# taz.de -- Verschmutzung durch Nitrat und Fracking: Wasser unter Druck | |
> In Niedersachsen wird nach Ergas gebohrt. Die Landwirtschaft bringt | |
> Nitrat ins Grundwasser. Trinkwasser könnte deshalb teurer werden. | |
Bild: Im Rohrkeller: Von hier aus wird das Wasser in den Hahn gepumpt. | |
BREMEN taz | Über viele Konsumgüter kann man sich streiten, aber Wasser, | |
das braucht wirklich jeder. Wasser, das ist Grundversorgung. Wenn das | |
Wasser wochenlang wegen der Belastung mit coliformen Keimen nicht ohne | |
Abkochen getrunken werden darf, wie in weiten Teilen des Leineberglands, | |
und der Versorger einfach die Quelle der Verunreinigung nicht findet, dann | |
liegt mehr im Argen als bloß ein Rohrleitungssystem. Das erschüttert das | |
Grundvertrauen. Wo das Wasser unter Druck gerät, seine Reinheit fragwürdig | |
ist, kriselt der Staat. | |
Deswegen widmet sich dieser Schwerpunkt dem Thema. Und das heißt: Er schaut | |
nach Niedersachsen. Denn auch wenn das Problem im Kreis Hildesheim eine | |
bloße technische Panne und ein Einzelfall ist, die Lage in Niedersachsen | |
ist grundsätzlich besonders mies: Während schon die Zahl der | |
Tiefenbohrungen auf der Suche nach Erdöl oder Erdgas das Risiko von | |
Schadstoffeinträgen ins Wasser erhöht – und diffuse Ängste nährt, | |
schleichend vergiftet zu werden –, sieht man sich zudem als Agrarland | |
Nummer eins. | |
Und ja: Alles deutet darauf hin, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen | |
dieser Tatsache und damit, dass nahezu alle Oberflächengewässer, 98 | |
Prozent, dort bereits in einem schlechten Zustand sind, und auch 60 Prozent | |
der Grundwasserkörper zu hohe Konzentrationen von Stickstoff und Nitrat | |
aufweisen. | |
Das Grundwasser ist die wichtigste Trinkwasserquelle, und in immerhin 24 | |
der 60 niedersächsischen Landkreise ist von einer besonderen Belastung die | |
Rede. Wenn das so weiter geht, das hatten sehr zum Zorn des Bauernverbandes | |
die Wasserwirtschaft und Umweltbundesamt schon im Frühjahr prophezeit, | |
kostet der Liter Wasser bald doppelt so viel wie bisher. Und längst hat die | |
EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in die Wege geleitet, | |
weil die Nitrateinträge einfach nicht gesenkt werden. | |
Am Freitag hat der Bundesrat beschlossen, diese Belastung wenigstens ein | |
bisschen zu kontrollieren. Es soll eine Stoffstrom-Bilanz geben, die von | |
der Länderkammer nach monatelangem Hin und Her verabschiedet worden ist (in | |
Ergänzung zur neuen Düngegesetzgebung). Der jüngste Kompromissvorschlag | |
stamme allerdings direkt aus der Feder der Agrarlobby, vermuten die einen – | |
das Protokoll dagegen sagt: aus der von Mecklenburg-Vorpommerns | |
Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD). | |
Inhaltlich läuft der Kompromiss darauf hinaus, dass erlaubt wird, bis zu 55 | |
Prozent der ausgebrachten Stickstoffe als Schwund aus der Bilanz | |
rauszuschreiben, weil sie eben nicht den Ackerfrüchten zugute kommen, | |
sondern direkt in die Umwelt abgegeben werden: Das wirkt ungefähr so | |
sinnvoll wie ein Vorschlag, die KFZ-Steuer für Autos zu mindern, deren | |
Ölwanne leckt. „Damit haben unsere Landwirte endlich eine | |
Planungssicherheit“, lobte der geschäftsführende | |
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) die Entscheidung der | |
Länderkammer. | |
Doch nicht nur im Umweltausschuss des Bundesrates hatte es zuvor Widerstand | |
gegen den Vorschlag gegeben. „Geradezu dreist“ hatte der eher CDU-nahe | |
Kieler Landwirtschaftsprofessor Friedhelm Taube den Plan genannt, der allem | |
zuwiderlaufe, was bisher als gute fachliche Praxis galt. „Wir sind | |
schockiert“, sagt Susanne Bareiß-Gülzow, Vorsitzende des Vereins | |
VSR-Gewässerschutz, denn dadurch würden die „wirtschaftlich orientierten | |
Interessen der Agrarlobbyisten wieder höher als die Meinung der | |
Wissenschaftler“ gewichtet. Und höher als das gesundheitliche und | |
wirtschaftliche Interesse aller BürgerInnen. | |
Ist das Trinkwasser in Gefahr? Noch nicht so sehr, dass sie sich nicht | |
abwenden ließe. Wenn kommende Woche der Bundesgesundheitsminister wie alle | |
drei Jahre den Bericht über die Trinkwasserversorgung nach Brüssel schickt, | |
wird darin weiterhin deren guter Zustand dokumentiert werden. Die Standards | |
werden in nahezu 100 Prozent der Leitungswasserproben eingehalten. | |
Der Aufwand aber, sie zu erreichen, wird sich erhöhen. Aluminium-, | |
Pestizid- und vor allem Stickstoff-Einträge müssen rausgefiltert werden. | |
„Es besteht akuter Handlungsbedarf“, hatte der niedersächsische | |
Umweltminister Stefan Wenzel noch im März gesagt und mit Agrarminister | |
Christian Meyer (beide grün) versucht, die Schäden einzudämmen. Jetzt | |
regiert die Große Koalition. | |
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24 Nov 2017 | |
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## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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