| # taz.de -- Wahlleute aller US-Bundesstaaten stehen fest: 306 für Joe Biden | |
| > US-Sender haben bei der Wahl den Sieger in den letzten beiden | |
| > Bundesstaaten ausgerufen. Biden kommt auf dieselbe Zahl von Wahlleuten | |
| > wie Trump vor vier Jahren. | |
| Bild: Trump wird ihm die Übergangsphase wohl nicht leicht machen: der neu gew�… | |
| Washington/NEW YORK dpa/afp | Joe Biden hat die Wahl nach jüngsten | |
| Prognosen von Fernsehsendern mit exakt demselben Vorsprung gewonnen wie der | |
| nun unterlegene Amtsinhaber Donald Trump vor vier Jahren. Den Berechnungen | |
| zufolge kommt Biden auf 306 Wahlleute – deutlich mehr als die für einen | |
| Sieg erforderlichen 270. Im Streit um die Wahl steigt indes der Druck auf | |
| Trump, der das Resultat nicht anerkennen will. Mehrere US-Behörden wiesen | |
| von ihm verbreitete Gerüchte über Wahlfälschung zurück und sprachen von der | |
| sichersten Abstimmung der US-Geschichte. | |
| Die Sender CNN, NBC, ABC und CBS prognostizierten am Freitag, dass der | |
| Demokrat Biden den Bundesstaat Georgia mit seinen 16 Wahlleuten gewonnen | |
| habe. Zugleich erklärten CNN und ABC, Trump habe das ebenfalls umkämpfte | |
| North Carolina mit seinen 15 Wahlleuten für sich entschieden. Das waren die | |
| letzten beiden Bundesstaaten, in denen noch kein Sieger bei der Wahl vom | |
| Dienstag vergangener Woche ausgerufen worden war. Georgia war bei der Wahl | |
| 2016 noch an Trump gegangen. Zuletzt hatten sich die Demokraten den | |
| Bundesstaat 1992 mit Bill Clinton sichern können. | |
| In Stein gemeißelt ist das diesjährige Ergebnis noch nicht: Die | |
| Bundesstaaten müssen die Ergebnisse noch zertifizieren, die Wahlleute geben | |
| dann am 14. Dezember ihre Stimmen ab. In Georgia begann am Freitag wegen | |
| des engen Wahlausgangs eine Neuauszählung aller Stimmzettel. Biden hat dort | |
| aber mehr als 14.000 Stimmen Vorsprung. Es gilt als nahezu ausgeschlossen, | |
| dass sich das bei einer Neuauszählung grundlegend ändert. | |
| In den USA ist es üblich, dass die Präsidentenwahl auf der Basis von | |
| Prognosen großer Medienhäuser als entschieden gilt – normalerweise noch in | |
| der Wahlnacht. Die amtlichen Ergebnisse kommen teils erst viel später. | |
| Wegen der Corona-Pandemie hatten Millionen Amerikaner dieses Jahr aber per | |
| Brief abgestimmt, weshalb sich die Auszählung der Stimmen hinzog. | |
| ## Mehr als fünf Millionen Stimmen Vorsprung | |
| Trump hatte die Wahl 2016 exakt mit Bidens jetzigem prognostizierten | |
| Ergebnis gegen seine damalige Konkurrentin Hillary Clinton gewonnen: Er kam | |
| damals auf 306 Wahlleute, Clinton auf 232. Im sogenannten Electoral College | |
| stimmten letztlich allerdings nur 304 Wahlleute für den Republikaner. | |
| Trump kommt nach den Prognosen der Sender jetzt ebenfalls auf 232. Er hatte | |
| 2016 von einem „Erdrutschsieg“ gesprochen, obwohl er zwar die meisten | |
| Wahlleute in den Bundesstaaten einsammeln konnte, landesweit aber knapp | |
| drei Millionen weniger Wählerstimmen erhielt als Clinton. | |
| Bei den landesweiten Wählerstimmen liegt Biden mehr als fünf Millionen vor | |
| Trump: Der Demokrat kommt demnach auf knapp 78 Millionen Stimmen (50,8 | |
| Prozent), der Republikaner auf 72,7 Millionen (47,5 Prozent). | |
| ## Andeutung eines Einlenkens | |
| US-Präsident Donald Trump verweigert weiterhin ein Eingeständnis seiner | |
| Wahlniederlage. Bei seinen ersten öffentlichen Äußerungen seit Verkündung | |
| des Wahlergebnisses schien Trump aber erstmals ein mögliches Einlenken | |
| anzudeuten. | |
| Trump hielt am Freitag im Rosengarten des Weißen Hauses eine Ansprache zum | |
| Thema Coronavirus. „Diese Regierung wird nicht in einen Lockdown gehen“, | |
| sagte der Präsident trotz rapide ansteigender Corona-Fallzahlen. | |
| „Hoffentlich – was auch immer in der Zukunft passiert, wer weiß, welche | |
| Regierung es sein wird, ich denke, das wird die Zukunft zeigen – aber ich | |
| kann Ihnen sagen: Diese Regierung wird nicht in einen Lockdown gehen.“ | |
| Weder nahm er damit wie mehrfach zuvor einen Wahlsieg für sich in Anspruch, | |
| noch räumte er seine Niederlage gegen Biden ein. Fragen von Journalisten | |
| beantwortete der Amtsinhaber nicht. Trump hatte sich zuletzt am Donnerstag | |
| vergangener Woche vor Kameras geäußert. Zwei Tage später verkündeten die | |
| US-Sender den Sieg seines Herausforderers Biden, nachdem dieser den | |
| Schlüsselstaat Pennsylvania für sich entschieden hatte. | |
| Trumps Anwälte haben Klagen in mehreren Bundesstaaten angestrengt, darin | |
| jedoch keine Belege für großangelegte Wahlfälschungen oder Fehler | |
| geliefert. Mehrere US-Behörden hatten am Donnerstag mitgeteilt, die Wahl am | |
| 3. November [1][sei die sicherste in der amerikanischen Geschichte | |
| gewesen]. | |
| In einer Mitteilung, die unter anderen von Vertretern der | |
| Cybersicherheitsagentur des Heimatschutzministeriums sowie der | |
| Vereinigungen der Wahlleiter der Bundesstaaten herausgegeben wurde, hieß es | |
| zudem: „Es gibt keine Belege dafür, dass ein Abstimmungssystem Stimmen | |
| gelöscht oder verändert hätte – oder auf irgendwelche Weise kompromittiert | |
| worden wäre.“ | |
| Mit seiner Weigerung, das Ergebnis anzuerkennen, erschwert Trump Wahlsieger | |
| Biden die [2][Vorbereitung der Amtsübernahme]. Bislang arbeiten Regierung | |
| und Verwaltung nicht mit dem Übergangsteam des US-Demokraten zusammen, der | |
| am 20. Januar als neuer Präsident vereidigt werden soll. | |
| ## Trump will „Hallo“ sagen | |
| [3][Trump] hofft jetzt auf verstärkte Unterstützung seiner Anhänger. Vor | |
| geplanten Demonstrationen an diesem Samstag in der Hauptstadt Washington | |
| gegen vermeintlichen Wahlbetrug kündigte Trump auf Twitter an, er überlege, | |
| ob er „vorbeikommt und Hallo sagt“. Trump schrieb am Freitag, er fühle sich | |
| ermutigt von „all der enormen Unterstützung da draußen, besonders auf | |
| Kundgebungen, die ganz natürlich überall im Land aufkommen“. Ohne einen | |
| Beleg angeben zu können, wiederholte der Präsident seinen Vorwurf: „Diese | |
| Wahl ist manipuliert gewesen.“ | |
| Unter dem Motto „Stop the Steal“ (Beendet den Diebstahl) haben mehrere | |
| Gruppen für diesen Samstag im Zentrum von Washington [4][zu einem „Marsch | |
| für Trump“ aufgerufen]. Eine Demonstration soll zum Sitz des Obersten | |
| Gerichtshofs der USA führen. Antifa-Gruppen haben zum Protest gegen die | |
| Kundgebung der Trump-Anhänger aufgerufen. | |
| Trumps Handelsberater Peter Navarro sagte am Freitag im TV-Sender Fox News: | |
| „Wir im Weißen Haus agieren weiterhin in der Annahme, dass es eine zweite | |
| Amtszeit von Präsident Trump geben wird.“ Auch die Sprecherin des Weißen | |
| Hauses, Kayleigh McEnany, sagte am Freitag im Sender Fox Business: „Ich | |
| denke, dass der Präsident bei seiner eigenen Amtseinführung anwesend sein | |
| wird.“ Die Frage war, ob Trump zu der Amtseinführungsfeier am 20. Januar | |
| 2021 kommen werde – was die Zeremonie für Wahlsieger Joe Biden sein wird. | |
| ## Gratulation an Biden aus China | |
| Erstmals gratulierte nun auch China Biden und der künftigen | |
| [5][Vizepräsidentin Kamala Harris]. Die Führung in Peking hatte sich anders | |
| als andere mit offiziellen Glückwünschen zurückgehalten. „Wir respektieren | |
| die Wahl der Menschen in Amerika und übermitteln Herrn Biden und Frau | |
| Harris unsere Glückwünsche“, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums … | |
| Freitag. Man verstehe, dass das Ergebnis der US-Wahlen gemäß der US-Gesetze | |
| und der dortigen Verfahren festgelegt werde. Das Verhältnis zwischen China | |
| und den USA hatte sich während der Präsidentschaft Trumps stark | |
| verschlechtert. | |
| Die frühere Präsidentin der US-Notenbank Janet Yellen ist nach | |
| Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg als Finanzministerin unter | |
| dem gewählten US-Präsidenten Joe Biden im Rennen. Es gebe weitere Bewerber, | |
| berichtete Bloomberg am Samstag unter Berufung auf informierte Personen. | |
| Wegen ihrer möglichen neuen Rolle habe Yellen aber Auftritte als Rednerin | |
| abgesagt. | |
| Yellen stand als Notenbankpräsidentin von 2014 bis 2018 für eine lockere | |
| Geldpolitik. Im Oktober hatte sie sich dafür ausgesprochen, die | |
| Corona-Krise nicht nur geldpolitisch, sondern auch durch fiskalpolitische | |
| Stützungsmaßnahmen zu bekämpfen. | |
| ## Demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus sicher | |
| Die US-Demokraten haben ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus erwartungsgemäß | |
| verteidigt und können nach jüngsten Prognosen fest auf mehr als die Hälfte | |
| der 435 Sitze bauen. Mehrere US-Sender und Nachrichtenportale rechnen der | |
| Partei des neu gewählten Präsidenten Joe Biden seit Freitag mindestens 218 | |
| Mandate zu. Diese Zahl dürfte noch steigen, da für rund ein Dutzend | |
| Abgeordnetensitze noch keine Entscheidungen ausgerufen worden sind. | |
| Faktisch bestanden schon seit der Wahlnacht am 3. November keine Zweifel | |
| mehr daran, dass das Repräsentantenhaus auch künftig in den Händen der | |
| Demokraten liegen wird. | |
| Wichtiger für Biden und den Erfolg seiner künftigen Regierungspolitik sind | |
| ohnehin die Mehrheitsverhältnisse in der zweiten Kongresskammer, dem Senat. | |
| Von den 100 Sitzen dort konnten sich die bislang dominierenden Republikaner | |
| von Präsident Donald Trump mindestens 50 sichern, die Demokraten kommen | |
| Stand jetzt auf 48. Zwei Rennen im Bundesstaat Georgia sind noch offen: | |
| Dort stehen Anfang Januar Stichwahlen zwischen zwei republikanischen | |
| Amtsinhabern und ihren demokratischen Herausforderern an. Die Demokraten | |
| haben also weiter die Aussicht auf eine Mehrheit im Senat – allerdings | |
| werden den Republikanern gute Chancen beigemessen, die in Georgia zu | |
| vergebenden Sitze zu behalten. | |
| Der Senat hat enormen Einfluss auf die US-Politik: Er kann nicht nur | |
| Gesetzesvorhaben blockieren, sondern auch Kandidaten des Präsidenten für | |
| Regierungsämter und Richterposten. Die Demokraten hatten sich aufgrund der | |
| Umfragen vor der Wahl große Hoffnungen gemacht, die Mehrheit im Senat | |
| zurückzuerobern und Biden im Falle eines Sieges den Weg zu großangelegten | |
| Reformen zu ebnen. Mehrere republikanische Senatoren, die als | |
| Wackelkandidaten galten, konnten ihre Sitze jedoch verteidigen. | |
| Mit Biden und dessen gewählter Stellvertreterin Kamala Harris im Weißen | |
| Haus würden den Demokraten 50 Sitze für die Kontrolle über den Senat | |
| reichen. Bei einem Patt von 50 zu 50 Stimmen könnte Harris als | |
| Vizepräsidentin mit ihrer Extrastimme eine Blockade der Republikaner | |
| brechen. | |
| 14 Nov 2020 | |
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