sie läßt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer | |
aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die | |
Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird | |
wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren. | |
Das jüdische Volk erinnert sich und wird sich immer erinnern. Wir suchen | |
als Menschen Versöhnung. | |
Gerade deshalb müssen wir verstehen, daß es Versöhnung ohne Erinnerung gar | |
nicht geben kann. Die Erfahrung millionenfachen Todes ist ein Teil des | |
Innern jedes Juden in der Welt, nicht nur deshalb, weil Menschen ein | |
solches Grauen nicht vergessen können. Sondern die Erinnerung gehört zum | |
jüdischen Glauben. | |
"Das Vergessenwollen verlängert das Exil, | |
und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung." | |
Diese oft zitierte jüdische Weisheit will wohl besagen, daß der Glaube an | |
Gott ein Glaube an sein Wirken in der Geschichte ist. | |
Die Erinnerung ist die Erfahrung vom Wirken Gottes in der Geschichte. Sie | |
ist die Quelle des Glaubens an die Erlösung. Diese Erfahrung schafft | |
Hoffnung, sie schafft Glauben an Erlösung, an Wiedervereinigung des | |
Getrennten, an Versöhnung. Wer sie vergißt, verliert den Glauben. | |
Würden wir unsererseits vergessen wollen, was geschehen ist, anstatt uns zu | |
erinnern, dann wäre dies nicht nur unmenschlich. Sondern wir würden damit | |
dem Glauben der überlebenden Juden zu nahe treten, und wir würden den | |
Ansatz zur Versöhnung zerstören. | |
Für uns kommt es auf ein Mahnmal des Denkens und Fühlens in unserem eigenen | |
Inneren an. | |
IV. | |
Der 8. Mai ist ein tiefer historischer Einschnitt, nicht nur in der | |
deutschen, sondern auch in der europäischen Geschichte. | |
Der europäische Bürgerkrieg war an sein Ende gelangt, die alte europäische | |
Welt zu Bruch gegangen. „Europa hatte sich ausgekämpft“ (M. Stürmer). Die | |
Begegnung amerikanischer und sowjetrussischer Soldaten an der Elbe wurde zu | |
einem Symbol für das vorläufige Ende einer europäischen Ära. | |
Gewiß, das alles hatte seine alten geschichtlichen Wurzeln. Großen, ja | |
bestimmenden Einfluß hatten die Europäer in der Welt, aber ihr | |
Zusammenleben auf dem eigenen Kontinent zu ordnen, das vermochten sie immer | |
schlechter. Über hundert Jahre lang hatte Europa unter dem Zusammenprall | |
nationalistischer Übersteigerungen gelitten. Am Ende des Ersten Weltkrieges | |
war es zu Friedensverträgen gekommen. Aber ihnen hatte die Kraft gefehlt, | |
Frieden zu stiften. Erneut waren nationalistische Leidenschaften | |
aufgeflammt und hatten sich mit sozialen Notlagen verknüpft. | |
Auf dem Weg ins Unheil wurde Hitler die treibende Kraft. Er erzeugte und er | |
nutzte Massenwahn. Eine schwache Demokratie war unfähig, ihm Einhalt zu | |
gebieten. Und auch die europäischen Westmächte, nach Churchills Urteil | |
"arglos, nicht schuldlos", trugen durch Schwäche zur verhängnisvollen | |
Entwicklung bei. Amerika hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg wieder | |
zurückgezogen und war in den dreißiger Jahren ohne Einfluß auf Europa. | |
Hitler wollte die Herrschaft über Europa, und zwar durch Krieg. Den Anlaß | |
dafür suchte und fand er in Polen. | |
Am 23. Mai 1939 - wenige Monate vor Kriegsausbruch - erklärte er vor der | |
deutschen Generalität: "Weitere Erfolge können ohne Blutvergießen nicht | |
mehr errungen werden ... Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es | |
handelt sich für uns um die Erweiterung des Lebensraumes im Osten und | |
Sicherstellung der Ernährung ... Es entfällt also die Frage, Polen zu | |
schonen, und bleibt der Entschluß, bei erster passender Gelegenheit Polen | |
anzugreifen ... Hierbei spielen Recht oder Unrecht oder Verträge keine | |
Rolle." | |
Am 23. August 1939 wurde der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt | |
geschlossen. Das geheime Zusatzprotokoll regelte die bevorstehende | |
Aufteilung Polens. | |
Der Vertrag wurde geschlossen, um Hitler den Einmarsch in Polen zu | |
ermöglichen. Das war der damaligen Führung der Sowjetunion voll bewußt. | |
Allen politisch denkenden Menschen jener Zeit war klar, daß der | |
deutsch-sowjetische Pakt Hitlers Einmarsch in Polen und damit den Zweiten | |
Weltkrieg bedeutete. | |
Dadurch wird die deutsche Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht | |
verringert. Die Sowjetunion nahm den Krieg anderer Völker in Kauf, um sich | |
am Ertrag zu beteiligen. Die Initiative zum Krieg aber ging von Deutschland | |
aus, nicht von der Sowjetunion. | |
Es war Hitler, der zur Gewalt griff. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges | |
bleibt mit dem deutschen Namen verbunden. | |
Während dieses Krieges hat das nationalsozialistische Regime viele Völker | |
gequält und geschändet. | |
Am Ende blieb nur noch ein Volk übrig, um gequält, geknechtet und | |
geschändet zu werden: das eigene, das deutsche Volk. Immer wieder hat | |
Hitler ausgesprochen: wenn das deutsche Volk schon nicht fähig sei, in | |
diesem Krieg zu siegen, dann möge es eben untergehen. Die anderen Völker | |
wurden zunächst Opfer eines von Deutschland ausgehenden Krieges, bevor wir | |
selbst zu Opfern unseres eigenen Krieges wurden. | |
Es folgte die von den Siegermächten verabredete Aufteilung Deutschlands in | |
verschiedene Zonen. Inzwischen war die Sowjetunion in alle Staaten Ost- und | |
Südosteuropas, die während des Krieges von Deutschland besetzt worden | |
waren, einmarschiert. Mit Ausnahme Griechenlands wurden alle diese Staaten | |
sozialistische Staaten. | |
Die Spaltung Europas in zwei verschiedene politische Systeme nahm ihren | |
Lauf. Es war erst die Nachkriegsentwicklung, die sie befestigte. Aber ohne | |
den von Hitler begonnenen Krieg wäre sie nicht gekommen. Daran denken die | |
betroffenen Völker zuerst, wenn sie sich des von der deutschen Führung | |
ausgelösten Krieges erinnern. | |
Im Blick auf die Teilung unseres eigenen Landes und auf den Verlust großer | |
Teile des deutschen Staatsgebietes denken auch wir daran. In seiner Predigt | |
zum 8. Mai sagte Kardinal Meißner in Ostberlin: „Das trostlose Ergebnis der | |
Sünde ist immer die Trennung.“ | |
V. | |
Die Willkür der Zerstörung wirkte in der willkürlichen Verteilung der | |
Lasten nach. Es gab Unschuldige, die verfolgt wurden, und Schuldige, die | |
entkamen. Die einen hatten das Glück, zu Hause in vertrauter Umgebung ein | |
neues Leben aufbauen zu können. Andere wurden aus der angestammten Heimat | |
vertrieben. | |
Wir in der späteren Bundesrepublik Deutschland erhielten die kostbare | |
Chance der Freiheit. Vielen Millionen Landsleuten bleibt sie bis heute | |
versagt. | |
Die Willkür der Zuteilung unterschiedlicher Schicksale ertragen zu lernen, | |
war die erste Aufgabe im Geistigen, die sich neben der Aufgabe des | |
materiellen Wiederaufbaus stellte. An ihr mußte sich die menschliche Kraft | |
erproben, die Lasten anderer zu erkennen, an ihnen dauerhaft mitzutragen, | |
sie nicht zu vergessen. In ihr mußte die Fähigkeit zum Frieden und die | |
Bereitschaft zur Versöhnung nach innen und außen wachsen, die nicht nur | |
andere von uns forderten, sondern nach denen es uns selbst am allermeisten | |
verlangte. | |
Wir können des 8. Mai nicht gedenken, ohne uns bewußtzumachen, welche | |
Überwindung die Bereitschaft zur Aussöhnung den ehemaligen Feinden | |
abverlangte. Können wir uns wirklich in die Lage von Angehörigen der Opfer | |
des Warschauer Ghettos oder des Massakers von Lidice versetzen? | |
Wie schwer mußte es aber auch einem Bürger in Rotterdam oder London fallen, | |
den Wiederaufbau unseres Landes zu unterstützen, aus dem die Bomben | |
stammten, die erst kurze Zeit zuvor auf seine Stadt gefallen waren! Dazu | |
mußte allmählich eine Gewißheit wachsen, daß Deutsche nicht noch einmal | |
versuchen würden, eine Niederlage mit Gewalt zu korrigieren. | |
Bei uns selbst wurde das Schwerste den Heimatvertriebenen abverlangt. Ihnen | |
ist noch lange nach dem 8. Mai bitteres Leid und schweres Unrecht | |
widerfahren. Um ihrem schweren Schicksal mit Verständnis zu begegnen, fehlt | |
uns Einheimischen oft die Phantasie und auch das offene Herz. | |
Aber es gab alsbald auch große Zeichen der Hilfsbereitschaft. Viele | |
Millionen Flüchtlinge und Vertriebene wurden aufgenommen. Im Laufe der | |
Jahre konnten sie neue Wurzeln schlagen. Ihre Kinder und Enkel bleiben auf | |
vielfache Weise der Kultur und der Liebe zur Heimat ihrer Vorfahren | |
verbunden. Das ist gut so, denn das ist ein wertvoller Schatz in ihrem | |
Leben. | |
Sie haben aber selbst eine neue Heimat gefunden, in der sie mit den | |
gleichaltrigen Einheimischen aufwachsen und zusammenwachsen, ihre Mundart | |
sprechen und ihre Gewohnheiten teilen. Ihr junges Leben ist ein Beweis für | |
die Fähigkeit zum inneren Frieden. Ihre Großeltern oder Eltern wurden einst | |
vertrieben, sie jedoch sind jetzt zu Hause. | |
Früh und beispielhaft haben sich die Heimatvertriebenen zum Gewaltverzicht | |
bekannt. Das war keine vergängliche Erklärung im anfänglichen Stadium der | |
Machtlosigkeit, sondern ein Bekenntnis, das seine Gültigkeit behält. | |
Gewaltverzicht bedeutet, allseits das Vertrauen wachsen zu lassen, daß auch | |
ein wieder zu Kräften gekommenes Deutschland daran gebunden bleibt. | |
Die eigene Heimat ist mittlerweile anderen zur Heimat geworden. Auf vielen | |
alten Friedhöfen im Osten finden sich heute schon mehr polnische als | |
deutsche Gräber. | |
Der erzwungenen Wanderschaft von Millionen Deutschen nach Westen folgten | |
Millionen Polen und ihnen wiederum Millionen Russen. Es sind alles | |
Menschen, die nicht gefragt wurden, Menschen, die Unrecht erlitten haben, | |
Menschen, die wehrlose Objekte der politischen Ereignisse wurden und denen | |
keine Aufrechnung von Unrecht und keine Konfrontation von Ansprüchen | |
wiedergutmachen kann, was ihnen angetan worden ist. | |
Gewaltverzicht heute heißt, den Menschen dort, wo sie das Schicksal nach | |
dem 8. Mai hingetrieben hat und wo sie nun seit Jahrzehnten leben, eine | |
dauerhafte, politisch unangefochtene Sicherheit für ihre Zukunft zu geben. | |
Es heißt, den widerstreitenden Rechtsansprüchen das Verständigungsgebot | |
überzuordnen. | |
Darin liegt der eigentliche, der menschliche Beitrag zu einer europäischen | |
Friedensordnung, der von uns ausgehen kann. | |
Der Neuanfang in Europa nach 1945 hat dem Gedanken der Freiheit und | |
Selbstbestimmung Siege und Niederlagen gebracht. Für uns gilt es, die | |
Chance des Schlußstrichs unter eine lange Periode europäischer Geschichte | |
zu nutzen, in der jedem Staat Frieden nur denkbar und sicher schien als | |
Ergebnis eigener Überlegenheit und in der Frieden eine Zeit der | |
Vorbereitung des nächsten Krieges bedeutete. | |
Die Völker Europas lieben ihre Heimat. Den Deutschen geht es nicht anders. | |
Wer könnte der Friedensliebe eines Volkes vertrauen, das imstande wäre, | |
seine Heimat zu vergessen? | |
Nein, Friedensliebe zeigt sich gerade darin, daß man seine Heimat nicht | |
vergißt und eben deshalb entschlossen ist, alles zu tun, um immer in | |
Frieden miteinander zu leben. Heimatliebe eines Vertriebenen ist kein | |
Revanchismus. | |
VI. | |
Stärker als früher hat der letzte Krieg die Friedenssehnsucht im Herzen der | |
Menschen geweckt. Die Versöhnungsarbeit von Kirchen fand eine tiefe | |
Resonanz. Für die Verständigungsarbeit von jungen Menschen gibt es viele | |
Beispiele. Ich denke an die „Aktion Sühnezeichen“ mit ihrer Tätigkeit in | |
Auschwitz und Israel. Eine Gemeinde der niederrheinischen Stadt Kleve | |
erhielt neulich Brote aus polnischen Gemeinden als Zeichen der Aussöhnung | |
und Gemeinschaft. Eines dieser Brote hat sie an einen Lehrer nach England | |
geschickt. Denn dieser Lehrer aus England war aus der Anonymität | |
herausgetreten und hatte geschrieben, er habe damals im Krieg als | |
Bombenflieger Kirchen und Wohnhäuser in Kleve zerstört und wünsche sich ein | |
Zeichen der Aussöhnung. | |
Es hilft unendlich viel zum Frieden, nicht auf den anderen zu warten, bis | |
er kommt, sondern auf ihn zuzugehen, wie dieser Mann es getan hat. | |
VII. | |
In seiner Folge hat der Krieg alte Gegner menschlich und auch politisch | |
einander nähergebracht. Schon 1946 rief der amerikanische Außenminister | |
Byrnes in seiner denkwürdigen Stuttgarter Rede zur Verständigung in Europa | |
und dazu auf, dem deutschen Volk auf seinem Weg in eine freie und | |
friedliebende Zukunft zu helfen. | |
Unzählige amerikanische Bürger haben damals mit ihren privaten Mitteln uns | |
Deutsche, die Besiegten, unterstützt, um die Wunden des Krieges zu heilen. | |
Dank der Weitsicht von Franzosen wie Jean Monnet und Robert Schuman und von | |
Deutschen wie Konrad Adenauer endete eine alte Feindschaft zwischen | |
Franzosen und Deutschen für immer. | |
Ein neuer Strom von Aufbauwillen und Energie ging durch das eigene Land. | |
Manche alte Gräben wurden zugeschüttet, konfessionelle Gegensätze und | |
soziale Spannungen verloren an Schärfe. Partnerschaftlich ging man ans | |
Werk. | |
Es gab keine „Stunde Null“, aber wir hatten die Chance zu einem Neubeginn. | |
Wir haben sie genutzt so gut wir konnten. An die Stelle der Unfreiheit | |
haben wir die demokratische Freiheit gesetzt. | |
Vier Jahre nach Kriegsende, 1949, am 8. Mai, beschloß der Parlamentarische | |
Rat unser Grundgesetz. Über Parteigrenzen hinweg gaben seine Demokraten die | |
Antwort auf Krieg und Gewaltherrschaft im Artikel 1 unserer Verfassung: | |
„Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und | |
unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen | |
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ | |
Auch an diese Bedeutung des 8. Mai gilt es heute zu erinnern. | |
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein weltweit geachteter Staat geworden. | |
Sie gehört zu den hochentwickelten Industrieländern der Welt. Mit ihrer | |
wirtschaftlichen Kraft weiß sie sich mitverantwortlich dafür, Hunger und | |
Not in der Welt zu bekämpfen und zu einem sozialen Ausgleich unter den | |
Völkern beizutragen. | |
Wir leben seit vierzig Jahren in Frieden und Freiheit, und wir haben durch | |
unsere Politik unter den freien Völkern des Atlantischen Bündnisses und der | |
Europäischen Gemeinschaft dazu selbst einen großen Beitrag geleistet. | |
Nie gab es auf deutschem Boden einen besseren Schutz der Freiheitsrechte | |
des Bürgers als heute. Ein dichtes soziales Netz, das den Vergleich mit | |
keiner anderen Gesellschaft zu scheuen braucht, sichert die Lebensgrundlage | |
der Menschen. | |
Hatten sich bei Kriegsende viele Deutsche noch darum bemüht, ihren Paß zu | |
verbergen oder gegen einen anderen einzutauschen, so ist heute unsere | |
Staatsbürgerschaft ein angesehenes Recht. | |
Wir haben wahrlich keinen Grund zu Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit. | |
Aber wir dürfen uns der Entwicklung dieser vierzig Jahre dankbar erinnern, | |
wenn wir das eigene historische Gedächtnis als Leitlinie für unser | |
Verhalten in der Gegenwart und für die ungelösten Aufgaben, die auf uns | |
warten, nutzen. | |
- Wenn wir uns daran erinnern, daß Geisteskranke im Dritten Reich getötet | |
wurden, werden wir die Zuwendung zu psychisch kranken Bürgern als unsere | |
eigene Aufgabe verstehen. | |
- Wenn wir uns erinnern, wie rassisch, religiös und politisch Verfolgte, | |
die vom sicheren Tod bedroht waren, oft vor geschlossenen Grenzen anderer | |
Staaten standen, werden wir vor denen, die heute wirklich verfolgt sind und | |
bei uns Schutz suchen, die Tür nicht verschließen. | |
- Wenn wir uns der Verfolgung des freien Geistes während der Diktatur | |
besinnen, werden wir die Freiheit jedes Gedankens und jeder Kritik | |
schützen, so sehr sie sich auch gegen uns selbst richten mag. | |
- Wer über die Verhältnisse im Nahen Osten urteilt, der möge an das | |
Schicksal denken, das Deutsche den jüdischen Mitmenschen bereiteten und das | |
die Gründung des Staates Israel unter Bedingungen auslöste, die noch heute | |
die Menschen in dieser Region belasten und gefährden. | |
- Wenn wir daran denken, was unsere östlichen Nachbarn im Kriege erleiden | |
mußten, werden wir besser verstehen, daß der Ausgleich, die Entspannung und | |
die friedliche Nachbarschaft mit diesen Ländern zentrale Aufgaben der | |
deutschen Außenpolitik bleiben. Es gilt, daß beide Seiten sich erinnern und | |
beide Seiten einander achten. Sie haben menschlich, sie haben kulturell, | |
sie haben letzten Endes auch geschichtlich allen Grund dazu. | |
Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Michail | |
Gorbatschow hat verlautbart, es ginge der sowjetischen Führung beim 40. | |
Jahrestag des Kriegsendes nicht darum, antideutsche Gefühle zu schüren. Die | |
Sowjetunion trete für Freundschaft zwischen den Völkern ein. | |
Gerade wenn wir Fragen auch an sowjetische Beiträge zur Verständigung | |
zwischen Ost und West und zur Achtung von Menschenrechten in allen Teilen | |
Europas haben, gerade dann sollten wir dieses Zeichen aus Moskau nicht | |
überhören. Wir wollen Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion. | |
VIII. | |
Vierzig Jahre nach dem Ende des Krieges ist das deutsche Volk nach wie vor | |
geteilt. | |
Beim Gedenkgottesdienst in der Kreuzkirche zu Dresden sagte Bischof Hempel | |
im Februar dieses Jahres: „Es lastet, es blutet, daß zwei deutsche Staaten | |
entstanden sind mit ihrer schweren Grenze. Es lastet und blutet die Fülle | |
der Grenzen überhaupt. Es lasten die Waffen.“ | |
Vor kurzem wurde in Baltimore in den Vereinigten Staaten eine Ausstellung | |
„Juden in Deutschland“ eröffnet. Die Botschafter beider deutscher Staaten | |
waren der Einladung gefolgt. Der gastgebende Präsident der | |
Johns-Hopkins-Universität begrüßte sie zusammen. Er verwies darauf, daß | |
alle Deutschen auf dem Boden derselben historischen Entwicklung stehen. | |
Eine gemeinsame Vergangenheit verknüpfte sie mit einem Band. Ein solches | |
Band könne eine Freude oder ein Problem sein - es sei immer eine Quelle der | |
Hoffnung. | |
Wir Deutschen sind ein Volk und eine Nation. Wir fühlen uns | |
zusammengehörig, weil wir dieselbe Geschichte durchlebt haben. | |
Auch den 8. Mai 1945 haben wir als gemeinsames Schicksal unseres Volkes | |
erlebt, das uns eint. Wir fühlen uns zusammengehörig in unserem Willen zum | |
Frieden. Von deutschem Boden in beiden Staaten sollen Frieden und gute | |
Nachbarschaft mit allen Ländern ausgehen. Auch andere sollen ihn nicht zur | |
Gefahr für den Frieden werden lassen. | |
Die Menschen in Deutschland wollen gemeinsam einen Frieden, der | |
Gerechtigkeit und Menschenrecht für alle Völker einschließt, auch für das | |
unsrige. | |
Nicht ein Europa der Mauern kann sich über Grenzen hinweg versöhnen, | |
sondern ein Kontinent, der seinen Grenzen das Trennende nimmt. Gerade daran | |
mahnt uns das Ende des Zweiten Weltkrieges. | |
Wir haben die Zuversicht, daß der 8. Mai nicht das letzte Datum unserer | |
Geschichte bleibt, das für alle Deutschen verbindlich ist. | |
IX. | |
Manche junge Menschen haben sich und uns in den letzten Monaten gefragt, | |
warum es vierzig Jahre nach Ende des Krieges zu so lebhaften | |
Auseinandersetzungen über die Vergangenheit gekommen ist. Warum lebhafter | |
als nach fünfundzwanzig oder dreißig Jahren? Worin liegt die innere | |
Notwendigkeit dafür? | |
Es ist nicht leicht, solche Fragen zu beantworten. Aber wir sollten die | |
Gründe dafür nicht vornehmlich in äußeren Einflüssen suchen, obwohl es | |
diese zweifellos auch gegeben hat. | |
Vierzig Jahre spielen in der Zeitspanne von Menschenleben und | |
Völkerschicksalen eine große Rolle. | |
Auch hier erlauben Sie mir noch einmal einen Blick auf das Alte Testament, | |
das für jeden Menschen unabhängig von seinem Glauben tiefe Einsichten | |
aufbewahrt. Dort spielen vierzig Jahre eine häufig wiederkehrende, eine | |
wesentliche Rolle. | |
Vierzig Jahre sollte Israel in der Wüste bleiben, bevor der neue Abschnitt | |
in der Geschichte mit dem Einzug ins verheißene Land begann. | |
Vierzig Jahre waren notwendig für einen vollständigen Wechsel der damals | |
verantwortlichen Vätergeneration. | |
An anderer Stelle aber (Buch der Richter) wird aufgezeichnet, wie oft die | |
Erinnerung an erfahrene Hilfe und Rettung nur vierzig Jahre dauerte. Wenn | |
die Erinnerung abriß, war die Ruhe zu Ende. | |
So bedeuten vierzig Jahre stets einen großen Einschnitt. Sie wirken sich | |
aus im Bewußtsein der Menschen, sei es als Ende einer dunklen Zeit mit der | |
Zuversicht auf eine neue und gute Zukunft, sei es als Gefahr des Vergessens | |
und als Warnung vor den Folgen. Über beides lohnt es sich nachzudenken. | |
Bei uns ist eine neue Generation in die politische Verantwortung | |
hereingewachsen. Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals | |
geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus | |
wird. | |
Wir Älteren schulden der Jugend nicht die Erfüllung von Träumen, sondern | |
Aufrichtigkeit. Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es | |
lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten. Wir wollen ihnen helfen, | |
sich auf die geschichtliche Wahrheit nüchtern und ohne Einseitigkeit | |
einzulassen, ohne Flucht in utopische Heilslehren, aber auch ohne | |
moralische Überheblichkeit. | |
Wir lernen aus unserer eigenen Geschichte, wozu der Mensch fähig ist. | |
Deshalb dürfen wir uns nicht einbilden, wir seien nun als Menschen anders | |
und besser geworden. | |
Es gibt keine endgültig errungene moralische Vollkommenheit - für niemanden | |
und kein Land! Wir haben als Menschen gelernt, wir bleiben als Menschen | |
gefährdet. Aber wir haben die Kraft, Gefährdungen immer von neuem zu | |
überwinden. | |
Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Haß zu | |
schüren. | |
Die Bitte an die jungen Menschen lautet: | |
Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß | |
gegen andere Menschen, | |
gegen Russen oder Amerikaner, | |
gegen Juden oder Türken, | |
gegen Alternative oder Konservative, | |
gegen Schwarz oder Weiß. | |
Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander. | |
Lassen Sie auch uns als demokratisch gewählte Politiker dies immer wieder | |
beherzigen und ein Beispiel geben. | |
Ehren wir die Freiheit. | |
Arbeiten wir für den Frieden. | |
Halten wir uns an das Recht. | |
Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit. | |
Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins | |
Auge. | |
Quelle: [1][Bundespraesident.de] | |
1 Feb 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/… | |
## TAGS | |
Bundespräsident | |
Kriegsende | |
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg | |
Richard von Weizsäcker | |
Kriegsende | |
ARD | |
Großbritannien | |
Frieden | |
Menschenkette | |
8. Mai 1945 | |
Wiedervereinigung | |
Bundespräsident | |
Helmut Kohl | |
Christian Wulff | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gedenken an das Ende der NS-Herrschaft: Erinnern an die Vormieter | |
BerlinerInnen öffnen ihre Privatwohnungen: Im Rahmen von „Denk mal am Ort“ | |
wird jüdischer BewohnerInnen gedacht, die von dort deportiert wurden. | |
Doku über Trümmerfrauen: Alles für die Heimat? | |
In der Doku „Mythos Trümmerfrau“ dekonstruieren Judith Voelker und Julia | |
Meyer das Bild von der tapferen und zupackenden Deutschen. | |
Polen streiken gegen britische Vorurteile: Migranten aller Länder, vereinigt e… | |
Immigranten aus Polen fühlen sich als hart arbeitende Minderheit nicht | |
respektiert. Deswegen gehen sie auf die Straße. Und fordern Ukip zum Duell. | |
Aktion für Frieden: Gesicht zeigen für den Frieden | |
Künstler Saeeid Dastmalchian musste als Kind selbst vor Krieg fliehen. | |
Heute macht er Frieden zum Thema seiner Kunst – mit über 10.000 | |
Unterstützern. | |
13. Februar in Dresden: Gedenken und Inszenierung | |
Dresden gedenkt der Bombardierung vor 70 Jahren mit einer nicht | |
unumstrittenen Menschenkette. Die Linke kritisiert Gauck als Redner in der | |
Frauenkirche. | |
Berliner Konferenz zur Holocaustforschung: Der verwüstete Kontinent | |
Auf der 5. Internationalen Konferenz zur Holocaustforschung wurde vor allem | |
über die Zeit nach der Befreiung debattiert. | |
Nachruf auf Richard von Weizsäcker: So viel mehr als eine Rede | |
Im Gedächtnis bleibt der „Tag der Befreiung“. Der Altbundespräsident war | |
vielschichtig und streitbar – und wird über seinen Tod hinaus wirken. | |
Richard von Weizsäcker gestorben: „Präsident aller Bürger“ | |
Er war Regierender Bürgermeister von Berlin und populärer Bundespräsident. | |
Mit 94 Jahren ist Richard von Weizsäcker am Samstag gestorben. | |
Rechtsstreit um Buch über Helmut Kohl: Abrechnung mit Parteifreunden | |
Die umstrittenen Gesprächsprotokolle mit dem Altkanzler werden am Dienstag | |
der Öffentlichkeit präsentiert – ungeachtet der Androhung juristischer | |
Schritte. | |
SPD will Ex-Präsidentenbezüge deckeln: Kürzung bei Leistungsverweigerung | |
Die SPD hält die Causa Wulff am Köcheln. Sie nimmt den unrühmlichen Abgang | |
des Ex-Präsidenten zum Anlass, eine Deckelung der Bezüge für frühere | |
Amtsinhaber zu fordern. |