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# taz.de -- Entlassungen bei ProSiebenSat.1: Erst Werbung weg, dann Jobs weg
> ProSiebenSat.1 will 400 Stellen kürzen. Das Unternehmen kämpft mit
> sinkenden Werbeeinnahmen und fokussiert sich immer mehr auf Streaming.
Bild: Lineares Fernsehen wird für ProSiebenSat.1 immer unlukrativer. Ein Onlin…
Einst galt ProSiebenSat.1 mit Blick auf den Konkurrenten RTL als die
inhaltlich „bessere Hälfte“ des deutschen Privatfernsehens. Aber die
Sendergruppe, zu der ProSieben, Sat.1, Kabel Eins, die Videoplattform Joyn
und weitere Unternehmen gehören, durchlebt momentan schwierige Zeiten. Aus
der Firmenzentrale in Unterföhring bei München kam jetzt die Nachricht,
dass in Deutschland 400 Stellen gestrichen werden. Das sind 10 Prozent der
Gesamtbelegschaft.
Bereits seit einigen Monaten gibt es Gerüchte über Entlassungen. Der
Weggang des altgedienten Managers Wolfgang Link, der im Juni angekündigt
wurde, sorgte ebenfalls für Unruhe. Link arbeitete seit 14 Jahren für das
Unternehmen, wo er das Unterhaltungsprogramm der Gruppe maßgeblich geprägt
hatte: Unter anderem holte er Joko und Klaas zu ProSieben.
Auch der Wechsel des langjährigen Erfolgsformats „Blamieren oder Kassieren“
zu RTL machte klar, dass bei den Unterföhringern einiges in Bewegung ist.
Schon seit einigen Jahren läuft es nicht mehr ganz rund: Corona, die Folgen
des Kriegs in der Ukraine, eine galoppierende Inflation und einiges andere
haben so manche Bilanz verhagelt, denn besonders die Rückgänge der
Werbebuchungen waren und sind deutlich. Schätzungen für den gesamten
TV-Nettowerbemarkt gehen für das Jahr 2023 von einem Rückgang von 18
Prozent aus.
## Online first
Um die Situation zu verbessern, wurde Ende letzten Jahres Bert Habets
geholt, der schon die RTL Gruppe geleitet hatte, dann aber das
Bertelsmann-Unternehmen verließ – „aus persönlichen Gründen“, wie es h…
Der neue Vorstandsvorsitzende ließ zu den Stellenstreichungen in einer
Pressemitteilung verlauten, dass das Unternehmen im vierten Jahr in Folge
„in einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld agieren“ müsse: „Es i…
daher unumgänglich, dass wir unsere Sach- und Personalkosten deutlich
senken. Der Stellenabbau ist eine schwierige, jedoch unternehmerisch
notwendige Entscheidung, damit ProSiebenSat.1 seine Ertragskraft steigert
und wieder nachhaltig und gesund wachsen kann.“
Dabei setzt der holländische Manager vor allem auf das eigene Onlineangebot
Joyn, das er zu einer „Superplattform“ machen möchte. Innerhalb von zwei
Jahren will Habets die aktuelle Reichweite von 4 Millionen Nutzer*innen
monatlich verdoppeln, wie er kürzlich auf einer Pressekonferenz in
Frankfurt ankündigte. Die Streamingplattform soll zur zentralen
crossmedialen Anlaufstelle für ein deutschsprachiges Publikum werden.
Parallel dazu wirbt der Konzerngeschäftsführer für ein gemeinsames
Streamingnetzwerk aller deutschen Fernsehsender, inklusive der
Öffentlich-Rechtlichen. Damit soll nicht nur ein schädlicher Wettbewerb
zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern eingeschränkt, sondern
auch ein machtvolles Korrektiv gegen eine „Flut der Desinformation“
realisiert werden. Gerichtet wäre solch eine Initiative aber gleichermaßen
gegen eine Handvoll US-Konzerne, die mit ihren Algorithmen und auch mit
ihrer überlegenen Finanzkraft den gesamten Medienmarkt in Deutschland
dominieren. Das Interesse dafür scheint bei den anderen deutschen Playern
allerdings eher begrenzt, abgesehen von wettbewerbsrechtlichen Bedenken
seitens des Bundeskartellamts, das ähnlichen Vorhaben in der Vergangenheit
schon eine klare Absage erteilt hatte.
## Lineares Fernsehen verliert an Bedeutung
Neben den sinkenden Werbeeinlagen hat Habets noch mit anderen Baustellen zu
kämpfen: Im Frühjahr etwa wurde kurzfristig der Konzernabschluss
verschoben, weil Unregelmäßigkeiten bei den Tochterunternehmen Jochen
Schweizer und Mydays entdeckt worden waren. Parallel dazu tut sich auch
einiges bei den Gesellschaftern des börsennotierten Unternehmens: Die Firma
Media For Europe (MFE) von der [1][Berlusconi-Familie], die inzwischen rund
30 Prozent der Aktienanteile hält, würde die Sendergruppe gerne komplett
übernehmen.
Ob der Stellenabbau zur Verbesserung der Situation beitragen kann, bleibt
abzuwarten. Für dieses Jahr sollen sich die Personalkosten um einen
niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag reduzieren, 2024 dann um
einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Die Probleme des Medienkonzerns stehen dabei symptomatisch für die gesamte
private TV-Landschaft in Deutschland: Die Werbeeinnahmen im linearen
Angebot gehen zurück, mit den Streamingangeboten wird aber noch lange nicht
genügend Geld verdient, um das auszugleichen.
26 Jul 2023
## LINKS
[1] /ProSiebenSat1-am-europaeischen-Markt/!5596617
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Pro7
Privatfernsehen
Entlassungen
TV
PR
Privatsender
ProSieben
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