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# taz.de -- Begnadigung von Michael Flynn: Fast wie bei Monopoly
> Das Begnadigungsrecht ist eine Verbeugung des Staates vor der Humanität.
> Es überrascht nicht, dass Donald Trump es nun missbraucht.
Bild: Donald Trump hat seinen ehemaligen Sicherheitsberater Michael Flynn begna…
Getümmel, Getümmel, Eilmeldungen. Alle höchst dramatisch – und sehr
erwartbar. Demokraten in den USA sind empört, zumindest einige Republikaner
sind begeistert. Der noch amtierende US-Präsident Donald Trump hat seinen
[1][ehemaligen Sicherheitsberater Michael Flynn b]egnadigt. Der war in die
Russland-Affäre verwickelt und könnte vielleicht noch einiges erzählen, was
für Trump unangenehm wäre. Von Machtmissbrauch bis zu Rehabilitierung eines
Helden reichen die Reaktionen. Die Grundsatzfragen hinter dem Konflikt sind
jedoch interessanter als eilige Pressemitteilungen.
Das Begnadigungsrecht – das übrigens nicht nur der US-Präsident, sondern
auch der deutsche Bundespräsident hat – wirkt auf den ersten Blick wie ein
grotesker Widerspruch zu Prinzipien der Demokratie. Keine
Mehrheitsentscheidung liegt ihm zugrunde, sondern allein der Wille des
Staatsoberhaupts. Warum nicht gleich die Monarchie wieder einführen?
So kann man das sehen. Ich sehe das anders und bin eine Anhängerin des
Begnadigungsrechts. Es erkennt die Tatsache an, dass nicht einmal das beste
Rechtssystem den Anspruch erfüllen kann, den Umständen jedes Einzelfalles
gerecht zu werden. Deshalb ist es manchmal eben geboten, „Gnade vor Recht“
ergehen zu lassen. Anders ausgedrückt: Es ist die Verneigung des Staates
vor der Humanität.
## Wenn sie erst mal auspacken
Selbstverständlich birgt das die Gefahr des Missbrauchs. Wie jedes
Privileg. Und selbstverständlich wird es von Donald Trump missbraucht. Das
kann ja nun nicht wirklich überraschen. Er nutzt Vorrechte bekanntlich gern
für eigene Zwecke. Ich nehme jede Wette an – und das ist kein riskantes
Glücksspiel –, dass er vor seinem Auszug aus dem Weißen Haus auch noch
weitere Leute begnadigen wird, die ihm gefährlich werden können, wenn sie
erst einmal auspacken.
Heftig [2][diskutiert] wird derzeit in den USA eine noch sehr viel weiter
gehende Frage, und hier wird es endgültig absurd: Kann und wird Donald
Trump sich selbst begnadigen, um damit Verfahren abzuwenden, die ihm nach
dem Ende seiner Amtszeit drohen – wenn er nicht mehr immun ist? Ich finde
die Frage lustig. Die Tatsache, dass sich derzeit Verfassungsrechtler und
vielleicht eines Tages der Supreme Court damit auseinandersetzen müssen,
hat eine groteske Seite. Als gebe es derzeit keine drängenderen Probleme.
Vielleicht hätte Donald Trump nicht nur das Recht, sich selbst zu
begnadigen, sondern er dürfte darüber sogar schweigen. Dann wäre es ihm
möglich, erst dann, wenn er sich vor Gericht äußern müsste, eine Karte aus
seinem Jackett zu ziehen und zu erklären, das Verfahren habe sich erledigt.
Er habe sich schon längst begnadigt. Ätsch. „Du kommst aus dem Gefängnis
frei“: Monopoly ist nichts dagegen.
Vermutlich wäre ich weniger fröhlich, wenn ich glaubte, dass Trump sich mit
den Resten seiner Amtsgewalt tatsächlich jeder Verantwortung entziehen
könnte. Aber das ist nicht der Fall. Die Begnadigung eines US-Präsidenten
kann sich nur auf mögliche Verfehlungen beziehen, die auf gesamtstaatlicher
Ebene verfolgt werden. Nicht aber auf Gesetzesverstöße, die von einzelnen
Bundesstaaten untersucht werden.
Da gibt es so einen Staatsanwalt im Bundesstaat New York. Der untersucht
eifrig, fleißig und konsequent mögliche Steuervergehen und die Fälschung
von Geschäftsunterlagen seitens des bisherigen US-Präsidenten. Sollte er
erfolgreich sein, dann könnte Trump sogar im Gefängnis landen. Nein, darauf
würde ich nun wiederum nicht wetten. Aber – möglich wäre es. Immerhin.
28 Nov 2020
## LINKS
[1] /Ex-Sicherheitsberater-des-US-Praesidenten/!5731438
[2] https://www.nytimes.com/2020/11/25/us/politics/trump-pardons.html
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Kolumne Macht
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Begnadigung
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