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# taz.de -- Klima-Volksentscheid in Berlin: Verschleppen geht diesmal nicht
> Der Umgang des Senats mit Volksbegehren hat der direkten Demokratie
> geschadet. Daher fragen sich jetzt viele, ob eine Stimmabgabe überhaupt
> lohnt.
Bild: Stand ganz oben auf der Agenda beim Klimastreik vergangene Woche: ein Ja …
Nur zwei Wochen sind es noch bis zur Abstimmung darüber, [1][ob Berlin bis
2030 klimaneutral werden muss]. Angesichts der möglichen massiven
Auswirkungen dieses Volksentscheids auf den Handlungsspielraum der
Landespolitik ist es schon erstaunlich, wie zurückhaltend die Debatte
darüber verläuft. Plakate gibt es nur von der Initiative selbst,
Stellungnahmen von Politiker*innen zum Thema sind Mangelware.
Schon im [2][Wahlkampf spielte Klimaschutz] eine untergeordnete Rolle; nun,
da die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD laufen, ist das nicht
besser geworden. Beide Parteien legen wenig Wert auf das Thema. Vielleicht
sind die politischen Repräsentanten aller Parteien einfach auch nur müde
nach den anstrengenden vergangenen Monaten – und hoffen deswegen, dass mit
möglichst wenig Aufhebens die Beteiligung am Entscheid am 26. März so
gering bleibt, dass selbst ein mehrheitliches Ja keine Folgen hätte. Das
ist fahrlässig und läuft der direkten Demokratie zuwider, wie es leider
schon bei vielen Volksbegehren zu beobachten war.
Mindestens 610.000 Berliner*innen müssen beim Klima-Entscheid für das
von der Initiative Klimaneustart Berlin vorgelegte Gesetz stimmen, das
entspricht einem Viertel der Wahlberechtigten. Angesichts der komplett
fehlenden Gegenkampagne ist es unwahrscheinlich, dass die Zahl der
Nein-Stimmen größer ausfallen wird. Und diese 610.000 Menschen für eine
Abstimmung zu mobilisieren, ist keineswegs undenkbar.
Die Kampagne der Initiative ist präsent in der Stadt. Viele Menschen
besonders aus dem links-alternativen Spektrum sehen in der Abstimmung auch
eine Möglichkeit des Protests gegen die drohende schwarz-rote Koalition.
Daher wäre es gerade auch für die Gegner eines solchen Gesetzes wichtig,
jetzt eine breite Debatte darüber zu führen. Schließlich handelt um das
wohl wichtigste politische Thema überhaupt.
Zentral für die Ja-Kampagne wird sein, auch jene Menschen zur Abstimmung zu
bewegen, die nach dem [3][Volksentscheid über die Enteignung großer
Immobilienkonzerne] daran zweifeln, dass sich die Politik an das Ergebnis
hält. Nach jenem Volksentscheid im September 2021 tat vor allem die SPD
bekanntlich alles, um eine Umsetzung zu verzögern, etwa indem sie in der
rot-grün-roten Koalition durchsetzte, erst mal eine Kommission zum Thema
einzusetzen.
## Die Innenverwaltung blockierte viele Volksbegehren
Die Miet-Aktivist*innen, die nicht müde wurden, diese Verschleppungstaktik
zu kritisieren, diskreditierten damit ungewollt gleich die Idee der
Volksentscheide per se. Und auch die Innenverwaltung des Senats, die die
rechtliche Prüfung geplanter Volksbegehren kaugummimäßig und teils
willkürlich oft über ein Jahr hinaus in die Länge zog, hat das Vertrauen
der Bevölkerung in die direkte Demokratie Verfahren nicht gestärkt.
Mittlerweile halten viele Abstimmungen wie die am 26. März für pure
Zeitverschwendung.
Doch anders als beim Enteignen-Entscheid und auch bei dem zur Offenhaltung
von Tegel 2017 wird diesmal nicht über einen bloßen Appell an den Senat
abgestimmt, sondern über einen Gesetzentwurf. Wie 2014 bei der Entscheidung
über die (Nicht-)Bebauung des Tempelhofer Feldes träte es im Erfolgsfall
unmittelbar in Kraft. Und gerade die aktuelle Debatte über die von der CDU
und weiten Teilen der SPD geforderte Randbebauung des Feldes zeigt, wie
machtvoll solche Entscheide sind: Warum sonst macht die CDU für diesen Fall
eine „Volksbefragung“ zur Voraussetzung?
Der Gesetzentwurf, der am 26. März zur Abstimmung steht, beinhaltet vor
allem eine Anpassung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes.
Wichtigster Punkt: An die Stelle des Ziels, die CO2-Emissionen bis 2045 um
mindestens 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern, träte die
Verpflichtung, dies schon bis 2030 zu leisten. Um das in dieser kurzen Zeit
zu erreichen, müsste das Land viele Extra-Milliarden in die Verkehrswende,
die Wärmeversorgung und die Dämmung von Gebäuden investieren.
Es geht also um viel an diesem 26. März – auch wenn man es bisher kaum
merkt.
10 Mar 2023
## LINKS
[1] /Klima-Volksentscheid/!5899803
[2] /Volksentscheid-Kampagne-gestartet/!5916847
[3] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213
## AUTOREN
Bert Schulz
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Schwerpunkt Klimawandel
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