| # taz.de -- Nach der US-Wahl: Überhebliche Staaten von Amerika | |
| > In die Kommentierung der Wahl in den USA hat sich ein Ton eingeschlichen, | |
| > der unserer Autorin missfällt. Eine Ermahnung – auch an Joe Biden. | |
| Bild: Fernsehmonitore im Besprechungsraum des Weißen Hauses am 9.November 2020 | |
| Seit Tagen sitze ich wie festgeklebt vor CNN. Immer häufiger zucke ich | |
| jedoch zusammen, weil sich da ein Ton einschleicht, den ich jahrzehntelang | |
| nur zu gut kannte, inzwischen aber fast vergessen hatte. Und den ich noch | |
| nie ertragen konnte. | |
| Wie ausgerechnet der Außenminister so etwas sagen könne, empörte sich eine | |
| Moderatorin nach der Äußerung von [1][Mike Pompeo], es werde einen | |
| reibungslosen Übergang zu einer zweiten Amtszeit von Trump geben. Die | |
| Journalistin war fassungslos. Schließlich gehöre es zu den Aufgaben des | |
| Außenministers, andere Staaten zum Respekt vor Wahlergebnissen zu | |
| ermahnen. | |
| Tatsächlich? Wer hat Mike Pompeo denn mit dieser Aufgabe betraut? Die UNO? | |
| Nein. | |
| Viele Leute in den Vereinigten Staaten fühlen sich zu dieser Rolle quasi | |
| naturrechtlich berufen, sind sie doch „die älteste Demokratie der Welt“, | |
| wie die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright vor ein paar Tagen | |
| behauptete. Sie müsste es eigentlich besser wissen. Als promovierte | |
| Politologin hat sie sicher schon mal von der Demokratie in der griechischen | |
| Antike, von der Magna Carta und der englischen Bill of Rights gehört. | |
| ## Demokratie ohne Wahlrecht für alle | |
| Frühe Formen der Demokratie lassen sich nicht mit der heutigen vergleichen, | |
| sie haben große Teile der Bevölkerung von der politischen Teilhabe | |
| ausgeschlossen. Das ist aber kein Argument, denn es galt ursprünglich auch | |
| für die Demokratie in den USA. Das Frauenwahlrecht wurde dort erst 1920 | |
| eingeführt, ein Jahr später als in Deutschland. In der Praxis galt es für | |
| weiße Frauen. | |
| Das ist kein Vorwurf. Gerade für eine Deutsche, auch für eine | |
| Nachkriegsgeborene, ist Zurückhaltung angebracht, wenn von historischen | |
| Irrwegen und Versäumnissen die Rede ist. Was aber nichts daran ändert, dass | |
| eine bestimmte Form des US-amerikanischen Selbstbewusstseins – vulgo: | |
| Arroganz – einfach nervt. Nein, es geht um mehr: Sie ist gefährlich für | |
| internationale Beziehungen. | |
| „Wir gelten als das Land, das am meisten bewundert wird in der Welt“, sagte | |
| eine andere CNN-Moderatorin. Wie kommt sie darauf? Also, ich finde Kanada | |
| und Neuseeland ziemlich prima. Natürlich lässt sich darüber diskutieren. | |
| Aber der beiläufige Satz der Kollegin ist ja keine Einladung zu einer | |
| Diskussion. Sondern eine Feststellung. So wie die Erklärung, dass die Erde | |
| keine Scheibe ist. | |
| ## Überheblichkeit und Antiamerikanismus | |
| Selbstverständlich lässt sich sagen, dass es derzeit Wichtigeres gibt. | |
| Angesichts eines Präsidenten, der zwar einerseits dringend sein Amt | |
| behalten will, es aber andererseits offenbar nicht ausüben möchte, wie ein | |
| Kommentator spöttelte. Sondern der eine Woche lang stumm schmollte, | |
| [2][obwohl eine Seuche in seinem Land außer Kontrolle gerät]. Und | |
| angesichts einer ziemlich erfolgreichen Partei – der US-Republikaner –, die | |
| aus Angst, die Wählerschaft zu vergrätzen, sich darum drückt, eine | |
| offenkundige Niederlage ihres Kandidaten einzugestehen. | |
| Dennoch: So unwichtig ist der Ton nicht, in dem politische Diskussionen | |
| geführt werden und in dem über das eigene Land geredet wird. Die | |
| weitverbreitete Überheblichkeit in den USA war lange ein wesentlicher Grund | |
| für Gegenreaktionen wie platten Antiamerikanismus. | |
| In den letzten Jahren ist diese Überheblichkeit verschwunden. Donald Trump | |
| gab Anlass zum Fremdschämen, nicht dazu, sich auf die Brust zu trommeln. | |
| Das hat, soweit ich es beurteilen kann, Sympathie und Verständnis für die | |
| USA bewirkt. Auch in Kreisen, die den Vereinigten Staaten eher kritisch | |
| gegenüberstehen. | |
| Wenn Joe Biden daran liegt, multilaterale Beziehungen zu beleben, dann wäre | |
| es schön, er würde das sehen. Empfohlen wird ein My Bescheidenheit. | |
| 14 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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