# taz.de -- Christoph Butterwegge im taz Café: „Offenheit ist mir zu vage“ | |
> Christoph Butterwegge, Bundespräsidentschaftskandidat der Linken, | |
> diskutierte im taz Café über Arm, Reich und die Ziele unserer | |
> Gesellschaft. | |
Bild: 60 Menschen diskutierten im taz Café mit Christoph Butterwegge | |
„Was soll eine 'offene Gesellschaft’ überhaupt sein?“, fragt Christoph | |
Butterwegge schon früh in der Diskussion. Rund 60 Interessierte sind | |
gekommen, um bei der Veranstaltung von taz.meinland im taz Café dabei zu | |
sein. Es gibt viel zustimmendes Nicken und Raunen, doch auch viele | |
kritische Nachfragen aus dem Publikum, die unbeantwortet bleiben. | |
„Die Decke der Demokratie in Deutschland ist dünn geworden“, sagt Barbara | |
Junge, stellvertretende Chefredakteurin der taz. Zusammen mit Pascal | |
Beucker, Inlandsredakteur, moderiert sie die Veranstaltung. „Deswegen | |
streiten wir mit dem Projekt taz.meinland für die offene Gesellschaft.“ | |
Christoph Butterwegge, inzwischen emeritierter Professor für | |
Politikwissenschaften, sieht den Begriff kritisch: „Offenheit ist mir zu | |
vage. Ich denke die Gesellschaft muss inklusiv sein – darunter kann ich mir | |
etwas vorstellen. Inklusiv heißt, dass die Gesellschaft selbst sich | |
verändern muss.“ | |
Aber meint inklusiv nicht auch, tatsächlich alle Meinungen zu tolerieren? | |
Alle Menschen zu inkludieren, unabhängig von Gehalt, Alter oder politischer | |
Haltung? Und setzt Inklusion nicht immer auch eine Mehrheitsgesellschaft | |
voraus? | |
Vielen mag Butterwegge eher als Wissenschaftler bekannt sein. Als | |
„Armutsforscher“, als Diskutant in zahlreichen Talkshows. Von 1970 bis 1975 | |
und von 1987 bis 2005 war Mitglied der SPD. „Die Gründe, warum ich aus der | |
Partei ausgetreten bin, existieren noch heute. Pascal Beucker hat in der | |
taz einmal [1][geschrieben, mit der SPD verbinde mich eine Hassliebe]. Ich | |
würde sagen, dass ich die SPD noch nie geliebt habe. Aber ich habe sie auch | |
noch nie gehasst.“ | |
## Den Reichen das Geld wegnehmen? | |
Nun tritt er morgen, am 12. Februar 2017, gegen Frank-Walter Steinmeier als | |
Bundespräsidentschaftskandidat an. Ein Kampf, den er verlieren wird. | |
„Präsidiale Reden müssen politischer werden“, fordert Butterwegge daher u… | |
scherzt: „Das möchte ich dem künftigen Bundespräsidenten mit auf den Weg | |
geben – für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich es nicht werde.“ | |
Wofür aber würde er kämpfen, wenn er es doch werden würde, fragt Beucker, | |
der selbst einmal als Student bei Butterwegge in dessen Vorlesungen saß. | |
Mit der Agenda 2010 hätte Rot-Grün neoliberale Reformen eingeführt – und | |
sie sei ein günstiger Nährboden für den heutigen Rechtspopulismus gewesen. | |
Die soziale Gerechtigkeit habe abgenommen. „Die Reichen werden immer | |
Reicher und die Armen immer ärmer. Ich will eine Umverteilung von oben nach | |
unten“, sagt Butterwegge. „Ich kämpfe für einen stabilen Sozialstaat.“ | |
Eine Aussage, die in der Diskussion auf viel Zustimmung einerseits, aber | |
auch auf Unverständnis andererseits stößt. „Die Lösung kann doch nicht | |
sein, den Reichen das Geld wegzunehmen, um den es den Armen zu geben – so | |
funktioniert das einfach nicht!“, entgegnet ein Veranstaltungsteilnehmer. | |
Das Problem sei größer viel größer – Butterwegge übersehe den | |
übergeordneten Rahmen. | |
## „Wir müssen alle Menschen wahrnehmen“ | |
„Ich finde es gut, dass solche Dinge auch mal von der Politik angesprochen | |
werden“, meint hingegen Heike Thulmann, die die Diskussion im Publikum | |
mitverfolgte, nach der Veranstaltung. „Wir brauchen einen Ausgleich von Arm | |
und Reich, sonst bricht doch die Gesellschaft auseinander.“ | |
Nicht nur die Armutsschere sei das Problem. Menschen mit geringem Einkommen | |
beteiligen sich auch kaum mehr an den Wahlen, meint Butterwegge. „Die AfD | |
ist eine Partei der Privilegierten. Die Verantwortung liegt jetzt bei der | |
Mitte der Gesellschaft.“ Die Mitte: ein Kollektiv von LeistungsträgerInnen? | |
Sie soll einen Ausgleich zum politischen Extremismus, in beide Richtungen | |
leisten. Aber wie soll das aussehen? | |
„Sollte man nicht versuchen, gerade die sogenannte 'untere | |
Gesellschaftsschicht’ zu erreichen?“, fragt ein junger Mann aus dem | |
Publikum. „Wie kommt es, dass diese potentielle Wählerschicht nicht | |
erreicht werden kann? Wieso wählen denn so wenig Menschen links?“ Fragen, | |
die unbeantwortet bleiben. | |
Am Ende fasst eine Veranstaltungsteilnehmerin zusammen, was allgemeiner | |
Konsens des Abends zu sein scheint. Eine Forderung, um der offenen | |
Gesellschaft näher zu kommen: „Es kommt auf uns alle an. Wir müssen unsere | |
eigene Haltung ändern und wir müssen alle Menschen wahrnehmen!“ | |
Dieser Text ist im [2][Original] auf dem taz-Hausblog in der Sektion | |
[3][taz.meinland] erschienen. | |
12 Feb 2017 | |
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[2] http://blogs.taz.de/meinland/2017/02/11/disskussion-mit-butterwegge/ | |
[3] http://blogs.taz.de/meinland/bio/ | |
## AUTOREN | |
Ann-Kathrin Liedtke | |
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