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# taz.de -- Militärausgaben und Nato-Interessen: Zu viel verlangt
> Nach dem Sieg von Joe Biden soll Deutschland wieder mehr für das Militär
> ausgeben. Die Forderung ist nicht neu, die Begründung aber schon.
Bild: Rückkehr der U33, die Aufklärungsfahrten an der Außengrenze der NATO u…
Das deutsche Begrüßungsgeschenk [1][für Joe Biden] könnte teuer werden:
Nach der US-Wahl müsse sich Deutschland zu deutlich höheren Militärausgaben
und dem 2-Prozent-Ziel der Nato bekennen, heißt es in dieser Woche geballt
aus der CDU, vereinzelt aus der SPD und erstmals auch von einem Grünen.
„Wir sollten Joe Biden und Kamala Harris den Erfolg beim 2-Prozent-Ziel
gönnen, um auch den USA zu zeigen, dass Augenhöhe sich auszahlt“, schreibt
der Ex-Bundestagsabgeordnete [2][Volker Beck in einem Blogbeitrag.]
Die Begründung ist neu, das Ansinnen nicht: Im Jahr 2014 hatten sich die
Nato-Staaten darauf geeinigt, die nationalen Militärausgaben innerhalb von
zehn Jahren in Richtung auf 2 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts
zu erhöhen. Deutschland hat seine Ausgaben seitdem, gemessen an
Nato-Kriterien, von knapp 35 Milliarden auf über 51 Milliarden Euro erhöht,
bleibt prozentual aber immer noch deutlich unter dem Zielwert.
Überraschend kommen die Forderungen nach noch höheren Militärausgaben daher
nicht. Die Debatte verliefe ähnlich, wenn der Wahlsieger Donald Trump
hieße, und es gäbe sie auch, wenn die USA gar nicht gewählt hätten.
Allerdings: Sinnvoll war die Nato-Quote schon 2014 nicht. Statt das falsche
Versprechen jetzt zu erneuern, sollte die Bundesregierung den Wechsel im
Weißen Haus zum Anlass nehmen, im Bündnis einen alternativen Zielwert
vorzuschlagen.
Zu diesem Schluss kann nicht nur kommen, wer Militär oder Nato per se
ablehnt. Untauglich müsste das 2-Prozent-Ziel eigentlich auch aus Sicht
derer sein, die sich eine Nato wünschen, die gerüstet ist sowohl für die
Bündnisverteidigung gegen Russland als auch für Interventionen in aller
Welt. Das 2-Prozent-Ziel misst nämlich nicht die Mitgliedsbeiträge an das
Bündnis und zeigt nicht an, wer welchen Anteil an einer gemeinsamen Last
trägt.
Die Nato-Quote misst lediglich, wie viel Geld ein Mitgliedsstaat für
Verteidigung und Angriff insgesamt ausgibt. Wie viel davon im Sinne der
Nato verwendet wird und wie viel für andere Zwecke draufgeht, erfasst sie
nicht.
Diese Kritik ist ebenfalls nicht neu. In diesen Tagen lässt sie sich aber
besonders eindrücklich veranschaulichen – am [3][Beispiel der Türkei und
des Kriegs um Bergkarabach]. Gemessen an den Nato-Kriterien, ist die Türkei
ein Premiummitglied. Kein Posten im türkischen Staatshaushalt steigt so
rasant wie der Militäretat. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, beträgt er
derzeit 1,91 Prozent. Ein Teil dieser Ausgaben kommt auch tatsächlich dem
Bündnis zugute, die Türkei unterhält zum Beispiel ein Radarsystem als Teil
der Nato-Raketenabwehr.
Vor allem nutzt die türkische Regierung ihre gestärkte Armee aber, um im
Alleingang in diversen internationalen Konflikt mitzumischen. Offen in
Syrien und Libyen, noch etwas verdeckter als Partner Aserbaidschans im
Krieg gegen Armenien. Dieser Krieg ist nicht im Sinne der Nato, im
Gegenteil: Er destabilisiert eine Nachbarregion, stärkt Russland und
schwächt die angeblichen gemeinsamen Werte (Demokratie, Freiheit, Recht).
Trotzdem hilft er der Türkei wohl dabei, sich de- 2 Prozent-Ziel
anzunähern.
Hier könnte eine neue Zielmarke ansetzen. Einen entsprechenden Vorschlag
hat Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer im Sommer schon mal gemacht:
Nicht mehr messen, wie viel Geld ein Staat insgesamt ins Militär steckt,
sondern aufschreiben, welche Waffen und Fähigkeiten die Nato braucht. Gemäß
der Wirtschaftskraft absprechen, wer was anschafft. Und hinterher
nachmessen, was angeschafft wurde.
Solch ein Modus hätte immer noch den Makel, dass er sich zu stark auf
Militär und Nato als Instrumente der Konfliktlösung fokussiert. Die
Ausgaben würden auch kaum auf das Niveau von 2014 sinken. Zumindest aber
wäre das Ziel nicht mehr willkürlich gesetzt. Und das ist bei einem
zigmilliardenschweren Haushaltsposten nicht zu viel verlangt.
13 Nov 2020
## LINKS
[1] /Internationale-Reaktionen-auf-Wahlsieg-Bidens/!5724115
[2] https://starke-meinungen.de/blog/2020/11/08/die-transatlantische-renaissanc…
[3] /Krieg-in-Bergkarabach/!5728255
## AUTOREN
Tobias Schulze
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