# taz.de -- Wahl des Bundespräsidenten: Der Konsenspräsident | |
> Steinmeier hat ein sattes Ergebnis eingeholt, eines der besten in der | |
> bundesdeutschen Geschichte. In seiner Rede plädiert er für Weltoffenheit. | |
Bild: Applaus von allen, nur nicht von der AfD: Frank-Walter Steinmeier nach se… | |
BERLIN taz | Auf einen Stock gestützt steht Hans-Christian Ströbele am | |
Sonntagmittag in den Gängen des Berliner Reichstags. Gerade hat der | |
77-jährige Grüne seine Stimme bei der Bundespräsidentenwahl abgegeben. „Ich | |
habe Herrn Butterwegge gewählt“, sagt er. Ein Besserer habe nicht zur | |
Auswahl gestanden. | |
Dabei hätte sich Ströbele auch eine Alternative vorstellen können. Denn die | |
Ansprache, mit der Bundestagspräsident Norbert Lammert am Sonntagmittag die | |
16. Bundesversammlung eröffnet hatte, hat ihm sichtlich gefallen. „Der hat | |
eine gute Rede gehalten“, sagt er. Lammert hätte er auch gern zum | |
Bundespräsidenten gewählt. „Aber der stand leider nicht zur Wahl.“ Nur | |
Frank-Walter Steinmeier wäre für ihn nicht infrage gekommen. Schließlich | |
würde der „immer noch kein Wort des Bedauerns über das Schicksal von Murat | |
Kurnaz finden“. | |
Doch mit dieser Haltung ist Ströbele an diesem Sonntag in der deutlichen | |
Minderheit, auch wenn der Armutsforscher Christoph Butterwegge mit 128 | |
Stimmen deutlich besser abschneidet, als es die Linkspartei erwartet hatte. | |
Immerhin 33 Wahlmänner und -frauen, die nicht von den Linken entsandt | |
wurden, entschieden sich für den Kölner Armutsforscher. | |
Das änderte aber nichts daran, dass Frank-Walter Steinmeier trotzdem eine | |
satte Dreiviertelmehrheit erreichte: 931 von 1.239 Stimmen konnte er auf | |
sich vereinigen. Damit erhielt er das prozentual fünftbeste Ergebnis in der | |
Geschichte der Bundespräsidentenwahlen, in absoluten Zahlen liegt er sogar | |
auf dem zweiten Platz. Nur Joachim Gauck bekam bei der Wahl vor fünf Jahren | |
mehr. | |
## Viele Enthaltungen | |
Es ist eine kurze Rede, die Steinmeier nach seiner Wahl am Sonntag im | |
Berliner Reichstag hält. Ganze neun Minuten spricht der 61-jährige | |
Sozialdemokrat. „Lasst uns mutig sein, dann jedenfalls ist mir um die | |
Zukunft nicht bange“, ruft er den Mitgliedern der Bundesversammlung zu, die | |
ihn gerade mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten gewählt haben. | |
„Freiheit und Demokratie in einem freien Europa“ seien das Fundament, das | |
es zu verteidigen gelte. „Wenn dieses Fundament wackelt, müssen wir umso | |
fester zu diesem Fundament stehen“, fordert Steinmeier. Das klingt schon | |
sehr präsidial. | |
Weniger diplomatische Worte hatte zuvor Norbert Lammert gewählt. Deutlich | |
kritisierte er die Politik des neu gewählten US-Präsidenten, ohne dessen | |
Namen in den Mund zu nehmen. Trotzdem wussten alle, wer gemeint war, als | |
Lammert sagte: „Wer Abschottung anstelle von Weltoffenheit fordert und sich | |
sprichwörtlich einmauert, wer statt auf Freihandel auf Protektionismus | |
setzt und gegenüber dem Zusammenarbeiten der Staaten Isolationismus | |
predigt, wer damit zum Programm erklärt: ‚Wir zuerst‘, darf sich nicht | |
wundern, wenn es ihm andere gleichtun – mit allen fatalen Nebenwirkungen | |
für die internationalen Beziehungen, die uns aus dem 20. Jahrhundert | |
bekannt sind.“ Da applaudierte das gesamte Haus von links nach rechts – mit | |
Ausnahme der ganz rechts sitzenden AfD-VertreterInnen. | |
Steinmeier erhielt acht Stimmen mehr, als die Große Koalition aus Union und | |
SPD an Stimmen aufbieten konnte. Das klingt erst einmal gut – aber | |
überwältigend ist das Ergebnis trotzdem nicht. Schließlich hatte noch die | |
FDP zu seiner Wahl aufgerufen. Und auch die Grünen-Spitze machte aus ihrer | |
Zustimmung für ihn keinen Hehl, auch wenn die Partei keine offizielle | |
Wahlempfehlung ausgesprochen hatte. Der Kandidat hätte also eigentlich weit | |
mehr Stimmen bekommen müssen – doch einige aus der Union haben sich | |
offenbar nicht dazu durchringen können, für den Sozialdemokraten zu | |
stimmen. | |
Das lässt sich an der hohen Zahl von 103 Enthaltungen ebenso ablesen wie an | |
dem Abschneiden der Kandidaten der AfD und der Freien Wähler. So bekam das | |
AfD-Bundesvorstandsmitglied Albrecht Glaser 42 Stimmen, obwohl seine Partei | |
nur mit 35 VertreterInnen vertreten war. Zu den zehn Stimmen aus den Reihen | |
der Freien Wähler bekam Fernsehrichter Alexander Hold sogar 15 hinzu. | |
Engelbert Sonneborn, der 79-jährige Vater des Satirikers Martin Sonneborn | |
und Kandidat der Piraten, bekam 10. | |
## Promis für Parteien | |
Die Bundesversammlung ist immer auch ein Schaulaufen. Gern zeigen die | |
Parteien, welche mehr oder weniger prominente ZeitgenossInnen sich ihnen | |
irgendwie verbunden fühlen. So sind für die CDU der Nagelkünstler Günther | |
Uecker, der Comedian Hape Kerkeling und die Schauspielerin Veronica Ferres | |
dabei. Die SPD kontert mit Iris Berben, Natalia Wörner und Renan Demirkan. | |
Sie hat zudem noch den Schriftsteller Feridun Zaimoglu und mehrere | |
MusikerInnen wie Katja Epstein, Peter Maffay oder Roland Kaiser im Angebot. | |
Kaiser, der die SPD bereits in etlichen Wahlkämpfen unterstützt hat, kann | |
sich auch vorstellen, demnächst mal für Steinmeier ein Konzert im Schloss | |
Bellevue zu geben. „Wenn er mich fragt, mache ich das.“ Ob die Einladung | |
kommen wird, ist allerdings offen: Steinmeier steht bekanntermaßen mehr auf | |
die Rolling Stones. | |
Die Grünen bieten Fußballtrainer Joachim „Jogi“ Löw, die Komikerin Carol… | |
Kebekus und die Travestiekünstlerin Olivia Jones auf, die nach einer | |
Operation auf Krücken gekommen ist. Die FDP hat neben ihr nahestehenden | |
UnternehmerInnen Fechtolympiasiegerin Britta Heidemann und den Publizisten | |
Helmut Markwort dabei. | |
Die Piraten schickten neben dem Satiriker Martin Sonneborn noch den | |
Kabarettisten Volker Pispers. Für die Linkspartei nimmt Semiya Şimşek | |
Demirtatas an der Bundesversammlung teil, die Tochter des ersten bekannten | |
Opfers der NSU-Mordserie. Selbstverständlich dürfen bei der SPD auch der | |
DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und IG-Metall-Chef Jörg Hofmann nicht | |
fehlen, während die Union mächtige MedienunternehmerInnen wie Friede | |
Springer und Stephan Holthoff-Pförtner aufbietet. | |
## Die AfD schickt den Junge-Freiheit-Chef | |
Nur bei der AfD hat es mit der Prominenz nicht ganz so geklappt. | |
Bedeutendere Persönlichkeiten als den Chefredakteur der rechtsnationalen | |
Wochenzeitung Junge Freiheit, Dieter Stein, hat sie wohl nicht finden | |
können. | |
Burkhard Hirsch sitzt auf der Besuchertribüne. Es ist die sechste oder | |
siebte Bundesversammlung, die er miterlebt. So genau weiß der 86-jährige | |
Altliberale das nicht mehr. Er hält Steinmeier für die richtige Wahl. Denn | |
der Bundespräsident präge das gesellschaftliche Klima und forme das | |
politische Bewusstsein. Da sei gerade jetzt eine Stimme der Vernunft | |
wichtig. Denn da seien „in letzter Zeit Geister aufgestiegen, von denen ich | |
glaubte, dass ich mich nie wieder mit ihnen auseinandersetzen müsste.“ | |
12 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
## TAGS | |
Hans-Christian Ströbele | |
Bundespräsident | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Frank-Walter Steinmeier | |
Christoph Butterwegge | |
Bundespräsident | |
Schlager | |
Frank-Walter Steinmeier | |
Frank-Walter Steinmeier | |
Bundespräsident | |
Frank-Walter Steinmeier | |
Frank-Walter Steinmeier | |
Christoph Butterwegge | |
Frank-Walter Steinmeier | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bundespräsidenten-Kandidat Trabert: Für die zu wenig Gehörten | |
Gerhard Trabert versteht sich als Fürsprecher für sozial Benachteiligte. | |
Seine Kandidatur sieht er als Chance – egal wie es ausgeht. | |
Roland Kaisers 65. Geburtstag: Von Rente keine Spur | |
Roland Kaiser wird am Mittwoch 65 Jahre alt. Feiern kann das aktive | |
SPD-Mitglied aber auch seine zahlreichen Erfolge. | |
Steinmeiers Rede nach seiner Vereidigung: Offensiv für die Demokratie kämpfen | |
Der neue Bundespräsident fordert von Erdoğan Mäßigung und die Freilassung | |
Deniz Yücels. Er kündigt außerdem an, bei Grundsatzfragen parteiisch zu | |
sein. | |
Die Arbeit der Präsidentenfrauen: Habe die Ehre | |
Der Job der Präsidentenpartnerin wird gerne belächelt. Dabei sind ihre | |
gesellschaftlichen Aufgaben wichtig, anstrengend – und leider unbezahlt. | |
Die First Lady startet ins Amt: Schon wieder eine Frau | |
Elke Büdenbender ist die neue First Lady. Als Verwaltungsrichterin pausiert | |
sie derweil. Ihr Ehemann Frank-Walter Steinmeier folgt ihr ins Amt. | |
Kommentar Bundespräsident Steinmeier: Klatsche für Merkel | |
Die Wahl Steinmeiers zum Bundespräsidenten sieht nur oberflächlich wie ein | |
satter Konsens aus. Sie ist aber eine empfindliche Niederlage für Merkel. | |
Wahl des Bundespräsidenten: Steinmeier wird Präsident | |
Frank-Walter Steinmeier wird der nächste Bundespräsident. Linken-Kandidat | |
Christoph Butterwegge bekam 128 von 1.239 Stimmen. | |
Christoph Butterwegge im taz Café: „Offenheit ist mir zu vage“ | |
Christoph Butterwegge, Bundespräsidentschaftskandidat der Linken, | |
diskutierte im taz Café über Arm, Reich und die Ziele unserer Gesellschaft. | |
Zukünftiger Bundespräsident Steinmeier: Sozialkundelehrer der Nation | |
Am Sonntag wird Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten gewählt. Der | |
SPD-Politiker hat vor, die Demokratie zu retten. |