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# taz.de -- Von der Regierung bezahlte Journalisten: 11.000 Euro für eine Mode…
> Das Bundeskanzleramt rechtfertigt eine hohe Zahlung an Linda Zervakis.
> Das intransparente Vorgehen wurde nun auch im Bundestag kritisiert.
Bild: Olaf Scholz, Linda Zervakis beim Panel „Digitalpolitik in der Zeitenwen…
Berlin taz Der Auftakt der Veranstaltungsreihe „Deutschland.
Einwanderungsland. Dialog für Teilhabe und Respekt“ fand am 28. November
2022 im Festsaal Kreuzberg in Berlin statt. Auf der Bühne: Bundeskanzler
Olaf Scholz, Bundesinnenministerin Nancy Faeser,
Integrationsstaatsministerin Reem Alabali-Radovan (alle SPD) und weitere
Gäste. Linda Zervakis, bekannt als langjährige Tagesschausprecherin, jetzt
bei Pro7, moderierte. Die Diskussionsrunde dauerte laut Programm 90
Minuten. Zervakis bekam dafür knapp 11.000 Euro überwiesen.
Diese Veranstaltung ist nun ins Blickfeld geraten, weil Zervakis mit einer
seltsamen Nähe zum Bundeskanzler aufgefallen ist. Wie [1][durch eine
taz-Recherche bekannt wurde], führte sie im Auftrag des Kanzleramts ein
Gespräch mit Scholz auf der Digitalmesse Republica, ohne dass kenntlich
gemacht wurde, dass sie nicht als unabhängige Journalistin agiert.
Die hohe Zahlung an Zervakis für die November-Veranstaltung hat das
Bundeskanzleramt nun gegenüber der taz verteidigt. „Aufgrund des
herausgehobenen Veranstaltungsformates war eine qualifizierte Moderation
angezeigt“, schreibt eine Regierungssprecherin nach knapp einer Woche auf
eine taz-Anfrage. Man habe „mehrere namhafte und entsprechend qualifizierte
Moderator:Innen“ angefragt und dann Zervakis beauftragt. „Die damit
verbundenen Kosten werden angesichts ihrer Expertise und der notwendigen
Qualität der Leistung Frau Zervakis – auch im Marktvergleich – als
angemessen bewertet.“ Das neue Dialogformat um „ein zentrales
integrationspolitisches Vorhaben der Koalition“ habe eine „intensive
inhaltliche Vorbereitung“ erfordert.
Eine intensive inhaltliche Vorbereitung war gewiss auch für Zervakis’
Moderation ein paar Monate zuvor nötig, schließlich war das Thema auf der
Republica selbst für Kanzler Scholz offenbar so knifflig, dass er sich
nicht einer kritischen Befragung aussetzen wollte. Diese Moderation hat
Zervakis offiziell aber ohne Honorar übernommen [2][und nur eine
„Kostenpauschale“ in Höhe von 1.130,50 Euro erhalten]. Der taz liegen
inzwischen Zervakis’ Angebot und Rechnung zur Moderation auf der Republica
vor. Auch aus diesen geht nicht hervor, welche Kosten mit der
„Kostenpauschale“ erstattet werden sollten. Nach Angaben aus dem
Bundeskanzleramt wurden die Details in einer Videokonferenz besprochen –
ohne Dokumentation. Bei anderen Aufträgen aus dem Kanzleramt bekam Zervakis
laut der Regierungssprecherin neben einem Honorar nur die Reisekosten
erstattet – und keine Kostenpauschale.
Auffällig ist nun die hohe Zahlung für den Folgeauftrag aus dem Kanzleramt.
Für die Moderation der Veranstaltung „Deutschland. Einwanderungsland“ bekam
Zervakis genau 10.913,81 Euro überwiesen. Es ist wohl der höchste Betrag,
den eine Person in den vergangenen Jahren für eine Moderation im Auftrag
von Ministerien und anderen Bundesbehörden erhalten hat. Sicher lässt sich
das nicht sagen, weil in einer [3][Antwort der Bundesregierung auf eine
AfD-Anfrage] die Beträge nicht einzeln aufgeführt sind.
Insgesamt wurden der Liste zufolge von 2018 bis Anfang 2023 rund 1,47
Millionen Euro an 200 Journal:innen gezahlt, neben Moderationen auch für
Medientrainings oder Kommunikationskonzepte, die meisten sind für
öffentlich-rechtliche Medien tätig. Die Journalist:innen werden in der
Auflistung nicht mit Namen genannt. Es befindet sich darunter auch
mindestens eine freie taz-Autorin.
Auf Verlangen der AfD hat sich der Bundestag am Donnerstag in einer
Aktuellen Stunde mit dem Thema befasst. Vertreter:innen der
Ampelkoalition und der Union haben die Beauftragung von
Journalist:innen durch Bundesbehörden verteidigt und zugleich
Transparenz und einheitliche Regeln gefordert. Die medienpolitische
Sprecherin der Linksfraktion [4][Petra Sitte kritisierte Kanzler Scholz],
dass er bei seinem Auftritt auf der Republica die nötige Distanz zwischen
Politik und unabhängigem Journaismus habe vermissen lassen. Sie prach von
einem „assistierten Nichtsagen“ und kritisierte, dass Scholz nicht
transparent agierte und versucht habe, „den Umstand der Bezahlung zu
verschleiern“.
Linda Zervakis will keine Fragen der taz beantworten, ihr Manager hat
E-Mails zuletzt ignoriert. Der dpa sagte Zervakis vergangene Woche: „Ich
habe mich zu keiner Zeit von irgendeiner Seite vereinnahmen lassen und
werde diesen Weg auch fortsetzen.“ Auf die konkreten Umstände ihrer
Aufträge aus dem Bundeskanzleramt ging sie in ihrer Stellungnahme nicht
ein.
Transparenzhinweis: Der Autor hat 2019 [5][einen Vortrag auf der Republica]
gehalten. Er bekam dafür kein Geld, aber kostenlosen Eintritt.
17 Mar 2023
## LINKS
[1] /Linda-Zervakis-auf-der-Republica/!5908929
[2] /Olaf-Scholz-auf-der-Republica/!5918049
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/20/058/2005822.pdf
[4] https://www.bundestag.de/mediathek/plenarsitzungen?videoid=7551796#url=L21l…
[5] https://19.re-publica.com/de/session/akte-hannibal-werkstattbericht
## AUTOREN
Sebastian Erb
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