# taz.de -- Volksentscheid-Kampagne gestartet: Klimaschutz und Dialektik | |
> Ende März hat der Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ nun doch noch | |
> eine Chance. Hätte er am 12. Febraur stattgefunden, wäre er schon | |
> erledigt. | |
Bild: Zu früh kann aber manchmal auch schiefgehen | |
Die einen kleben sich fürs Klima fest, die anderen hängen auf: Plakate | |
nämlich. In den sozialen Medien trommelt die Initiative Klimaneustart | |
Berlin HelferInnen zusammen, die an diesem Wochenende und anschließend bis | |
zum Volksentscheid am 26. März Werbung für ein „Ja“ zu ihrem Gesetzentwurf | |
machen sollen. Etliche der in knalligem Rot, Blau und Grün gehaltenen | |
Poster sind auch schon im öffentlichen Raum zu sehen: Es kann ja bereits | |
seit dem 13. Februar, dem Morgen nach der Wiederholungswahl, abgestimmt | |
werden – per Brief natürlich. | |
Als der Senat im Dezember entschied, die erneuten Wahlen zum | |
Abgeordnetenhaus und den Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ nicht am | |
selben Tag, sondern im Abstand von sechs Wochen stattfinden zu lassen, | |
[1][gab es heftigen Protest aus dem Lager der AktivistInnen. Zu Recht]: Sie | |
befürchten, dass die Beteiligung an der Stimmabgabe nicht reichen könnte, | |
wenn es „nur“ um eine Klima-Gesetzesnovelle geht und nicht um die | |
Neubesetzung des Landesparlaments. Denn der Volksentscheid scheitert auch | |
dann, wenn zwar eine Mehrheit dafür stimmt, diese Mehrheit aber nicht | |
mindestens 25 Prozent der Berliner Stimmberechtigten entspricht. | |
Eigentlich hatte auch die Politik das Problem mit dem sogenannten Quorum | |
erkannt und vor wenigen Jahren das Berliner Abstimmungsgesetz entsprechend | |
angepasst: Seitdem gilt die Regel, dass Volksentscheide – soweit möglich – | |
zusammen mit Wahlen oder anderen Abstimmungen stattfinden sollen. Möglich | |
wäre das nach Ansicht vieler in diesem Fall auch gewesen, aber das ist nun | |
wirklich ziemlich kalter Kaffee. Denn so ironisch es ist: Ohne die | |
zeitliche Trennung der Termine, auf die vor allem SPD-Innensenatorin Iris | |
Spranger drängte, wäre das Projekt „Klimaneutralität 2030“ jetzt schon t… | |
Mehr als 40 Prozent haben am Sonntag vor einer Woche rechts der SPD | |
gewählt: CDU, FDP und AfD. Dass all diese WählerInnen den Daumen beim | |
Volksentscheid gesenkt hätten, davon darf man getrost ausgehen. Und für die | |
fehlenden Prozente bis zur „Nein“-Mehrheit hätte das Wahlvolk der SPD | |
locker gesorgt. Aber auch bei den Linken – [2][und selbst unter den auf den | |
letzten Metern umgeschwenkten Grünen] – gab es genügend Skepsis. Weil viele | |
das Ziel einer klimaneutralen Stadt in sieben Jahren für illusorisch | |
halten, aber auch wegen der im vorliegenden Gesetzentwurf verankerten, | |
höchst umstrittenen Garantie, dass das Land Mieterhöhungen nach | |
Klimasanierung abfängt. | |
Da geht insbesondere die Linke nicht mit, aber auch Grünen-Kandidatin | |
Bettina Jarasch sagte im Wahlkampf immer wieder, es könne nicht angehen, | |
dass die Allgemeinheit den HauseigentümerInnen pauschal das Konto | |
ausgleiche. Immerhin: Zuletzt hatte sie sich auf die Seite ihrer | |
Parteibasis geschlagen und erklärt, am 26. März mit „Ja“ zu stimmen. | |
## CDU geht eigentlich gar nicht | |
Umso delikater sind nun die laufenden Sondierungen mit der CDU. Für die | |
Grünen als Pro-Volksentscheid-Partei wiederum (wenn’s denn nicht nur Taktik | |
war) müsste sich eine Regierung unter Kai Wegner eigentlich verbieten. | |
Allerdings gehört Prinzipientreue bekanntlich schon lange nicht mehr zu den | |
Kerntugenden der früher umstandslos als „Ökopartei“ Titulierten. | |
Gerade weil viele Stimmberechtigte Ende März nicht schon wieder ins | |
Wahllokal schlurfen wollen, haben die KlimaaktivistInnen nun jedenfalls | |
doch noch eine Chance. Und wer weiß, welche dialektischen Sprünge die | |
politische Entwicklung bis dahin noch macht. Am Ende könnte eine | |
Entscheidung für [3][Schwarz-Rot oder auch Schwarz-Grün] (wer hätte vor ein | |
paar Monaten gedacht, dass wir das heute in Betracht ziehen, ohne mit der | |
Wimper zu zucken?) die Empörung bei bestimmten Gruppen auf ein Niveau | |
heben, das den Volksentscheid zur Protestabstimmung macht. | |
Vielleicht bringen aber auch, wer weiß, die Aktionen der „Letzten | |
Generation“ das konservative Milieu noch mehr auf die Palme. Denn dass der | |
Erfolg der CDU am Wahltag nicht auch von Wut auf die scheinbar | |
allgegenwärtigen Blockaden getragen wurde, lässt sich zwar nicht beweisen; | |
klebt, pardon: liegt aber auf der Hand. | |
18 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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