# taz.de -- Vorwahlkampf in Hamburg: Grüne wagen wieder Schulpolitik | |
> Für mehr Bildungsgerechtigkeit wollen sich Hamburgs Grüne einsetzen, etwa | |
> durch eine neue Prüfkultur. Bislang überließen sie die Schulpolitik der | |
> SPD. | |
Bild: Soll nach Ansicht von Hamburgs Grünen früher stattfinden: Sprachbildung… | |
HAMBURG taz | Hamburgs Grüne wollen sich für mehr | |
[1][Bildungsgerechtigkeit] stark machen. Denn die sei wichtig, damit | |
„unsere demokratische Gesellschaft stabil bleibt“, heißt es in einem | |
32-Seiten-Leitantrag, über den am 7. November abgestimmt werden soll. Die | |
Partei setzt dabei auf frühe Förderung der Kinder und die „Stärkung des | |
Lernens im eigenen Takt“. | |
In Hamburg wird in 16 Monaten gewählt. [2][Der Antrag] sei noch nicht das | |
Wahlprogramm für 2025, sagt die Landesvorsitzende Maryam Blumenthal der | |
taz. „Es geht um eine langfristige Perspektive.“ | |
Im Zuge einer „[3][Planwerkstatt 2030]“ habe man in einem längeren Prozess | |
beraten, wie Hamburg sich bis 2030 aufstellen will. Gleichwohl hoffe sie, | |
das sich viele Punkte aus dem Papier im Wahlprogramm wiederfinden. Bildung, | |
das habe die Partei nach Analysen der letzten Wahl von 2020 gesehen, sei | |
neben Stadtentwicklung und Wirtschaft eines der Felder, in dem die Grünen | |
sich weiterentwickeln wollten. Noch gut in Erinnerung ist Hamburgern die | |
Volksabstimmung von 2010, bei dem die Grünen mit dem Plan einer | |
sechsjährigen Grundschule scheiterten. | |
Seit 2011 ist der in puncto Lernkultur eher rustikale SPD-Mann Ties Rabe | |
Schulsenator [4][und gibt den Ton an]. Und ziemlich gekracht hatte es, als | |
dieser vor einem Jahr [5][neue Bildungspläne für die Oberstufe] vorlegte – | |
und im Zuge dessen den Schulen auch mehr Klausuren aufbürden und die | |
Möglichkeit einer Klausur-Ersatzleistung streichen wollte. Auch sollte das | |
Mündliche weniger zählen. Letztlich [6][ruderte Rabe zurück]. | |
In dem Grünen-Leitantrag heißt es nun, der damalige schulformübergreifende | |
Aufschrei habe gezeigt, dass es „in der Stadt eine Sensibilität für das | |
Thema ‚Prüfungskultur‘ gibt“. In der heutigen digitalisierten und | |
globalisierten Gesellschaft gehe es weniger um „reine Anhäufung des | |
Faktenwissens“ als um Kompetenzen wie Teamfähigkeit und | |
Problemlösungsstrategien. | |
„Es ist fraglich, ob die Oberstufe Schüler*innen aktuell wirklich auf | |
das vorbereitet, was sie später in der Ausbildung, im Studium oder im Beruf | |
wirklich brauchen“, sagt Blumenthal. Deshalb sollte im Rahmen eines | |
Schulversuchs die „zukunftsfähige Oberstufe“ erprobt werden, in der | |
„modularisiert und flexibel“ das selbst verantwortete Lernen umgesetzt | |
wird. Das könnte auch heißen, dass jemand ein halbes Jahr länger lernt. Zu | |
einer Rückkehr zum neunjährigen Abitur (G9) am Gymnasium, die [7][gerade | |
eine Volksinitiative fordert], äußert sich der Leitantrag nicht. | |
Bereits seit Langem in einem Schulversuch erprobt sind Alternativen zu | |
Schulnoten, die Kinder statt der Eins bis Sechs eine individuelle | |
Rückmeldung ihres Lernfortschritts geben. Hier fordern die Grünen eine | |
Gesetzesänderung, damit alle Schulen bis Jahrgang 7 Schulnoten ersetzen | |
können. Außerdem soll es wieder zwei „Lernentwicklungsgespräche“ pro Jahr | |
geben. Von dieser [8][grünen Erfindung] hatte Rabe 2012 ein Gespräch | |
gestrichen – [9][zur Lehrerentlastung]. | |
Noch mehr tun müsse Hamburg zudem für Bildungsgerechtigkeit, sagen die | |
Grünen. Noch immer erlangen Kinder mit niedrigerem Sozialstatus nur selten | |
Abitur, ebenso Kinder mit Migrationshintergrund. | |
Bisher werden [10][Kinder ab viereinhalb an den Schulen vorgestellt], um | |
den Förderbedarf zu prüfen. De facto fänden viele Vorstellungen erst nach | |
dem fünften Geburtstag und damit zu spät statt, sagt Blumenthal, die selbst | |
Lehrerin an einer Stadtteilschule ist. Die Grünen wollen diese Untersuchung | |
nun auf Dreieinhalbjährige vorziehen, damit die Förderung „frühstmöglich�… | |
beginnt. Die sollte dann in der Kita stattfinden, sagt Blumenthal. | |
Keineswegs sollten diese Kinder früher in die Schule. | |
Als alter [11][Zankapfel] gilt die Frage, ob Gymnasien und Stadtteilschulen | |
sich Schüler aussuchen dürfen. Bis 2012 gab es so einen Schulversuch, der | |
einigen Schulen erlaubte, gut die Hälfte nach Leistung auszuwählen. Seither | |
gilt auch für sie die [12][Wohnortnähe als Kriterium]. Den Grünen schwebt | |
nun vor, dass die Schulen einen Teil ihrer Schüler „gemäß ihrem eigenen | |
Profil“ selbst auswählen – und damit das Kriterium der Wohnortnähe | |
aufgeweicht würde. | |
Angesprochen auf Kritik einer Rosinenpickerei der Schulen sagt Blumenthal, | |
es ginge darum, auf Wünsche von Schülern und Eltern einzugehen. „Ich | |
glaube, dass wir da einen guten Weg erarbeiten können.“ | |
2 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Bildungskrise-in-Deutschland/!5937681 | |
[2] https://gruene-hh.openslides.com/motions/936 | |
[3] https://www.gruene-hamburg.de/planwerkstatt2030/ | |
[4] /Debatte-um-Hamburger-Bildungsplaene/!5868858 | |
[5] /Streit-um-Bildungsplaene-in-Hamburg/!5855112 | |
[6] /Umkaempfte-Bildungsplaene-in-Hamburg/!5900655 | |
[7] /Volksinitiative-in-Hamburg/!5937629 | |
[8] /Bildungspolitikerin-Christa-Goetsch-ueber-ein-Jahr-Primarschul-Niederlage/… | |
[9] /Archiv-Suche/!561583&s=Lernentwicklungsgespr%C3%A4che&SuchRahmen=P… | |
[10] https://www.hamburg.de/bsb/monitoring-programmevaluation/4025966/artikel-v… | |
[11] /Streit-ums-Schuelermixen/!5106634 | |
[12] /Experiment-ausgelaufen/!5108233 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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