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# taz.de -- Waldschutzgesetz in Thüringen: Karlsruhe kippt Windkraftverbot
> Auch in Thüringer Wäldern dürfen Windenergieanlagen gebaut werden. Das
> entschied das Bundesverfassungsgericht.
Bild: Das ist nun auch in Thüringen erlaubt: Windkraftanlage in einem Wald
Freiburg taz | Das generelle Verbot, in Thüringer Wäldern Windkraftanlagen
zu bauen, ist verfassungswidrig. Das Bundesland Thüringen hatte keine
Kompetenz, ein derartiges Gesetz zu erlassen. Das hat jetzt das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Erfolg hatten dabei neun
Thüringer Waldeigentümer.
Der Landtag in Erfurt beschloss im Dezember 2020 einstimmig eine Ergänzung
zum Thüringer Waldgesetz, wonach in Wäldern des Bundeslandes keine neuen
Windräder gebaut werden dürfen. Der Gesetzentwurf kam von CDU und FDP, die
damit insbesondere „die Schönheit der Thüringer Wälder“ schützen wollte…
Die regierende Minderheitskoalition aus Linken, SPD und Grünen lehnte den
Gesetzentwurf zwar inhaltlich ab, stimmte aber zu, damit im Gegenzug die
CDU-Fraktion dem Landeshaushalt 2021 zur Mehrheit verhilft.
Gegen dieses Gesetz erhoben später neun Thüringer Waldeigentümer
Verfassungsbeschwerde. Sie mussten Waldflächen wegen Befalls mit
Borkenkäfern roden und hatten die Flächen an Projektentwickler verpachtet,
die darauf Windräder bauen wollten. Rechtlich galten die Flächen aber immer
noch als Wald, so dass das neue Gesetz die Baupläne vereitelte. Die
Waldeigner sahen im Windradverbot unter anderem einen unverhältnismäßigen
Eingriff in ihr Eigentumsrecht.
Ihre Verfassungsbeschwerde hatte nun Erfolg. Der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts erklärte den entsprechenden Passus des Thüringer
Waldgesetzes für „nichtig“. Er begründete dies allerdings ausschließlich
mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes. Ob das Gesetz
inhaltlich zu sehr ins Eigentumsrecht der Waldeigentümer eingreift, blieb
offen.
Entscheidende Frage war, ob die Thüringer Regel zum Bodenrecht gehört oder
zum Naturschutz. Nur bei Naturschutzgesetzen dürfen die Bundesländer von
Bundesrecht abweichen, nicht aber im Bodenrecht.
Bei dem Verbot, in Thüringer Wäldern neue Windräder zu bauen, ging es laut
Gericht um Bodenrecht. „Der flächenbezogene Ausschluss bestimmter
Nutzungsarten ist ein typisches Instrument zum Ausgleich bodenrechtlicher
Spannungslagen“, heißt es in dem 39-seitigen Beschluss, der am Donnerstag
veröffentlicht worden ist. Gegen die Einstufung als Naturschutz spreche,
dass das Verbot unabhängig vom Zustand der jeweiligen Waldfläche gilt und
auch Flächen erfasst, auf denen nur noch Totholz liegt oder die sogar ganz
kahl sind. Außerdem werden nur Windkraftanlagen verboten, nicht aber andere
Nutzungen wie zum Beispiel Stromtrassen und Industrieanlagen.
Das Verfassungsgericht stellte in einem zweiten Schritt fest, dass
Bundesrecht für die Windkraftnutzung außerhalb von Städten eine
abschließende Regelung getroffen hat. So gelten Windräder als privilegierte
Bauten, die auch im „Außenbereich“ zulässig sind. Diese Regelung steht in
Paragraf 35 des Baugesetzbuchs. Es fehle jedes Anzeichen, dass der Bund
eine Landesregelung ermöglichen wollte, wonach im gesamten Wald eines
Landes Windräder verboten sind. Dagegen spreche auch, so die Richter:innen,
„dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren
Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a Grundgesetz und durch
grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels
leistet“. Artikel 20a erklärt den Schutz der Umwelt zum Staatsziel.
In Thüringen können nun auch in Wäldern neue Windräder geplant werden. 34
Prozent der Landesfläche Thüringens besteht aus Wald. Teilweise ist jedoch
wegen Sturmschäden oder Schädlingsbefall eine forstwirtschaftliche Nutzung
nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich.
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte, das Gericht habe der
„ideologisch getriebenen Verbotsregelung“ die Verfassungswidrigkeit
attestiert.
10 Nov 2022
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Thüringen
Schwerpunkt Klimawandel
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