# taz.de -- Bildungspolitikerin Christa Goetsch über ein Jahr Primarschul-Nied… | |
> Die große politische Niederlage der Christa Goetsch jährt sich am 18. | |
> Juli. Im Interview erzählt die Bildungspolitikerin, was sie damals hätte | |
> besser machen können. | |
Bild: Könnte sich auch vorstellen, wieder als Lehrerin zu arbeiten: Christa Go… | |
taz: Frau Goetsch, Ihre größte politische Niederlage jährt sich am 18. | |
Juli. Wie denken Sie ein Jahr später über den verlorenen Volksentscheid zur | |
sechsjährigen Primarschule? | |
Christa Goetsch: Es war eine große Enttäuschung für alle, die sich | |
jahrelang für das längere gemeinsame Lernen engagiert haben. Hamburg hat | |
eine Chance verpasst, bildungspolitisch Vorreiter zu sein. | |
Haben Sie zu viel auf einmal gewollt? | |
Unsere Reform war in sich stimmig, aber sehr komplex. Das hat sie | |
vielleicht angreifbar gemacht. Der eigentliche Wunde Punkt war aber das | |
Elternwahlrecht. Es war unser Fehler als Grüne, dass wir bei den | |
Koalitionsverhandlungen mit der CDU nicht auf dessen Beibehaltung bestanden | |
haben. | |
Die Grünen hätten Primarschule und anschließendes Elternwahlrecht gut | |
gefunden? | |
Es entspricht den Prinzipien der Grünen, Wahlfreiheit zu gewähren. Die CDU | |
hatte aber Sorge, dass mit Elternwahlrecht zu viele ans Gymnasium strömen. | |
Ohne das Thema Elternwahlrecht hätten die Gegner der Primarschule nicht so | |
viele Ängste schüren können. Ein weiterer Fehler war, dass wir die | |
regionalen Schulentwicklungskonferenzen, über die bis zum Sommer 2009 an | |
die 2.000 Menschen in die Planung einbezogen wurden, beendet haben. Wir | |
hätten diese Gremien gleich in regionale Bildungskonferenzen überführen | |
sollen. So aber war der Prozess unterbrochen. Es entstand eine Lücke, die | |
die Gegner ausgenutzt haben. | |
Ist die Chance für längeres gemeinsames Lernen für alle Zeit vertan? | |
Fest steht: Durch den Volksentscheid wurde kein Problem gelöst. Es geht | |
weiter darum, ein Auseinanderdriften der Lebenswelten und Bildungschancen | |
der Kinder in dieser Stadt zu verhindern. Gerade Menschen, die von | |
außerhalb kommen, fallen diese Kontraste in Hamburg sehr auf. Mein Ziel, | |
für längeres gemeinsames Lernen zu kämpfen, bleibt nach wie vor bestehen. | |
Das ist für mich keine machtpolitische Frage, sondern eine pädagogische. | |
Schule kann nicht alle Probleme lösen. Aber es ist für die | |
Entwicklungschancen der Kinder besser, wenn sie nicht schon mit zehn Jahren | |
getrennt werden. | |
Aber was tun, wenn Strukturveränderungen politisch nicht durchsetzbar sind? | |
Da muss man einen längeren Atem haben, ähnlich wie beim Atomausstieg. Es | |
wird in Hamburg wieder Zeiten geben, in denen über dieses Thema gesprochen | |
wird. | |
Wie sollte das gehen? | |
Was es jetzt schon gibt, ist die Entwicklung von Grundschulen und | |
Stadtteilschulen zu so genannten Langformschulen. Da haben wir gemeinsames | |
Lernen von Klasse 1 bis 13. Das ist ein Weg, der auch für Eltern attraktiv | |
sein wird. | |
War es ein Fehler, eine Strukturreform flächendeckend zu planen? | |
Ich sehe es im Nachhinein so, dass wir Struktur und Qualität gemeinsam | |
denken müssen. Da brauchten wir Mut zur Gleichzeitigkeit. Es ist aber auch | |
so, dass wir durch die Primarschule bei den inhaltlichen Reformen des | |
Unterrichts - wie Team-Bildung, individualisiertes Lernen mit | |
Lernentwicklungsgesprächen, Sitzenbleiben abschaffen - einen großen Schritt | |
nach vorn machen konnten. Hier habe ich Sorge, dass aus populistischen | |
Gründen vieles wieder zurückgenommen wird. Mit den Themen Sitzenbleiben, | |
Schönschrift, Noten und Diktaten lassen sich wahrscheinlich Volksentscheide | |
gewinnen. | |
Wie stehen Sie zum aktuellen Streit um die Schreibschrift? | |
Von meiner Zeit als Lehrerin weiß ich, dass es sinnvoll sein kann, Kinder, | |
die schon gut Druckschrift können, nicht zur Schreibschrift zu zwingen. Der | |
Konflikt wird aufgebauscht. Es gibt wirklich wichtigere Fragen. | |
Wie beurteilen Sie die Politik ihres Nachfolgers? | |
Zur Hamburger Schulpolitik sollte man sich als ehemalige Schulsenatorin | |
nicht äußern. Das gehört zum Fair Play. | |
Gibt es überhaupt noch die Schulpolitikerin Christa Goetsch? Viele fragen | |
sich, was tut die so? | |
Ich habe mein Bürgerschaftsmandat gerne angenommen und freue mich auf das | |
spannende Ressort Kultur. Und ich halte außerhalb Hamburgs Vorträge zu | |
bildungspolitischen Fragen. | |
Sie sind Lehrerin. Wollen Sie irgendwann wieder unterrichten? | |
Warum nicht. Es ist ein wundervoller Beruf. | |
13 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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