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# taz.de -- Wechsel von der Linken zur SPD: Hauptsache Rot
> Die Berliner SPD feiert sich für den Eintritt von drei ehemaligen
> Linken-Politikern. Im Mittelpunkt steht der Abgeordnete Sebastian
> Schlüsselburg.
Bild: Die „rote Bibel“: Die Ex-Linken Schlüsselburg (2. v. l.) und Nö…
Berlin taz | SPD-Fraktionschef Raed Saleh war die enorme Freude anzusehen,
als er am Mittwochmorgen vor Journalist:innen hochoffiziell seinen
großen Fang präsentierte: Sebastian Schlüsselburg. Der bisherige haushalts-
und rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus [1][ist
seit Dienstag Sozialdemokrat]. Schon bei der Abgeordnetenhaussitzung an
diesem Donnerstag soll Schlüsselburg in Salehs SPD-Reihen Platz nehmen.
Vor gut drei Monaten war Schlüsselburg aus der Linkspartei ausgetreten und
seither parteiloses Mitglied der Linksfraktion. Dem Abgeordnetenhaus gehört
er seit der Wahl 2016 an. Und über all die Jahre, sagte Saleh, habe er ihn
„immer als einen fleißigen, wortgewandten Kollegen erlebt“. Zwar habe das
Neumitglied „es uns, der SPD, nicht immer leicht gemacht“. Aber, so der
SPD-Fraktionschef weiter: „Wir brauchen Menschen mit einer kritischen
Haltung.“
Schlüsselburg war nicht der einzige Ex-Linke, der am Mittwoch in der
Parteizentrale in Wedding von den beiden Landesvorsitzenden Martin Hikel
und Nicola Böcker-Giannini öffentlichkeitswirksam das „rote Bibel“ genann…
Parteibuch in die Hand gedrückt bekam. Neben ihm saß
Friedrichshain-Kreuzbergs Sozialstadtrat Oliver Nöll, von Böcker-Giannini
vorgestellt mit dem Hinweis, dass hier „zusammenwächst, was schon mal
zusammengehörte“.
Nöll war schließlich einst SPD-Mitglied. Aus Protest gegen die unter
anderem von dem damaligen SPD-Generalsekretär Olaf Scholz verantwortete
Agenda 2010 trat er in den Nullerjahren aus. Es wäre „schief“, zu sagen, er
sei wegen des jetzigen Bundeskanzlers in den Schoß der Sozialdemokratie
zurückgekehrt, erklärte Nöll. Aber er sehe im Sozialbereich gewisse
„Fortschritte“.
## Schlüsselburg will Sozialist bleiben
Im Grunde ging es bei der SPD-Show aber kaum um Nöll. Auch nicht um den
ehemaligen Lichtenberger Bezirksbürgermeister Michael Grunst, der, wie
Böcker-Giannini nebenbei erwähnte, als dritter Ex-Linker der SPD
beigetreten ist – er war auch gar nicht anwesend. Im Mittelpunkt stand
Schlüsselburg.
Als Replik auf Salehs Lob der Kritik betonte Schlüsselburg, der zuletzt
stets „das Haushaltschaos“ von CDU und SPD gegeißelt hat, dass er
selbstverständlich auch nach seinem Wechsel von der Opposition in die
Reihen der schwarz-roten Koalition die Arbeit des Senats kritisieren werde,
wo er das für nötig erachte. „Ich bin demokratischer Sozialist. Ich bleibe
das auch.“
Er gebe seine Überzeugungen ja „nicht am Kleiderhaken ab, das wäre auch
nicht glaubwürdig“, sagte der Steglitz-Zehlendorfer mit Wahlkreis in
Lichtenberg bei dem Termin in der SPD-Zentrale. Sein Ziel sei es, die
Politik des rot-schwarzen Senats „ein bisschen zu verbessern“ – und dabei
die SPD „wieder zu einer starken, linken Volkspartei zu machen“.
## Linken-Streit um Antisemitismus
Der 41-Jährige hatte die Linke Ende Oktober 2024 zusammen mit den
Ex-Senator:innen Klaus Lederer, Elke Breitenbach und Sebastian Scheel sowie
Ex-Fraktionschef Carsten Schatz nach einem [2][Streit über den Umgang mit
antisemitischen Positionen in der Partei] verlassen. Die fünf nun
Parteilosen wollten eigentlich bis zum Ende der Legislatur 2026 Teil der
Linksfraktion bleiben. So hatten sie es mit der Fraktion verabredet.
Schlüsselburg scherte nun aus.
Am Mittwoch machte der Neu-SPDler durch die Blume deutlich, dass er sich in
der Linksfraktion einfach nicht mehr wohlgefühlt habe. So sei die Erklärung
der fünf Ex-Genoss:innen, weiterhin der Linksfraktion angehören zu wollen,
„von einer Minderheit, die aber eine Mehrheit in der Partei stellt“,
infrage gestellt worden.
„Das war ein Arbeitsklima, bei dem ich mir nicht habe vorstellen können,
bis zum Ende der Legislatur daran festzuhalten.“ Das sei ihm um den
Jahreswechsel herum bewusst geworden, sagte Schlüsselburg.
Wer’s glaubt, wird selig, heißt es von seinen ehemaligen
Fraktionskolleg:innen. „Sebastian Schlüsselburg hat uns noch im November
und Dezember erklärt, dass er keinen konkurrierenden Parteien beitritt.
Gleichzeitig hat er, wie wir jetzt wissen, den Schritt zur SPD seit Wochen
vorbereitet“, sagte Linksfraktionschef Tobias Schulze am Mittwoch zur taz.
## Sag mir, wo du stehst
Der erst am Montagabend durchgesickerte Bruch habe dann, so Schulze weiter,
„viele in der Fraktion vor den Kopf geschlagen, das hat Vertrauen zerstört,
und ja, viele schwer enttäuscht“.
Das ist freundlich formuliert. Dem Vernehmen nach sind insbesondere die
vier verbliebenen Ex-Linken stinksauer auf Schlüsselburg. Denn zur Wahrheit
gehört, dass nicht zuletzt ein paar Vertreter:innen der
„Bewegungslinken“ in der Fraktion um die Abgeordnete Katalin Gennburg früh
gefordert hatten, [3][alle fünf hochkant rauszuschmeißen].
Die große Mehrheit der Fraktion lehnte diese Radikalmaßnahme ab.
Schlüsselburg hat nun dafür gesorgt, dass sich auch die
Unterstützer:innen der fünf Ex-Linken schwer düpiert fühlen.
Schulze sagte, alle müssten selbst wissen, auf welcher Seite sie stehen:
„Ob man sich in diesen Zeiten auf die Seite einer Koalition schlägt, die
die Stadt kaputt spart, oder auf der Seite derjenigen steht, die mit den
Leuten gegen diese Politik auf die Straße geht.“ Schlüsselburg habe sich
entschieden. „Den Rest muss er mit seinem Gewissen ausmachen.“
## Schiffe mit Schlagseite
Den so Angesprochenen bekümmerte das wenig. Mehrfach betonte Schlüsselburg,
er wolle „aus Gründen“ nicht mehr zurück, sondern nur nach vorn schauen. …
sei der SPD auch deshalb beigetreten, weil die Demokratie von
rechtsextremen und populistischen Kräften, von AfD und BSW, zunehmend in
die Zange genommen werde. „Um dem entgegenzutreten, braucht es eine starke,
linke, interventionsfähige Kraft, und das ist aus meiner Sicht die SPD.“
Nun ist das mit der starken SPD aktuell so eine Sache. In bundesweiten
Umfragen liegt die Partei nach CDU und AfD weit abgeschlagen zwischen
trostlosen 14 und 17 Prozent, teilweise sogar hinter den Grünen. In Berlin
sah es zuletzt noch düsterer aus. Hier wollten nur noch 12 Prozent der
Befragten der SPD die Stimme geben, sollten jetzt Abgeordnetenhauswahlen
anstehen.
Böse Zungen behaupten: Sebastian Schlüsselburg, Oliver Nöll und Michael
Grunst hätten ein havariertes Schiff mit schwerster Schlagseite für ein
havariertes Schiff mit schwerer Schlagseite verlassen.
15 Jan 2025
## LINKS
[1] /Fraktionswechsel-im-Abgeordnetenhaus/!6058618
[2] /Linkspartei-streitet-ueber-Antisemitismus/!6039646
[3] /Berliner-Linke-in-der-Krise/!6047393
## AUTOREN
Rainer Rutz
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Klaus Lederer
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