# taz.de -- Votum in Papua-Neuguinea: Die Unabhängigkeit lockt | |
> Bougainville stimmt für die Unabhängigkeit. Das könnte die strategischen | |
> Kräfteverhältnisse im Südpazifik weiter zugunsten Chinas verschieben. | |
Bild: Stolze Teilnehmerinnen des Unabhängigkeitsreferendums in Buka Ende Novem… | |
BERLIN taz | Wird die Unabhängigkeit der Südsee-Inselgruppe Bougainville, | |
die einst deutsches Kolonialgebiet war und deren Bewohner jetzt für die | |
Trennung von Papua-Neuguinea stimmten, Pekings Einfluss im Südpazifik | |
vergrößern? Das fürchten Strategen in Australien, Neuseeland und den USA. | |
Peking hatte den Südpazifik schon vor einiger Zeit in seine „Belt and Road | |
Initiative“ aufgenommen, die als „[1][Neue Seidenstraße]“ bezeichnet wir… | |
längst aber eine globale Ausdehnung hat. | |
Dabei dürfte der Ausgang des Referendums, das vom 23. November bis 7. | |
Dezember stattfand, niemanden überrascht haben. Beobachter hatten mit einem | |
Ja zur Unabhängigkeit gerechnet. | |
Trotzdem war das Ergebnis vom Mittwoch mit 97,7 Prozent Zustimmung | |
unerwartet deutlich. Das erhöht jetzt den Druck auf Papua-Neuguinea, | |
Bougainville wirklich in die Unabhängigkeit zu entlassen. | |
## Papua-Neuguinea „braucht Zeit“ | |
„Ich bitte um etwas Zeit, damit die Menschen in Papua-Neuguinea das | |
Ergebnis annehmen und verarbeiten können“, sagte ein Regierungssprecher in | |
Port Moresby. | |
Positiv ist, dass es bei und nach dem Referendum absolut friedlich blieb, | |
ein starker Kontrast etwa zur massiven Gewalt proindonesischer Milizen nach | |
dem [2][Unabhängigkeitsreferendum in Osttimor 1999], die eine | |
internationale Interventionstruppe beenden musste. | |
Als Nächstes müssen Bougainvilles Autonomieregierung und die Regierung in | |
Port Moresby das weitere Prozedere aushandeln. Das letzte Wort hat | |
Papua-Neuguineas Parlament. | |
Der Chef der Referendumskommission, Irlands Ex-Premier Bertie Ahern, | |
forderte am Mittwoch, das Ergebnis des Referendums anzuerkennen. Offiziell | |
ist es unverbindlich. Mit der Unabhängigkeit der Inselgruppe mit 300.000 | |
Einwohnern ist erst in einigen Jahren zu rechnen. | |
## Tödliche Seeblockade | |
Das Referendum war Teil des Friedensabkommen von 2001, das den Bürgerkrieg | |
(1988 bis 1998) auf der rohstoffreichen Inselgruppe beendete. Damals | |
starben rund 15.000 Menschen, die meisten durch eine Seeblockade, die keine | |
Lebensmittel und Medikamente mehr auf die Inselgruppe ließ. | |
Als Papua-Neuguinea jetzt [3][nicht genug Geld für das 7,4 Millionen | |
US-Dollar teure Referendum] hatte, sprangen sofort die USA, Australien, | |
Neuseeland und Japan mit 2 Millionen ein. Laut einem Agenturbericht ging es | |
darum, China draußen zu halten, bevor es überhaupt angefragt wurde. China | |
sollte nicht Geburtshelfer von Bougainvilles Unabhängigkeit werden. | |
Dabei ist Papua-Neuginea, bis 1975 eine Kolonie Australiens, längst der | |
größte Empfänger chinesischer Hilfe im Pazifik. Das Land erhielt laut | |
Lowy-Institute in Sydney von 2006 bis 2016 632 Millionen Dollar aus Peking. | |
China war es zuletzt im September gelungen, mit den beiden Pazifikstaaten | |
Salomonen und Kiribati diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Voraussetzung | |
dafür war, dass beide Länder ihre langjährigen Beziehungen mit Taiwan | |
beenden, das Peking als abtrünnige Provinz sieht. | |
Die Regierungen der beiden Inselstaaten ließen sich jetzt von Chinas | |
großzügigen Versprechen kaufen, die offenbar opulenter waren als die in | |
Aussicht gestellten Mittel Taiwans. | |
Inzwischen gelten die pazifischen Marschall-Inseln, eines von nur noch 15 | |
Ländern mit diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, als womöglich nächster | |
Staat, der von Taiwan zu China wechselt und damit Pekings Einfluss in der | |
Region weiter vergrößern könnte. Die Inseln sind für die Kontrolle großer | |
Seegebiete durch das US-Militär wichtig und waren der Ort vieler | |
US-Atomtests. | |
## Institut: Bougainville wird länger Hilfe brauchen | |
Laut Lowy-Institut ist Bougainville auf längere Zeit ökonomisch nicht | |
allein lebensfähig. Die größte potenzielle Einnahmequelle wäre die | |
Panguna-Mine, eine der weltgrößten Kupfer- und Goldminen. Der Wert der | |
Vorkommen dort wird auf 58 Milliarden Dollar geschätzt. | |
Der einst weltgrößte Kupfertagebau in der Mine trug in den 1980er Jahren zu | |
zwei Dritteln der Einnahmen Papua-Neuguineas bei. Doch die Anwohner hatten | |
davon nichts außer massiven Umweltproblemen. Ihre Proteste nährten eine | |
bewaffnete Unabhängigkeitsbewegung, deren „Ökokrieg“ 1989 Panguna | |
stilllegte. Die Regierung von Papua-Neuguinea versuchte zum Teil mit | |
ausländischen Söldnern den Widerstand zu brechen – vergeblich. | |
Inzwischen sind Schätzungen zufolge Investitionen von 4,5 Milliarden Dollar | |
nötig, um die Panguna-Mine wieder starten zu können. Doch auch hier wird | |
damit gerechnet, dass China daran das größte Interesse haben dürfte und am | |
ehesten die benötigte Summe aufbringen kann. Geht das schief, könnte | |
Bougainville seine Unabhängigkeit schnell wieder verlieren. | |
12 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Kommentar-EU-China-Gipfel/!5584733 | |
[2] /Osttimor-20-Jahre-nach-dem-Referendum/!5619194 | |
[3] /Verschwendung-in-Papua-Neuginea/!5542727 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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